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Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

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  #161  
Alt 10.12.09, 21:41
RoKo RoKo ist offline
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Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Hallo zusammen,

angesichts des Beitrages #151 von Hermes erscheint es mir angebracht, darauf hinzuweisen, dass man auch bei der Interpretation von Physik nicht ohne Philosophie auskommt - ebenso wie die Philosophie mangels Zugang zur Wirklichkeit nicht ohne Physik auskommt.

Wenn Hermes schreibt:
Zitat:
alle Elemente einer physikalische Gleichung haben immer auch eine 'handfeste' physikalische Entsprechung
dann ist das eine philosophische Annahme (philosophischer [ontologischer] Realismus). Wenn man dann noch, aus welchen Gründen auch immer, die Bohmsche Mechanik nicht mag, dann landet man konsequenterweise bei "Viele Welten".

Das ist aber keine physikalische sondern eine philosophische Konsequenz.

Wenn man, wie Zippel, eine "Kritik des ontologischen Weltbildes" formuliert, dann kritisiert man bereits die philosophischen Voraussetzungen von "Vielen Welten". Logischerweise muss man dann die Konsequenzen kritisierter Voraussetzungen nicht noch zusätzlich kritisieren.

Im übrigen ist es physikalisch falsch zu behaupten, die Schrödingergleichung allein hätte etwas
Zitat:
(sehr, sehr erfolgreich bisher!)
beschrieben. Die Erfolge hatte sie immer nur in Verbindung mit der Bornregel.

Empirisch bestätigt ist lediglich, dass die Schrödingergleichung nicht "etwas", sondern die Wahrscheinlichkeit von "etwas" beschreibt. Die praktische Konsequenz von "Viele Welten" ist ja auch nur, dass lediglich vorhersagen kann, in welcher der "Vielen Welten" man sich anschließend mit welcher Wahrscheinlichkeit befinden wird.

Ich gehe philosophisch davon aus, dass
a) Die Welt sich in ständiger Entwicklung befindet,
b) Bewußtsein ein Ergebnis dieser Entwicklung und selbst wiederum ein Entwicklungsprozess ist,
c) Wir Menschen mittels unseres Bewußtseins die Gesetzmäßigkeiten und Regelmäßigkeiten der Entwicklungsprozesse erkennen können und
d) dass das Wahrheitskriterium für unsere Erkenntnis die Praxis ist.

"Viele Welten" interessiert mich deshalb ebensowenig wie Religion, soweit es Privatsache bleibt. Beides erregt aber mein Missfallen, wenn daraus ein sinnloser Glaubenskrieg resultiert oder wissenschaftliches Denken behindert wird.

Ganz anders verhält es sich da übrigens mit der Bohmschen Mechanik, wenn sie nicht ontologisch interpretiert. Die "Teilchenbahnen" werden dann zu "Isolinien der Wahrscheinlichkeit", deren physikalischer Status dem einer Isobaren oder einer Geodäten entspricht. Praxisrelevant sind sie allerdings auch nur für das Verständnis bestimmter Versuche; z.B. hintereinandergeschaltete Spinmessungen in verschiedenen Raumrichtungen. [@Uli: man muß sie deshalb nicht berechnen, wenn man anders leichter zum Ziel kommt.]

In der Philosophie gibt es die ernstzunehmende These der "Theorieunterdeterminiertheit" der Wirklichkeit. Das bedeutet, dass auf Basis gleicher empirischer Erkenntnis unterschiedliche Theorien möglich sind. Ich kann mich auch mit einem Theorienpluralismus anfreunden, sofern es nützlich und nicht schädlich ist.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover

Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion
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  #162  
Alt 10.12.09, 21:46
zara.t. zara.t. ist offline
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Beitr?ge: 117
Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Ich mache einen Unterschied zwischen wirklich und real, zwischen Wirklichkeit und Realität.
Die Quantenwelt als Potentialität bezeichne ich als wirklich, sie bewirkt etwas.
Die Welt der Phänomene bezeichne ich als real aber nicht wirklich. Phänomene haben keine Möglichkeiten mehr,(sorry, aber das muß ich noch genauer formulieren!) aber zwischen den Ritzen der phänomenalen Welt stecken noch Möglichkeiten. Potente Potentialitäten, die etwas bewirken können. Hinter den Phänomenen stecken Potentialitäten.
Die Quantenwelt erstreckt sich IMHO durchaus auf makroskopische Skalen.
Nichtphänomenale makroskopische Wirklichkeiten können durchaus als Überlagerung von Möglichkeiten vorliegen und somit auch in Form von Verschränkungen. Hier wird mir die gesamte scientific community heftig widersprechen. Mit guten Argumenten, aber sie wird mich in keinem einzigen Experiment widerlegen können. Die nichtphänomenale Pizza im phänomenalen Pizzaofen liegt IMHO in einer Überlagerung von mehr oder weniger schmackhaften Möglichkeiten vor. Natürlich dekohäriert sie- aber das kann die Möglichkeiten nicht zerstören. Wenn allerdings ein brenzliger Geruch Phänomen wird, reduzieren sich die Möglichkeiten drastisch.
Phänomene ereignen sich. Es weltet.
Phänomene ereignen sich, wenn Potentialität zu Faktizität wird, also JETZT.

Grüße
zara.t.

Ge?ndert von zara.t. (10.12.09 um 22:02 Uhr)
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  #163  
Alt 10.12.09, 22:06
RoKo RoKo ist offline
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Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Hallo zara.t

Zitat:
aber sie wird mich in keinem einzigen Experiment widerlegen können.
Wenn ich z.B. glaube, jedes Elektron ist blau angestrichen und jedes Proton trägt gelbe Handschuhe, dann kann mich auch kein Experiment widerlegen. Spekulative Philosophie kann einem persönlich Spass bereiten; Nutzen bringt sie nicht. Sie kann aber andere nerven.
__________________
mit freundlichem Gruß aus Hannover

Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion
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  #164  
Alt 10.12.09, 22:12
zara.t. zara.t. ist offline
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Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Ich werde noch Experimente vorschlagen, mit denen sich meine Sicht der Dinge falsifizieren ließe.

zara.t.
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  #165  
Alt 10.12.09, 22:44
Benutzerbild von richy
richy richy ist offline
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Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Zitat:
Wenn ich z.B. glaube, jedes Elektron ist blau angestrichen und jedes Proton trägt gelbe Handschuhe, dann kann mich auch kein Experiment widerlegen.
Natuerlich kann man das widerlegen. Ob die Hawkingstrahlung existiert kann man derzeit experimentell nicht widerlegen oder ob schwarze Loecher Haare haben.
Und die Bohmsche Mechanik ist im Grunde auch nur eine VWI Variante.
Die Trakejtorien sehen schon bischen seltsam aus. Ansonsten wuerde mir die Interpretation noch besser gefallen.
Nicht aus philosophischen Gruenden, sondern grad so.
Bisher kann man wohl nicht alles haben. Und wenn niemand neue Ideen dazu hat, weil es angeblich keinen Nutzen hat, wird es wohl auch so bleiben. Zelinger, Zeh, Deutsch stoert solch eine Einstellung gluecklicherweise nicht.
Zitat:
a) Die Welt sich in ständiger Entwicklung befindet,
Bis auf ein paar Interpretationen der Physik :-)

Ge?ndert von richy (10.12.09 um 23:56 Uhr)
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  #166  
Alt 10.12.09, 22:46
RoKo RoKo ist offline
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Beitr?ge: 996
Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Zitat:
Die ganz große Frage ist: Wie werden aus Möglichkeiten Faktizitäten?
Physikalisch ist das eine offene Frage - bekannt als Messproblem. Alle Antworten darauf sind bisher philosophischer Natur.

