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Alt 22.11.15, 17:42
RoKo RoKo ist offline
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Lächeln AW: In-, nono-, para- ortho-determinismus

Hallo TomS,

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
.. Ja, man kann die Everettsche Interpretation ablehnen, aber bitte aus den richtigen Gründen. Es gibt im wesentlichen zwei relevante Gegenpositionen ..
Bitte nicht untertreiben.

Ich halte mindestens sechs Gründe für relevant:

Wissenschaftstheoretische Kritik I:
Durch den Verzicht auf das Kollaps-Postulat befindet sich die VWT zwar axiomatisch in der besseren Position; sie kann die verbleibenden Postulate jedoch solange nicht durch empirische Erfolge rechtfertigen, weil sie die Bornsche Regel (nicht das Projektionspostulat!!) nicht aus den ersten drei Axiomen (zumindest als Näherung für makroskopische Systeme) ableiten kann.
Der momentane Status der VWT ist daher folgender: Es gibt drei Postulate, aus denen keine prüfbaren Vorhersagen über das Verhalten von Natur abgeleitet werden können.

Erkenntnistheoretische Kritik I:
Wenn die VWT richtig ist, dann sind notwendigerweise alle anderen wissenschaftlichen Theorien falsch, da diese nicht davon ausgehen, dass sich Systeme in einem widersprüchlichen Überlagerungszustand wie z.B. |tot> und |lebendig> befinden können. Das ist eine weitreichende Konsequenz, die da zu akzeptieren wäre.

Wissenschaftstheoretische Kritik II:
Eine Konsequenz der VWT ist die Aufspaltung des Universums in eine "Vogel"-Perspektive und viele "Frosch"-Perspektiven. (Begriffe stammen von Max Tegmark). "Beobachter" (Everett versteht hierunter erinnerungsfähige Systeme) können prinzipell nur die "Frosch"-Perspektive einnehmen. Diese Konsequenz der VWT ist daher prinzipiell nicht falsifizierbar. Ferner werden dadurch alle bisherigen Plausibilitätskontrollen wie z.B. simple Abzähl-Bilanzen entwertet, womit sich die VWT gegen Kritik immunisiert und zu einem Dogmatismus mutiert.
Man betrachte beispielsweise einen simplen Stern-Gerlach-Versuch (z.B. mit Elektronen in Z-Richtung). Wir beobachten stets kurz nach Eintritt eines Elektrons in die Messapparatur einen Austritt; entweder "Up" oder "Down". Durch simples Abzählen und Bilanzieren ergibt sich, dass das Elektron nicht noch zusätzlich in einer anderen "Frosch"-Perspektive sein kann.

Ontologische Kritik I:
Jede unitäre Zeitentwicklung setzt implizit eine unendliche Genauigkeit der Natur voraus. Dafür gibt es jedoch nicht den Hauch eines Beleges.

Wissenschaftshistorische Kritik I:
Die QM basiert historisch auf der Quantenhypothese (E=h*v)von Max Planck. Diese Hypothese muss zwangsläufig zu Wahrscheinlichkeitsverhalten von Systemen führen. (Man versuche, 1 Cent auf zwei Sparbüchsen zu verteilen!). Die VWT negiert somit die Quantenhypothese und damit ihre eigene Voraussetzung.

Ontologische Kritik II:
Die VWT setzt (mit dem Dekohärenz-Mechanismus) implizit voraus, dass im Universum separierbare und individuierbare Systeme existieren; sie kann aber nicht erklären, wie sie entstanden sein könnten.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover

Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion
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