Einzelnen Beitrag anzeigen
  #20  
Alt 02.06.16, 21:24
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Interpretation der Quantenmechanik

Zitat:
Zitat von pakoe Beitrag anzeigen
Meine Frage (#8) setzt natürlich voraus, dass die Schrödinger-Gleichung SG auch für makroskopische Systeme M gilt und die natürlich nur theoretisch mögliche Betrachtung von SG für M kein Nonsense ist ... als Arbeitshypothese gehe ich aber davon aus, dass SG auch für M gilt und theoretische Betrachtungen darüber sinnvoll sind, und wüsste gern, was Physiker ... zu Frage #8 sagen.
Ich denke, ich weiß worauf du hinauswillst.

Wenn du instrumentell die Wellenfunktion - besser: den Zustandsvektor - als reines Instrument zur Berechnung von Messergebnissen und Wahrscheinlichkeiten ansiehst, dann stellen sich diese Fragen nicht. Wenn du dagegen realistisch den Zustandsvektor als "strukturell treue Repräsentation" der "tatsächlichen, beobachterunabhängiges Realität" ansiehst, dann sind diese Fragestellungen naheliegend.

Warum viele Physiker diese Fragestellungen ignorieren oder negieren hat viele, insbs. sowohl historische als auch pragmatische Gründe.

Man muss zwei Ebenen der Schlussfolgerung aus dem mathematischen Formalismus der QM unterscheiden:

1) Dekohärenz ist ein mathematisch abgesicherter Formalismus. Er besagt, dass durch Interaktion eines Quantenobjektes mit einem makroskopischen System dieses Quantenobjektes mit den einzelnen Quantenobjekten des makroskopischen Systems verschränkt wird. Wenn man nun die unbeobachtbaren Freiheitsgrade (diverse Teile des Messgeräts, Umgebung = Luft, ...) ausspurt - das ist die Präzisierung deines Integrierens - dann erscheint die mathematische Repräsentation dieses Quantenobjektes plus des "Zeigerzustandes" wie ein klassisches statistisches System, das aus einer inkohärenten Summe von Zuständen zu bestehen scheint, wobei jeder Zustand klassisch lokalisiert erscheint. Kurz gesagt folgt aus der Dekohärenz, dass und warum wir klassisch lokalisierte Zustände beobachten.

2) Aus der Dekohärenz folgt nicht, welchen der möglichen klassischen Zustände wir beobachten werden. Sie beschreibt, in welche möglichen klassischen Zustände das System kollabieren kann. Sie beschreibt nicht, dass, wie und in welchen Zustand das System tatsächlich kollabiert, d.h. sie ersetzt nicht den Kollaps (sie ist verträglich mit dem Kollaps, eröffnet jedoch auch die Möglichkeit, den Kollaps als unphysikalisch abzulehnen).

Zitat:
Zitat von pakoe Beitrag anzeigen
Spricht etwas gegen die Hypothese, dass f1(re) aus mathematischen Gründen annähernd eine Delta-Funktion sein muss ...
Man sollte hier nicht mit Delta-Funktionen argumentieren, das ist letztlich mathematisch nicht zulässig; es ist einfacher, mit dem sogenannten Dichteoperator zu argumentieren; aus Gründen der Übersichtlichkeit vereinfache ich außerdem auf abzählbar unendlich viele mögliche Orte.

1) Betrachten wir vor der Interaktion einen quantenmechanischen Superpositionszustand der Form

|ψ> = |Ort 1> + |Ort 2> + |Ort 3> + ...

Der Dichteoperator dieses reinen Zustandes lautet

ρ = |ψ><ψ|

Nach der Interaktion dieses quantenmechanischen Superpositionszustandes liegt wiederum ein reiner Zustand vor, in dem das Quantenobjekt mit dem Messgerät verschränkt ist. Spurt man nun die unbeobachteten Freiheitsgrade aus, dann resultiert daraus ein scheinbar gemischter Zustand mit einem Dichteoperator der Form

ρ = |Ort 1><Ort 1| + |Ort 2><Ort 2| + |Ort 3><Ort 3| + ...

Dieser Dichteoperator entspricht dem eines klassischen Systems, das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an den genannten Orten lokalisiert sein kann, z.B. eine Kugel in einem Galtonbrett.

2) Gemäß der Kollapsinterpretation wird ρ zufällig ein genau einen Zustand

ρ = |Ort i><Ort i|

Gemäß der Viele-Welten-Interpretation findet kein Kollaps statt; der Zustand

ρ = |Ort 1><Ort 1| + |Ort 2><Ort 2| + |Ort 3><Ort 3| + ...

bleibt bestehen.

Die Dekohärenz erklärt (1), sagt jedoch nichts bzgl. (2)
__________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (02.06.16 um 21:45 Uhr)
Mit Zitat antworten