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Zitat von n4mbuG0t0
Meine persönliche Meinung: Solange das Auftreten der Wahrscheinlichkeiten (Born'sche Regel) in der MWI nicht konsistent ableitbar ist, ist die MWI ein weiterer Kandidat der das Problem nur zum Teil löst. Der Vorteil: Hier besteht noch die Möglichkeit die Kurve zu kriegen.
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Das ist so die gängige Sichtweise - wobei es weitere diffizile Gegenargumente gibt.
Um fair zu sein sollte man die Situation mit der Newtonschen Mechanik vergleichen: dort existiert ebenfalls keine Begründung eines Zusammenhangs zwischen dem mathematischen Formalismus einerseits und den epistemischen Gegebenheiten andererseits. Es existiert keine tiefergehende Begründung
warum die Lösung der Bewegungsgleichung – eine parametrisierte Kurve im euklidschen Raum – der von uns beobachteten tatsächlichen Bahnkurve entsprechen sollte. Die Feststellung, dass die Lösung der Bewegungsgleichung im mathematischen Sinne eine Kurve beschreibt, sowie die Feststellung, dass wir in der Realität eine Bahnkurve beobachten, werden durch keinerlei Argumentation miteinander verbunden – denn dies ist in der Newtonschen Mechanik ja „offensichtlich klar“. Der wesentliche Unterschied zwischen Quantenmechanik nach Everett sowie der Newtonschen Mechanik besteht keineswegs darin, dass letztere eine Begründung für diesen Zusammenhang geliefert – sie liefert keinen! – sondern er besteht darin, dass wir aufgrund der „offensichtlichen Gegebenheiten“ eine solche Begründung nicht weiter vermissen – obwohl sie de facto nicht existiert. Die Quantenmechanik nach Everett ist hier nicht schlechter aufgestellt als die Newtonschen Mechanik; allerdings ist - im Gegensatz zur Newtonschenchen Mechanik - der Zusammenhang eben nicht „offensichtlich klar“ - und nur deswegen vermissen wir eine solche Begründung.
Die Quantenmechanik nach Everett hat außerdem eine zusätzliche Bringschuld, nämlich den Brückenschlag zwischen der ontischen und der epistemischen Ebene. Diese Bringschuld fehlt in vielen anderen Interpretationen der Quantenmechanik, weil diese ausschließlich auf Ebene der Empirie und der Beobachtung verharren. Everett et al. machen einen wesentlichen Fortschritt dahingehend, dass sie eine Interpretation liefern, die überhaupt eine widerspruchsfreie und zugleich ontische Interpretation zulassen. Es ist also schon etwas gewagt, Everett et al. für einen noch nicht vollendeten jedoch maßgeblichen Weg zu kritisieren, den andere noch nicht mal ansatzweise beschritten haben.
Während Everett et al. um die Lösung eines Problems ringen, negieren andere die Existenz oder die Relevanz dieses Problems.