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Quantenmechanik, Relativitätstheorie und der ganze Rest. Wenn Sie Themen diskutieren wollen, die mehr als Schulkenntnisse voraussetzen, sind Sie hier richtig. Keine Angst, ein Physikstudium ist nicht Voraussetzung, aber man sollte sich schon eingehender mit Physik beschäftigt haben.

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  #1  
Alt 04.11.16, 14:21
inside inside ist offline
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Registriert seit: 25.05.2007
Beitr?ge: 303
Standard Übermittler der Gravitation: Gravitonen aber wie ?

Hallo zusammen.

Ich schnappte auf Youtube eine interessante Frage auf.

Ausgangslage ist die Hypothese, dass auch Gravitation durch Bosonen übertragen wird, in diesem Fall die Gravitonen.

Da die Wirkung der Gravitation sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen soll, sollten also auch die Gravitonen nicht schneller als Licht unterwegs sein.

Die Frag dazu war eine Art Fangfrage:

Wenn sich Gravitonen auch nur mit maximal c fortbewegen, wieso übt dann ein schwarzes Loch überhaupt Gravitation auf die Umgebung aus ?

... ich muss gestehen, die Logik dahinter finde ich stichhaltig.

Diese Gravitonen sollten dem schwarzen Loch dann auch nicht entkommen können.

AUSSER, schwarze Löcher sind um ein vielfaches schwerer, als wir kalkulieren, weil nur die Gravitonen entkommen können, die gerade mal so am Ereignishorizont vorhanden sind.

Hat jemand sich darüber schon mal Gedanken gemacht ?
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  #2  
Alt 04.11.16, 18:08
Hawkwind Hawkwind ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 22.07.2010
Ort: Rabenstein, Niederösterreich
Beitr?ge: 3.057
Standard

Wir haben ja noch keine Quantentheorie der Gravitation und es ist unklar, ob sie denn Gravitonen enthalten wird. Aber es könnte ja sein, dass es gewisse Ähnlichkeiten zur Quantenelektrodynamik geben wird, es also auch Bosonen gibt, welche die Wechselwirkung vermitteln - insofern schon eine berechtigte Frage.

Es ist nun auch so, dass elektrisch geladene schwarze Löcher von elektrostatischen Feldern umgeben sind. Photonen "entkommen" also auch, vorausgesetzt sie sind virtuell. Die Eigenschaften virtueller Teilchen sind eben weit phantastischer als die der gewöhnlichen reellen Teilchen. So wird es auch für hypothetische virtuelle Gravitonen sein. Im besonderen können virtuelle Teilchen auch "raumartig" sein, d.h. Raumzeitpunkte miteinander "verbinden", die lichtschnelle Teilchen nicht schaffen. Und das, ohne die Kausalität zu verletzen. Um das wirklich einigermaßen zu begreifen, muss man sich mit relativistischen Quantenfeldtheorien auskennen. Das ist ein sehr fortgeschrittenes Thema und ich hab da leider nur ein bisschen Wischiwaschi-Wissen. TomS könnte da mit Sicherheit mehr zu sagen.
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  #3  
Alt 05.11.16, 00:16
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Übermittler der Gravitation: Gravitonen aber wie ?

Die Frage ist im Rahmen der Quantengravitation schwer zu beantworten. Zum Einen ist die mathematische Formulierung noch unklar. Zum Anderen zeichnet sich jedoch ab, dass Gravitonen bei der Formulierung der Theorie eine untergeordnete Rolle spielen, insbs. da diese nicht die Geometrie der Raumzeit ändern; das Gravitationsfeld eines Sterns oder schwarzen Lochs ist jedoch eine Raumzeit mit starker Krümmung, die nicht durch den Austausch kleiner Störungen = Gravitatonen beschrieben werden kann; letztere stellen evtl. Quantenkorrekturen dar, liefern jedoch nicht den wesentlichen Beitrag.

