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Alt 07.08.18, 07:42
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Genauer, es kommen am Detektor diejenigen Elektronen an, die durch den DS gegangen sind, das sind weniger als ausgesandt wurden.
Nach der VWI kommt pro durchgegangenem Elektron jeweils eines in jeder der vielen Welten an.
Nein, das ist völlig missverständlich - und das ist genau der Grund, warum ich diese text-zentrierte Diskussion nicht mag.

Ja, je Zweig liegt ein Detektorsignal vor.

Aber was ist „ein Elektron“ oder „ein Photon“?

Betrachte bitte mal meine Formeln zum Zwei-Wege-Experiment mit Photonen und sage mir, an welchen Stellen du was als „ein Photon“ identifizierst und wieviele Photonen wir da in Summe haben.

Zitat:
Everett sei jedoch „konservativ“ bei der Gleichsetzung von Realität und Faktizität geblieben. Sein eigentlicher – philosophischer – Einwand gegen die VWI sei, dass die Existenz einer Menge von Ereignissen („Welten“) gefordert werde, die „nicht Phänomene werden können“.
Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Damit lag ich mit "kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Everett und VWI" offenbar völlig verkehrt.
Nein.

Zunächst mal ist die moderne Variante nur eine Weiterentwicklung von Everetts ursprünglichem Ansatz auf Basis der Dekohärenz. Insofern zählt alles, was man heute gemeinhin als „Many Worlds“ betrachtet, zu einer Klasse von Interpretationen mit gemeinsamem mathematischen Kern.

Abweichende Interpretationen sind natürlich immer möglich, und da gibt es durchaus ein breites Spektrum.

Das verhält sich nicht anders als bei „Kopenhagen“: einer Klasse von Interpretationen mit gemeinsamem mathematischen Kern.

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Der Punkt auf dem Bildschirm ist unbestreitbar ein Phänomen. Damit sollte nach Everett (wenn Weizsäcker ihn richtig interpretiert) dieser Punkt in den Vielen Welten im Gegensatz zur VWI nicht als reales Phänomen existieren.
Nun, es ist die Frage, aus welcher Sicht etwas „Phänomen werden kann“. Gemäß Everett kann jedes Ereignis Phänomen werden; und Everett präsentiert eine Methode, die es erlaubt, diese Potentialität vollumfänglich zu behalten, um daraus die Faktizität zu berechnen. Man kann Everetts Formalismus auch ernst nehmen und Faktizität mit Potentialität gleichsetzen; dann gelangt man zu den „real existierenden Zweigen“.

Wenn ich Weizsäcker richtig verstehe, dann versteht er wiederum Everett falsch, indem er „Phänomen werden“ aus Sicht eines Beobachterzweiges definiert, für den natürlich nicht mehr alles „Phänomen werden kann“.

Ich denke, die Dekohärenz spielt hier eine entscheidende Rolle. Zu Zeiten Everetts war sein Formalismus eher ein Konstrukt, seine Schlussfolgerungen eine spezielle Interpretation dieses Konstruktes. Heute verstehen wir ziemlich genau, dass und wie diese Zweige gemäß Dekohärenz resultieren, warum sie dynamisch stabil sowie wechselweise unsichtbar bleiben, und demnach „wechselweise nicht Phänomen werden können“. Die Theorie sagt also sowohl diese „Verzweigung“ als auch das „Unsichtbarwerden“ präzise vorher. Dem nun abzusprechen, dass ein faktisches Phänomen vorliegt, ist ungefähr so wissenschaftlich, wie (vor hunderten von Jahren) Verdampfen mit Verschwinden gleichzusetzen.

The potential for multiple worlds is always there in the quantum state ... The formalism predicts that there are many worlds, so we choose to accept that
(Carroll)

Die Vorhersage der „vielen Welten“ ist die erste und einzige Vorhersage der Quantenmechanik, die von einigen Physikern konsequent abgelehnt wird; dabei folgt sie exakt so aus dem Formalismus wie bekannte Ergebnisse zum Doppelspalt, zur Verschränkung, zum o.g. zwei-Wege-Experiment für ein Photon usw. Diese Vorhersage abzulehnen, weil man sie nicht mag, ist unwissenschaftlich. Wissenschaftlich wäre es, wenn man an der Falsifizierbarkeit und der experimentellen Unterscheidbarkeit zwischen orthodoxer und Everettscher Quantenmechanik arbeiten würde.
__________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (07.08.18 um 07:57 Uhr)
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