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Alt 16.12.14, 13:53
Stiller Läufer Stiller Läufer ist offline
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Standard AW: Lorentz-Kontraktion

Es bleiben immer noch Fragen! Aber meine Fragen haben – klar doch – einen Grund. Eigentlich einen ganz prinzipiellen Grund. Was ist eigentlich eine Theorie, was sind mathematische Formeln? Sie helfen uns, die Welt zu begreifen, so ist jedenfalls zu hoffen.

Auf die Lorenz-Transformation bezogen: Es ist doch wohl so, dass sie ein Mittel ist, eine Aussage über die „Welt da draußen“ zu formulieren, aber sie ist nicht die Welt selbst. Alles, was sie über uns über die Veränderung von Objekten in Bewegungsrichtung mitteilen kann, müssen wir ihr mit Werten vorgeben. Wir messen nichts in der Welt dort draußen (in Bewegungsrichtung), sondern wir erhalten errechnete Ergebnisse, die wir über die Geschwindigkeit unseres Raumschiffes ermitteln im Verhältnis zur Lichtgeschwindigkeit.

Das heißt nicht, dass die Formel irgendwie nicht richtig wäre, sondern sie ist nicht mehr als das, was sie ist: Eine mathematische Konstruktion.

Und so wie ich sie verstehe, sagt sie nichts über eine Kontraktion des Raumes selbst, sondern sie sagt etwas über Koordinaten im Raum (in der Zeit) bzw. über (zueinander bewegte) Inertialsysteme aus. In diesem Sinne ist auch ein Raumschiff nichts als ein Koordinatensystem, wir können ohne Informationsverlust auf den Körper des Schiffes verzichten und uns auf die Koordinaten von Heck und Spitze beziehen. Das ist eine Abstraktion, so wie die Lorenz-Transformation eine Abstraktion ist.

Und eine Formel an sich beweist gar nichts, sie kann als Mittel zur Beweisführung dienen, aber es ist nicht gesagt, dass sie auch eine Entsprechung in der realen Welt hat, wir müssen ihr einen Bezug zu realen Welt geben.

Was macht es dann aber für einen Sinn, aus ihren Werten mehr ableiten zu wollen, als sie geben kann? Niemand kann je einen Raum kontrahiert beobachten, das Einzige, was am Ende bleibt, ist eine konkrete Aussage über nicht mehr synchron laufende Uhren. Die Länge eines Raumschiffes (ihr Maß, das was wir messen) ist nach der Ankunft genauso, wie zu seinem Start – das unterscheidet die Längenkontraktion eindeutig von der Zeitdilatation.

Wir können interpretieren, dass die Zeit auf der „Reiseuhr“ deshalb weniger anzeigt, weil die zurückgelegte Strecke kürzer war als vom ruhenden System aus angenommen. Aber warum sollten wir das tatsächlich tun? Die Annahme, die Zeit sei langsamer vergangen, lässt sich anhand der Uhren sofort und ohne Zusatzannahmen einleuchtend erklären (da der Erdzwilling einen langen Bart hat, der Reisezwilling aber nicht, können wir eine mechanische Erklärung für die Abweichung der Uhr ausschließen).

Es ist auch nicht die Reisedauer ausschlaggebend, die ist ja relativ, sondern es ist die Geschwindigkeit in Verhältnis zur Lichtgeschwindigkeit.
Deshalb gibt noch einen anderen Prüfstein für die Beweiskraft der SRT in Bezug auf das Zwillingsparadoxon, soweit sie über eine mathematische hinausgeht. Rein rechnerisch kann das Zwillingsparadoxon mithilfe der SRT bewältigt werden, das ist sicher richtig. Aber „die Welt dort draußen“ legt sich quer. Ein wirkliches Raumschiff könnte niemals mit den Werten beschleunigen, sodass die Beschleunigungsphase im Verhältnis zur Reisedauer unwichtig wird (soweit es um Reisen zu näheren Sternen geht und nicht um ferne Galaxien). Wir haben auch gar nicht die Mittel, um solche Energien für kurze Zeitspannen zu erzeugen. Und ein Astronaut würde es nicht überleben. Eine sinnvolle Reise würde mit ständiger, gleichmäßiger Beschleunigung bei einem G stattfinden, also hätten wir es nicht mehr mit einem Inertialsystem zu tun.

So, nach meiner zusammengefassten Ansicht ist die Lorenzkontraktion ein wertvolles Hilfsmittel, um sich die Vorgänge im Zusammenhang mit der SRT klar zu machen, aber sie ist eben genau das: ein Hilfsmittel, und sie ist noch nicht einmal nötig (siehe auch, was TomS dazu schreibt).
Und, Eugen, falls dir diese Argumentation bekannt vorkommt – im wirklichen Leben heiße ich Henry.
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