Zitat:
Ein Geist bleibt immer. Der Zufall.
Und das ist auch gut so. Die unbewusste Natur wählt zufällig aus den vorhandenen Möglichkeiten. Bewusstes Handeln bedeutet, die möglichen Folgen dieses Handelns vorab abzuschätzen.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover

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  #167  
Alt 10.12.09, 23:12
Benutzerbild von richy
richy richy ist offline
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Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Zitat:
Alle Antworten darauf sind bisher philosophischer Natur.
Nicht bisher sondern ohne neue Erkentnisse oder Experimente. Zeilinger wird sich einiges dazu ausgedacht haben.
Finde ich spannend.
Deine Ansichten a-d vertrete ich ebenso.
Zitat:
d) dass das Wahrheitskriterium für unsere Erkenntnis die Praxis ist.
Etwas praktisch anzuwenden macht vor allem auch Spass. Ich meine dazu kann man auch ruhig mal vorausetzen :
Was waere wenn ?
So abwegig sind doch zaras Annahmen nicht.

@zara
Zitat:
Ich mache einen Unterschied zwischen wirklich und real, zwischen Wirklichkeit und Realität.
Wenns komplementaer sein soll waere real, nichtreal=irreal geeigneter.
Zitat:
Die Quantenwelt als Potentialität bezeichne ich als wirklich, sie bewirkt etwas.
Waere hier wirkend nicht das bessere Wort ? hmm oder kommt wirklichkeit von wirkend ?
Zitat:
Phänomene haben keine Möglichkeiten mehr,(sorry, aber das muß ich noch genauer formulieren!)
Die Mandelbrotmenge ist determiniert. Aber enthaelt fast unendlich viele Moeglichkeiten.
Und letztendlich wirkt Energie und Gravitation. Keine Energie, keine Sonne keine Moeglichkeiten.
Keine Gravitation keine Sonne.
Kein Geld keine Moeglichkeiten ausser den physikalischen.
Zitat:
aber zwischen den Ritzen der phänomenalen Welt stecken noch Möglichkeiten.
echter Zufall, freier Wille
Zitat:
Die Quantenwelt erstreckt sich IMHO durchaus auf makroskopische Skalen.
Ja, das Knacken des Geigerzahelers. Wo faerbt sicher der Detektorschirm konkret.
Zitat:
Die nichtphänomenale Pizza im phänomenalen Pizzaofen liegt IMHO in einer Überlagerung von mehr oder weniger schmackhaften Möglichkeiten vor. Natürlich dekohäriert sie- aber das kann die Möglichkeiten nicht zerstören. Wenn allerdings ein brenzliger Geruch Phänomen wird, reduzieren sich die Möglichkeiten drastisch.
Das zeigt einen Zusammenhang zwischen Zeit und Moeglichkeit. Moeglichkeiten waeren demnach zeitartig, nicht raumartig.
Du entscheidest wann du die Pizza aus dem Ofen holst.

Ge?ndert von richy (11.12.09 um 00:12 Uhr)
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  #168  
Alt 11.12.09, 08:50
möbius möbius ist offline
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Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Zitat:
Zitat von richy Beitrag anzeigen
1) Physikalische Modellbildung ist ein Analogon
Ueber weitaus verschiedenere Modelle als aehnliche Dimensionen. Falls der mathematische Formalismus der Analogien gleich ist, gibt es keine Einschraenkungen.
Und wer zu Dimensionen nicht einmal ueber einfache Analogien einen Zugang hat, wie sie auch die Flaechenmenschen darstellen, der muss sich mit seinem Schicksal leider abfinden.
2) Die Frage ist naiv, weil die Antwort einfach ist, wenn man ueber genug Vorstellungskraft verfuegt.
Jetzt darfst du fragen Was ist einfach ? Oder was ist eine Frage und eine Antwort ?
3) Die Kontinuitaetsgleichung beanwortet deine Frage.

