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Alt 07.06.12, 16:14
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Bauhof Bauhof ist offline
Singularität
 
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Standard AW: Gedankenexperiment Unendlichkeit

Zitat:
Zitat von Marco Polo Beitrag anzeigen
Bin gespannt, wie du den Unterschied herausstreichen wirst.
Hallo Marc,

die "potentielle Unendlichkeit" ist eine werdende, sich entfaltende, aber nicht abgeschlossene Unendlichkeit, da sie kein letztes, abschließendes Element hat. Unter einer "potentiell unendlichen Menge" stellt man sich einen unbegrenzt fortschreitenden Prozess der Erzeugung bestimmter Objekte vor, mittels dessen man zu jeder noch so großen endlichen Anzahl von Elementen der betrachteten Menge ein bestimmtes weiteres Element der Menge erhalten kann.

"Aktual unendlich" bezeichnet die Auffassung einer unendlichen Menge als ein fertiges, vollendetes Ganzes. Die klassische Mathematik und gleichzeitig die überwiegende Mehrheit der heutigen Mathematiker akzeptiert das aktual Unendliche für alle Mengen, die sich auf der Grundlage der Axiome der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre definieren lassen: Das Unendlichkeitsaxiom liefert die Existenz der Menge der natürlichen Zahlen, das Potenzmengenaxiom die der reellen Zahlen.

Ich kann mir das Universum zwar als potentiell unendlich vorstellen, aber nicht als aktual unendlich. Denn da müsste ich mir das Universum als "unendlich fertiges, vollendetes Ganzes" vorstellen. Das führt zu einen unendlichen Gedanken-Regress.

Javier de Lorenzo Martinez schreibt auf Seite 6 in [1] dazu folgendes:
Zitat:
Zwischen "beliebig viele" und "unendlich viele" besteht ein philosophisch entscheidender Unterschied. Diese Begriffe - das potenziell Unendliche und das aktual Unendliche - zu klären hat die Mathematiker über die Jahrhunderte viel Mühe gekostet. Aber sie wollen das Unendliche nicht missen, denn ohne diese Begriffe wäre die Mathematik viel schwieriger.
[...]
Gibt es nur ein aktual Unendliches, nämlich das der natürlichen Zahlen? Anders ausgedrückt: Gibt es nur eine transfinite Kardinalzahl? Wer soeben erst die Zaghaftigkeit des potenziell Unendlichen überwunden und sich mit dem aktual Unendlichen angefreundet hat, wäre froh, wenn dieser unheimliche Bereich wenigstens in dem Sinne übersichtlich wäre, dass es nur ein Unendliches gäbe. Cantor zerstörte diese Illusion, indem er nachwies, dass es eine ganze Hierarchie von unendlichen Mengen gibt. Er zeigte sogar auf, wie man von einer gegebenen Menge zu einer mit größerer Kardinalität kommt: Man nehme die Menge ihrer Teilmengen. Zum Beweis dient das berühmte Diagonalverfahren.
[...]
Das Unendliche in seinen beiden Aspekten beherrscht und strukturiert die mathematische Tätigkeit. Mathematik betreiben bedeutet, so meinte Poincare, Geschichten erzählen über das Unendliche, obwohl kein Mathematiker je einen unendlichen Beweis oder eine unendliche Berechnung durchgeführt hat noch jemals durchführen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] Martinez, Javier de Lorenzo
Die Wissenschaft vom Unendlichen.
Aufsatz in: Spektrum der Wissenschaft spezial: Das Unendliche.
Heidelberg, Mai 2001.
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Ach der Einstein, der schwänzte immer die Vorlesungen –
ihm hatte ich das gar nicht zugetraut!

Hermann Minkowski

Ge?ndert von Bauhof (07.06.12 um 16:27 Uhr)
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