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Alt 02.05.15, 09:39
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Ich würde vorschlagen, dass wir nach dem langen Ausflug in die QM wieder auf das ursprüngliche Thema zurückkommen.

Das Kriterium der Falsifizierbarkeit stammt von Popper. Ich denke, er hatte dabei weniger die Physik im Blick, zumindest nicht als Problemfall, sondern wohl eher die Human- und Geisteswissenschaften (angeblich gab bzw. gibt es in der Psychologie/Psychiatrie Diagnosemethoden, die am selben Patienten nicht wiederholbar sind). Ein Kritikpunkt an Popper wäre, dass er eine Theorie zu sehr als "statisch" ansetzt und sein Kriterium wenig nützlich ist in einem Stadium der Theorieentwicklung.

Möglicherweise trifft dies auf die Stringtheorie zu; diese ist wohl - neben anderen Problemen - noch zu unscharf, um diesem Kriterium zu genügen, aber der Anspruch ist sicher, dies zu ändern. Ein für mich ebenfalls wichtiger Aspekt ist, dass es sich ggf. eher um eine Art Meta-Theorie handelt (so wie Feldtheorie, Eichtheorie, Thermodynamik), die den Rahmen für konkrete Theorien darstellt (Elektrodynamik, QCD, ideales Gas). Für eine Meta-Theorie ist das Kriterium der Falsifizierbarkeit evtl. so nicht direkt anwendbar.

Ein weiterer Punkt in Kontext der Theorieentwicklung ist die von Kuhn aufgeworfene Idee des Paradigmenwechsels; evtl. haben wir es im Bereich der Quantengravitation gerade damit zu tun: einer gewissen Aufweichung des Falsifizierbarkeitskriterium unter Hinzunahme mathematischer Kriterien (physikalische Konsistenz wie z.B. Renormierbarkeit, Anomalienfreiheut), und letztendlich einem modifizierten, weniger exakten Theoriebegriff. Ich hätte damit kein Problem, wenn dennoch ein Streben nach Exaktheit erkennbar bleibt, und wenn das Kind beim Namen genannt wird. Womit ich ein Problem habe ist diese schleichende Erosion der wissenschaftlichen Methode, wie sie ggw. teilw. propagiert wird.

Spannend ist evtl. die Position Feyerabends, der wohl mit der Stringtheorie wenig Probleme gehabt hätte.

Einen ganz guten Überblick zu Wissenschaftstheorie findet man hier: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftstheorie
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (02.05.15 um 09:49 Uhr)
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