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Quantenmechanik, Relativitätstheorie und der ganze Rest. Wenn Sie Themen diskutieren wollen, die mehr als Schulkenntnisse voraussetzen, sind Sie hier richtig. Keine Angst, ein Physikstudium ist nicht Voraussetzung, aber man sollte sich schon eingehender mit Physik beschäftigt haben.

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  #31  
Alt 24.03.12, 11:26
Timm Timm ist offline
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Registriert seit: 26.03.2009
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Hallo Eugen,

Zitat:
Zitat von Bauhof Beitrag anzeigen
mir ist immer noch nicht klar, was du mit "kinematischer Komponente" meinst. Dazu habe bislang noch nie etwas (in deutschsprachigen Büchern) gelesen. Mit der "kinematischen Komponente" kann doch nur die Summe der gravitativen Rotverschiebungen plus Pekulariarbewegungen der Galaxien gemeint sein.

Und die Summe dieser beiden Komponenten ist vernachlässigbar klein gegenüber dem "Hubble-Fluss", der allein auf der Dehnung des Raumes beruht und nicht auf kinematische Komponenten. So entnehme ich es jedenfalls seit 30 Jahren aus meinen Büchern.

Ist ein 'Paradigmenwechsel' zu erwarten?
Als Pararadigmenwechsel würde ich es nicht bezeichnen, denn die Vorstellung vom expandierenden Raum, wobei die Galaxien im Raum ruhen, ist ja nicht falsch. Offensichtlich gibt es aber eine alternative Betrachtungsweise, bei der sich die Galaxien durch den Raum bewegen. Das ist mit "kinematisch" gemeint. Und ja, dieses kinematische Modell ist in der populärwissenschaftlichen Literatur nahezu unbekannt. Ich kenne hierzu deutschsprachig nur diesen besagten Artikel der Kosmologin Davis:
Zitat:
Tamara Davis in Spektrum 11/2010:
Der leere Raum hat keine physikalische Realität. Wenn Galaxien sich voneinander entfernen, steht es uns darum frei, diese Relativbewegung wahlweise als "Expansion des Raums" oder als "Bewegung durch den Raum" zu betrachten.
Wenn die Bewegung durch den Raum alles wäre, dann könnte man die kosmologische Rotverschiebung mit dem relativistischen Dopplereffekt beschreiben, also 1 + z = [(1+v/c)/(1-v/c)]^1/2, wie das für lokale Pekuliarbewegungen zutrifft.
Auf gößeren Skalen muß man die Massendichte berücksichtigen, was Peacock unter Anwendung des Birkhoff Theorems gemacht hat. Demnach setzt sich die Rotverschiebung weit entfernter Galaxien aus einem Bewegungs- und einem Gravitationsterm (1 + ΔΦ/c²) zusammen, sodaß

1 + z = [(1+v/c)/(1-v/c)]^1/2*(1 + ΔΦ/c²) ist.

Dabei ist ΔΦ die Differenz des Gravitationspotentials zwischen Beobachter und Galaxie (s. Birkhoff's Theorem).
Der erste Term ist die "kinematische Komponente". Sie bleibt als einzige übrig, wenn die Massendichte Null und die Raumzeit damit flach wird.

Nun beruht aber Birkhoff's Theorem auf einer Newton'schen Analyse. Peacock's Formel zeigt, daß es prinzipiell diese beiden Komponenten der Rotverschiebung gibt. Kommt auf kosmologischen Skalen die Art hinzu, wird es erheblich komlizierter, worauf schon 'Ich' hingewiesen hat, der sich ziemlich eingehend mit diesen Fragen beschäftigt hat. Daß es aber auch dann diese beiden Komponenten der Kosmologischen Rotverschiebung gibt, ist ziemlich sicher. Weshalb sollte sich das ändern, wenn Newton durch die ART ersetzt wird?

Es geht also letztlich um die Wahl der Koordinaten. Wählt man mitbewegte Koordinaten, dann expandiert der Raum. Im kinematischen Modell ist das nicht der Fall, eine Definition der Koordinaten (die wohl quasi starr sind), scheint bisher aber nicht möglich zu sein.

Gruß, Timm
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  #32  
Alt 24.03.12, 11:52
Benutzerbild von Marco Polo
Marco Polo Marco Polo ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Hallo Timm,

wobei aber anzumerken ist, dass sich nur im Modell des expandierenden Raumes, Galaxien theoretisch mit Überlichtgeschwindigkeit von uns entfernen können.

