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Alt 10.01.19, 20:24
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Was ist eine Observable?

Die Begriffe werden oft nicht sauber definiert.

1) Eine Observable O ist zunächst mal eine real messbare Größe.

2) Im Kontext einer bestimmten Theorie entspricht dieser Observablen dann ein mathematisches Objekt O. Oft wird für dieses mathematische Objekt ebenfalls der Begriff „Observable“ verwendet, aber das ist letztlich unsauber.

(1) ist unabhängig von der konkreten Theorie, (2) dagegen nicht.

Im Rahmen der QM entspricht (2) einem selbstadjungierten und eichinvarianten Operator O. Dabei sagt einem das mathematische Objekt O nichts darüber, ob und wie eine Messmethode für O angegeben werden kann bzw. genaunfunktioniert. Es ist nicht mal klar, ob zu jedem O auch ein zugehöriges O existiert. Das „eichinvariant“ wird gerne vergessen! Z.B. ist das elektromagnetische Viererpotential A in der QED zwar ein selbstadjungierter Operator, jedoch nicht eichinvariant. Eichinvariant wäre nach Eichfixierung F ein Objekt A / U(1) = [A], was einem Schnitt G[A] = 0 einer Faser in einem U(1) Faserbündel entspricht. Dieses [A] könnte nun ein reales [A] repräsentieren, wobei ich keine Messmethode dafür kenne.

Im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie werden keine Operatoren verwendet. Allerdings weist die Theorie eine vergleichbare Symmetrie auf; es handelt es sich um die Diffeomorphismeninvarianz Diff(M) auf einer pseudo-Riemannschen Mannigfaltigkeit (M,g); [g] steht für die Metrik. Konkret können auf (M,g) überabzählbar viele Koordinatensysteme bzw. sogenannte Karten definiert werden. Eine Karte ist eine Abbildung φ : U ⊂ M → X ⊂ R wobei allen Punkten P aus einer Teilmenge U ⊂ M entsprechende Koordinaten x(P) in einer Teilmenge X ⊂ R (steht vier den 4-dim. Raum über den reellen Zahlen) zugeordnet werden. Die Diffeomorphismeninvarianz besagt insbs., dass es physikalisch irrelevant ist, welche Karten bzw. Abbildungen φ und damit welche Koordinaten x(P) verwendet werden.

Beispiel: die Koordinaten x(P) = (1, 7, 8, -3) haben für sich betrachtet keine physikalische Bedeutung; aber der Raumzeitpunkt P = „der Raumzeitpunkt, an dem die Mondlandefähre zuerst die Mondoberfläche berührt hat“ sind physikalisch relevant.

Der Eichsymmetrie von oben entsprechen Diffeomorphismen f, die sozusagen zwischen zwei Karten bzw. Koordinatensystemen f : X ⊂ R → X‘ ⊂ R transformieren. Konkret entspricht dies einer Funktion, die den alten Koordinaten die neuen Koordinaten gemäß x’ = f(x) zuordnet.

Ein mathematisches Objekt O zu einer Observablen O ist nun eine Größe, die invariant unter Diffeomorphismen ist. Aus den beiden Ereignissen bzw. Raumzeitpunkten P = „der Raumzeitpunkt, an dem die Mondlandefähre zuerst die Mondoberfläche berührt hat“ und Q = „der Raumzeitpunkt, an dem die Mondlandefähre zuletzt die Mondoberfläche berührt hat“ lässt sich die Observable T = „die Eigenzeit, die auf der Mondlandefähre zwischen Landung und Start vergangen ist“ ableiten und dafür eine entsprechende mathematische Größe definieren. Eine simple Differenz von Koordinaten ist dagegen i.A. physikalisch bedeutungslos, denn Koordinaten sind i.A. reine Rechengrößen. Allerdings können Koordinatensysteme so konstruiert werden, dass sie den Ruhesystemen beliebig bewegter Beobachter entsprechen. In diesem speziellen Fall entspricht die Koordinatenzeit dann gerade der Eigenzeit.

Ein weiteres Beispiel wären Impuls oder Frequenz. Der Vierervektor p eines Teilchens entspricht keiner Observablen; die Projektion (u₁, p) des Vierervektors p auf die Vierergeschwindigkeit u₁ eines Beobachters B₁ entspricht der Observablen “dem Impuls des Teilchens, den der Beobachter B₁ in seinem Ruhesystem misst“. Für die Frequenz funktioniert das analog. Man beachte, dass der Überhang zu einem anderen Beobachter B₂ kein Diffeomorphismus ist sondern tatsächlich eine andere Observable mit anderem Messwert und einem anderen mathematischen Ausdruck (u₂, p) erzeugt. Ein Diffeomorphismus f : u → u‘, p → p‘ ändert dagegen nichts an den Beobachtern und Messwerten; es gilt f : (u₁, p) → (u’₁, p‘) = (u₁, p), wobei sich die mathematischen Objekte u, p ändern, nicht jedoch die Invariante (u₁, p).
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (10.01.19 um 21:26 Uhr)
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