Die Integrale Form (Integralsatz von Gauss) veranschaulicht dies recht schoen.
Wobei wegen E=m*c^2 die Energie mit einbezogen werden muss.
Und wenn man es noch genauer nimmt, dann gilt der Integralsatz von Gauss wahrscheinlich nicht fuer eine Huellenflaeche, die man gedanklich in einen Ausschnitt einer Wahrscheinlickeitswelle legt oder beim Tunneleffekt.
Na, Hauptsache - Du kannst alles über/durch Gleichungssysteme lösen ...
Gruß, möbius
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  #169  
Alt 11.12.09, 08:59
Benutzerbild von Bauhof
Bauhof Bauhof ist offline
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Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Zitat:
Zitat von zara.t. Beitrag anzeigen
Ich werde noch Experimente vorschlagen, mit denen sich meine Sicht der Dinge falsifizieren ließe. zara.t.
Hallo zara.t.,

ich hoffe, dass das nicht nur ein Spaß war. Denn solche Experimente sind selten, welche die Sicht der Dinge des Vorschlagenden nicht nur bestätigen, sondern auch widerlegen können. Ich bin gespannt.

M.f.G. Eugen Bauhof
__________________
Ach der Einstein, der schwänzte immer die Vorlesungen –
ihm hatte ich das gar nicht zugetraut!

Hermann Minkowski
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  #170  
Alt 11.12.09, 09:04
möbius möbius ist offline
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Standard AW: Kritik des ontologischen Weltbildes

Zitat:
Zitat von richy Beitrag anzeigen
Hi moebius

Ich habe geschrieben :
1. Du bringst das etwas durcheinander, koennte man dennoch akzeptieren, 2. aber meine Aussage ist genauer.
3. So ist es gemeint.
4. Dabei habe ich bewusst den Ausdruck "verschmiert" hinzugefuegt, denn wir sind ja in einem Quantenforum. Und er passt auch ansonsten recht gut. Man kann es auch physiologischer formulieren :
5. Wie lange dauert "das Bewusstsen", "die Gegenwart", "das Jetzt", "die Realitaet" ?
6. Jetzt wuerde ich auch eine Gegenfrage stellen : Fuer wen, was, also welches Bewusstsein ? (Das impilziert auch : Es gibt mehrere Ebenen davon)
7. Oder : Dafuer gibt es keine rein quantitative sondern nur eine qualitative Berwertung,
8. die man aber quantitativ ueber Experimente ausdruecken kann.
....
9. Wieviele "Bewusstseins" hat somit die Unschaerfe plus VWI zur Folge ?
10. Da waere die Gegenfrage : Na welche der vielen Ebenen meinen sie denn jetzt ?
11. Und die Antwort ist recht einfach. Schwere, dicke, dekohaerentere Leute haben ein eindeutigeres Bewusstsein :-).
12. Nee es ist ein Bewusstsein, dass ab und zu Entscheidungen trifft.
(Kommt Napoleon dazu sind es zwei :-)
....
13. Und die VWI von Everett ist fuer mich etwas unbefriedigend, weil sie keine Metrik enthaelt.
Gruesse
Hallo richy!
Zu 1.:
Ich bin ja auch ein klein wenig ver-rückt...
Zu 2.:
Du bist ja auch ein Physiker...
Zu 3.:
Okay!
Zu 4.:
Welches Verhältnis besteht denn zwischen Quantentheorie und Physiologie ...
Zu 5.:
Kann das immer neue JETZT überhaupt mit Hilfe eines Chronometers (Uhr) gemessen werden...
Zu 6.:
Was meinst Du mit "mehreren Ebenen"...?
Zu 7.:
Wäre damit nicht das Ende der physikalischen Betrachtungsweise erreicht ...?
Zu 8.:
Ja ja, der Physiker kann's halt nicht lassen ...
Zu 9.:

Zu 10.:
Keine Ahnung, wer da was meint ...???
Zu 11.:
Was ist denn das schon wieder: ein "eindeutigeres Bewusstsein" ???
Zu 12.:
Könnte es sein, dass Du an dieser Stelle das "transzendentale Bewusstsein"/Subjekt (I. KANT) mit mehr oder weniger vielen empirischen Einzel-Subjekten verwechselst ...???
Zu 13.:
Und wenn sie eine Metrik enthielte, wäre sie für mich immer noch unbefriedigend, solange es keine empirisch-experimentellen Zugänge zu den "Vielen Welten" gäbe ...
Grüsse, möbius
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