Im Rahmen der Quantenelektromechanik stellt sich jedoch eine ähnliche Frage. Hier ist die Antwort sehr einfach: man kann die Theorie mathematisch exakt so formulieren, dass sie sowohl dynamische Photonfelder als auch ein statisches 1/r Potential enthält. Die Photonen sind dann lediglich kleine Störungen, die zu diesem Coulombpotential hinzukommen. In der QED verwendet man diese Formulierung u.a. bei der Berechnung der Lamb-Shift. In der QCD sind die Gleichungen deutlich komplexer, auch hier verwendet man jedoch eine ähnliche Formulierung, um z.B. die Bindung von Quarks in Hadronen zu beschreiben.

Die Frage resultiert m.E. aus dem Denkfehler, diese Austauschteilchen wären alleine für die jeweilige Wechselwirkung verantwortlich, und sie würden sich auf der Raumzeit ausbreiten. Ersteres ist nicht richtig, das wissen wir aus der QED und der QCD. Letzteres ist nach der Meinung vieler Physiker ebenfalls falsch; es handelt sich hier um das Problem der sogenannten Hintergrundabhängigkeit. Die Quantengravitation muss jedoch hintergrundunabhängig formuliert werden, und damit verschwinden diese Fragestellungen; es handelt sich um ein Scheinproblem, das einer falschen Idee entspringt.
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (05.11.16 um 08:13 Uhr)
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  #4  
Alt 05.11.16, 10:22
Timm Timm ist offline
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Standard AW: Übermittler der Gravitation: Gravitonen aber wie ?

Zitat:
Zitat von inside Beitrag anzeigen
Wenn sich Gravitonen auch nur mit maximal c fortbewegen, wieso übt dann ein schwarzes Loch überhaupt Gravitation auf die Umgebung aus ?
Ob es nun Gravitonen gibt oder nicht, das Gravitationsfeld eines Schwarzen Loches kann man sich als fossiles Feld vorstellen. Es existierte ja während des Gravitationskollapses bereits vor der Ausbildung des Ereignishorizonts und blieb dann erhalten.
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Der Verstand schafft die Wahrheit nicht, sondern er findet sie vor - Aurelius Augustinus
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  #5  
Alt 05.11.16, 14:16
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Marco Polo Marco Polo ist offline
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Standard AW: Übermittler der Gravitation: Gravitonen aber wie ?

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Ob es nun Gravitonen gibt oder nicht, das Gravitationsfeld eines Schwarzen Loches kann man sich als fossiles Feld vorstellen. Es existierte ja während des Gravitationskollapses bereits vor der Ausbildung des Ereignishorizonts und blieb dann erhalten.
Genau. Das äussere Gravitationsfeld eines SL´s wird ja nicht vom SL gespeist. Das Gravitationsfeld muss also nicht durch Gravitonen aufrecht erhalten werden. Das Feld wird auch ohne Gravitonen nicht relaxieren.

Gravitonen kommen nach meinem Verständnis erst bei Änderungen im Gravitationsfeld ins Spiel. Und diese Änderungen kommen bei einem SL immer von aussen. Z.B. durch einfallende Materie.
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  #6  
Alt 05.11.16, 15:30
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
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Standard AW: Übermittler der Gravitation: Gravitonen aber wie ?

Zitat:
Zitat von Marco Polo Beitrag anzeigen
Das äussere Gravitationsfeld eines SL´s wird ja nicht vom SL gespeist. Das Gravitationsfeld muss also nicht durch Gravitonen aufrecht erhalten werden. Das Feld wird auch ohne Gravitonen nicht relaxieren.

Gravitonen kommen nach meinem Verständnis erst bei Änderungen im Gravitationsfeld ins Spiel. Und diese Änderungen kommen bei einem SL immer von aussen. Z.B. durch einfallende Materie.
Ja, so ist das.

