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Alt 11.10.15, 10:13
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
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Der andere Thread kann auch verwirren.

Bevor wir das Zwillings-"Paradoxon" im Kontext eines expandierenden Universums diskutieren, solltest du die normale Argumentation verstanden haben. Ich habe dazu einen längeren Beitrag geschrieben, der die wesentlichen Punkte zusammenfasst:

http://www.physikerboard.de/topic,37...paradoxon.html

Wichtig ist folgendes: die beiden Reisenden bewegen sich entlang beliebiger Weltlinie durch eine vierdimensionale Raumzeit. Auf ihren mitgeführten Uhren beobachten bzw. messen Sie ihre Eigenzeiten, die sie am Ende der Reise beim Zusammentreffen vergleichen.

Diese Eigenzeiten haben i.A. nichts mit einer Koordinatenzeit zu tun. Evtl. hat euch euer Lehrer das anhand von Koordinatenzeiten und Lorentztransformationen zwischen beiden Bezugssystemen erklärt. Das ist m.E. eine didaktische Sackgasse, in die du genau jetzt hineinläuftst: für beschleunigte Bewegungen liegen keine Inertialsysteme vor, und demnach kann die Lorentztransformation nicht angewendet werden; in der ART mit einem nicht-statischen Universum funktioniert das sowieso nicht.

Man kann nun natürlich ein Koordinatensystem einführen, bzgl. dessen die Weltlinien der Zwillinge beschrieben werden; die Koordinaten sind dabei z.B. (t, x(t)). Dieses t fällt jedoch mit keiner Eigenzeit der Zwillinge zusammen. Und das x misst nicht unbedingt direkt einen räumlichen Anstand (gerade in der ART). In meinem oben verlinkten Beitrag versuche ich, diese verschiedenen Zeiten (Eigenzeiten tau, tau' sowie Koordinatenzeit t) außeinanderzuhalten.

Die Expansion des Universums wird ebenfalls in einem Koordinatensystem beschrieben! Und zwar mittels eines sogenannten Skalenfaktors a(t), der beschreibt, wie sich Abstände mit der Zeit t verändern. Dieses t ist eine spezielle Zeitkoordinate (andere sind natürlich möglich) und hat zunächst nichts mit einer der beiden Eigenzeiten zu tun. D.h. nach der Rückkehr der Zwillinge zu einem gemeinsamen Ziel liegen drei Zeiten vor: die Koordinatenzeit t sowie die beiden Eigenzeiten der Zwillinge. Alle drei sind i.A. verschieden.!

Normalerweise verwendet man zur Beschreibung der kosmischen Expansion ein sogenanntes mitbewegtes Koordinatensystem, d.h. man denkt sich einen Koordinatenursprung, der kräftefrei im expandierenden Universum "mitschwimmt" (die Lage dieses Ursprungs ist beliebig). Natürlich kann man sich nun einen Beobachter in diesem Koordinatenursprung vorstellen. Für diesen Beobachter würden dann die Koordinatenzeit t sowie seine Eigenzeit zusammenfallen. Dies wäre z.B. der erste Zwilling. Der zweite Zwilling bewegt sich beschleunigt und definiert somit sicher kein derartiges mitbewegtes Koordinatensystem. Entlang seiner Weltlinie vergeht eine andere Eigenzeit.

Eine letzte Anmerkung zur Koordinatenzeit, Expansion und Expansionsgeschwindigkeit: dies sind zunächst mathematische Begriffe, die nicht direkt mit messbaren Größen in Zusammenhang stehen. Betrachtet man jedoch messbare Größen, so ist sichergestellt, dass die beiden Zwilinge - wenn sie sich am selben Raumzeitpunkt aufhalten und die selbe Beobachtung anstellen - die selben Messergebnisse erhalten, oder diese mittels einer Lorentztransformation ineinander umrechnen können (wenn sie sich relativ zueinander bewegen).
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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