Einzelnen Beitrag anzeigen
  #201  
Alt 21.01.22, 16:29
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Abweichungen und Möglichkeiten in einem Multiversum?

Ein Gedankenexperiment.

Nehmen wir an, eineiige Zwillinge, von Beruf Informatiker, hätten ein gemeinsames Informationsmodell für Aspekte des Bewusstseins entwickelt: es decke zumindest die Entstehung des mentalen Zustandes <Geborgenheit> sowie <Bewusstsein von Geborgenheit> ab, ausgehend von Informationen wie Temperatur, Wahrnehmung der Körpertemperatur der Mutter, Geruch der Mutter usw.

Mittels der Zwillinge decke ich sowohl subjektiv / introspektive als auch objektive Aspekte ab; rein logisch ist das nicht ausreichend, jedoch hoffentlich plausibel. Die beiden Zwillinge haben sich jedenfalls auf ihr gemeinsames Informationsmodell geeinigt.

Das Informationsmodell leistet eine Kontextualisierung: es liefert auf Basis neurologischer Signale als Input an das Modell einen Output im Sinne mentaler Zustände wie <fühle mich geborgen>. Wie wir die Verdrahtung der Neuronen und Nerven mit dem Informationsmodell physikalisch realisieren, wollen wir jetzt nicht diskutieren ;-)

Die Semantik ist an der Implementierung = dem Source Code des Informationsmodells explizit ablesbar: z.B. sind auf der Output-Seite Attribute vorhanden, die u.a. den <Grad der Geborgenheit> als Integer-Variable darstellen: qGeborgenheit = -3. Auf der Input-Seite gilt das selbe für <schiebt mich weg>, <schaut an mit vorbei> … Sämtliche Bezeichner für Variablen und Funktionen enthalten entsprechende Begriffe aus dem Kontext Geborgenheit. Ein einfaches Beispiel heute lösbarer Aufgabenstellungen zur Mustererkennung wäre qTier = 100; qKatze = 95; qHund = 2; qQualle = 0 …

Ich behaupte dabei noch nicht, dass dieses Informationsmodell die Geborgenheit tatsächlich fühlt und sich dieser bewusst ist, lediglich, dass es sämtliche Aspekte im Umfeld Geborgenheit, die den Zwillingen wichtig sind, geeignet repräsentiert.

Nun entfernen die Zwillinge die Kontextinformationen aus dem Source Code des Modells mittels „Suchen und Ersetzen“; aus qGeborgenheit wird z.B. qOut17. Anschließend übergeben Sie es ihren Eltern, und versuchen diese davon zu überzeugen, dass es sich um ein vollständiges Informationsmodell der <Geborgenheit> im Rahmen der Familie handele …

Natürlich ist das immer noch der Fall, aber es ist nicht mehr erkennbar, da die Kontextinformationen d.h. die Semantik entfernt wurden. Genau so verhält es sich doch in unserem Gehirn: die Semantik bzw. der Kontext sind nicht im Gehirn codiert. Informationen, welchen mentalen Zustand ein neuronales Erregungsmuster tatsächlich repräsentiert bzw. hervorbringt, sind im Gehirn nicht vorhanden.

Das ist doch letztlich genau das Rätsel der Qualia, die sogenannte Erklärungslücke.

Dies gilt für sämtliche Kontextinformationen - Input, Output, Feedback, Lernziele und Strategien, mentale Zustände / Qualia … - schlicht alles!

Wir stehen vor unserem Gehirn wie die Eltern vor dem de-kontextualisierten Informationsmodell ihrer Zwillinge; natürlich glauben sie ihren Kindern, dass das Modell das genannte leistet, jedoch sind sie nicht in der Lage, dies nachzuvollziehen.

Emergenz von Qualia und Bewusstsein bedeutet nun, dass diese Kontextinformation bzw. die Semantik ebenfalls emergent ist. Deswegen kann ich dir keine Lernziele für Qualia und Bewusstsein nennen, denn damit hätte ich das Rätsel der Qualia gelöst und die Erklärungslücke geschlossen.
__________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (22.01.22 um 09:40 Uhr)
Mit Zitat antworten