Das meinte ich oben mit

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Die Frage resultiert m.E. aus dem Denkfehler, diese Austauschteilchen wären alleine für die jeweilige Wechselwirkung verantwortlich, und sie würden sich auf der Raumzeit ausbreiten.
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  #7  
Alt 07.11.16, 13:09
inside inside ist offline
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Standard AW: Übermittler der Gravitation: Gravitonen aber wie ?

Danke an alle für die Klarstellung. Also, es ist demnach so.

1) Hypothetische Gravitonen sind nicht (alleine) für die Gravitationswirkung verantwortlich.

2) Bei Änderungen der Intensität eines gravitativen Feldes kommen Gravitonen ins Spiel.

3) Gravitonen sind nicht AUF der Raumzeit unterwegs ( habe ich auch nicht sagen wollen ), sondern WAS dann ?

4) Quantentheoretisch wollte ich das mal gar nicht betrachten, sondern rein inuitiv.

Dort sollte ich einen Denkfehler haben.
Zurück zu 3, und mit der Annahme "Nein, ich meinte es nicht, dass Gravitonen sich AUF der Raumzeit bewegen", kann jemand den Denkfehler näher beschreiben ???

Danke so weit.
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  #8  
Alt 07.11.16, 21:24
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TomS TomS ist offline
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Standard AW: Übermittler der Gravitation: Gravitonen aber wie ?

Photonen und Gluonen bewegen sich auf der Raumzeit und ändern diese lediglich indirekt durch Rückwirkung über ihre Energie auf die Raumzeit.

Das Gravitationsfeld ist zunächst mal selbst die Raumzeit, d.h. es gibt keinen Unterschied zwischen Gravitationsfeld und Raumzeit. Wenn man das Gravitationsfeld nun in einen irgendwie gearteten bekannten Anteil (z.B. Schwarzschildlösung für einen Stern oder ein schwarzes Loch) plus kleine Fluktuationen, die man im Zuge der Quantisierung Gravitonen nennt, aufteilt, dann begeht man bzgl. des Gravitationsfeldes einen Denkfehler; diese Aufteilung ist lediglich ein mathematischer Trick, der in der QED gut funktioniert, bereits in der QCD in bestimmten Regimen nicht, und in der QG letztlich gar nicht. Wann immer man ein Versagen dieses vereinfachten Bildes erkennt, sollte man es eben verwerfen und durch eine andere Methode ersetzen.

Die theoretischen Physiker haben auch Jahrzehnte gebraucht, um den prinzipiellen Fehler zu erkennen; einige haben das bis heute nicht geschafft, und die irrige Meinung hält sich auch in vielen vereinfachten Darstellungen. Du bist also keineswegs alleine.
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  #9  
Alt 08.11.16, 09:17
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Standard AW: Übermittler der Gravitation: Gravitonen aber wie ?

Danke nochmal. Das ist echt ausführend und verständlich. Lass uns nun dazu weiter machen.

Was versagt bei dem Schritt von funktionierender Quantenelektrodynamik hin zu Quantenchromodynamik ?
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  #10  
Alt 08.11.16, 21:14
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TomS TomS ist offline
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Standard AW: Übermittler der Gravitation: Gravitonen aber wie ?

Im Rahmen der Quantenchromodynamik existiert das Hochenergie-Regime, in dem die Theorie asymptotisch frei ist; hier ist die Näherung freier, über perturbativen Gluonen-Austausch schwach wechselwirkender Quarks gut anwendbar.

Daneben existiert das Niederenergie-Regime mit typischen Massenskalen von einigen GeV für Baryonen (Proton, Neutron, ...) und deren Resonanzen (Delta, ...) über einige 100 MeV für Mesonen und Niederenergie-Streuprozesse (Pion-Nukleon-Streuung) bis hinunter zum Quark-Konsensat der chiralen Symmetriebrechung u.a. Vakuumeffekten. Hier ist die o.g. Näherung nicht anwendbar und man benötigt völlig andere mathematische Methoden.
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