Gruss, Marco Polo
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  #33  
Alt 24.03.12, 12:17
Benutzerbild von JoAx
JoAx JoAx ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von Marco Polo Beitrag anzeigen
wobei aber anzumerken ist, dass sich nur im Modell des expandierenden Raumes, Galaxien theoretisch mit Überlichtgeschwindigkeit von uns entfernen können.
Und vermutlich nur dort die "ÜLG" der Galaxien überhaupt vorkommt.


Gruß und schönen Samstag allen!
Johann
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  #34  
Alt 24.03.12, 12:24
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EMI EMI ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
...wenn die Massendichte Null und die Raumzeit damit flach wird.
Hallo Timm,

flach ist die Raumzeit bei der sogenannten kritischen Dichte.

Gruß EMI
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Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen, und nicht mehr davon geistig erfasst haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst.
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  #35  
Alt 24.03.12, 12:49
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EMI EMI ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von JoAx Beitrag anzeigen
Und vermutlich nur dort die "ÜLG" der Galaxien überhaupt vorkommt.
Stichwort: optischer Horizont JoAx.

Gruß und ein sonniges Wochenende

EMI
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Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen, und nicht mehr davon geistig erfasst haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst.
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  #36  
Alt 24.03.12, 13:01
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Bauhof Bauhof ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Es geht also letztlich um die Wahl der Koordinaten. Wählt man mitbewegte Koordinaten, dann expandiert der Raum. Im kinematischen Modell ist das nicht der Fall, eine Definition der Koordinaten (die wohl quasi starr sind), scheint bisher aber nicht möglich zu sein.
Hallo Timm,

aus der Literatur kenne ich die kinematische Kosmologie von Edward Milne. Der Milne-Kosmos ist eine Folge von Räumen negativer Krümmung und expandiert linear in der kosmologischen Zeit. (R = c•t). Der Urknall des Milne-Kosmos beginnt nicht überall im Raum, sondern startet nur in einem Punkt.

Ist der Milne-Kosmos das Modell, das du beschreibst? Wenn nicht, durch was unterscheidet sich dein Modell vom Milne-Kosmos?

M.f.G. Eugen Bauhof
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Ach der Einstein, der schwänzte immer die Vorlesungen –
ihm hatte ich das gar nicht zugetraut!

Hermann Minkowski
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  #37  
Alt 24.03.12, 13:26
Timm Timm ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von Marco Polo Beitrag anzeigen
wobei aber anzumerken ist, dass sich nur im Modell des expandierenden Raumes, Galaxien theoretisch mit Überlichtgeschwindigkeit von uns entfernen können.
Zitat:
Zitat von JoAx Beitrag anzeigen
Und vermutlich nur dort die "ÜLG" der Galaxien überhaupt vorkommt.
Genau, diese Überlichtgeschwindigkeiten sind ein ein Artefakt der mitbewegten Koordinaten dieses Modells.

Gruß, Timm
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  #38  
Alt 24.03.12, 13:32
Timm Timm ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Hallo EMI,

Zitat:
Zitat von EMI Beitrag anzeigen
flach ist die Raumzeit bei der sogenannten kritischen Dichte.
Ja, und dazu gibt es Kommentare einiger Kosmologen hinsichtlich unseres Themas. Die habe ich nicht präsent, müßte nachschauen.
Aber die Minkowski Raumzeit der Energiedichte Null, um die es hier ging, ist auch flach.

Gruß, Timm
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  #39  
Alt 24.03.12, 14:16
Timm Timm ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von Bauhof Beitrag anzeigen
aus der Literatur kenne ich die kinematische Kosmologie von Edward Milne. Der Milne-Kosmos ist eine Folge von Räumen negativer Krümmung und expandiert linear in der kosmologischen Zeit. (R = c•t). Der Urknall des Milne-Kosmos beginnt nicht überall im Raum, sondern startet nur in einem Punkt.
Wo hast Du das her, Eugen? Ich kenne es so und könnte das auch belegen, daß das Milne Modell ein SRT Modell ist, also flache Minkowski Raumzeit. Es hat damals großes Aufsehen erregt, daß dieses Explosionsszenario dem kosmologischen Prinzip genügt, jeder Beobachter sieht das gleiche. Wie beim Raumdehnungsmodell beginnt auch bei Milne der Urknall nicht aus einem Punkt, sondern aus einer beliebig kleinen Region.

Zitat:
Zitat von Bauhof Beitrag anzeigen
Ist der Milne-Kosmos das Modell, das du beschreibst? Wenn nicht, durch was unterscheidet sich dein Modell vom Milne-Kosmos?
Das Milne Modell (kinematisches Modell) ist lehrreich, weil es durch eine Koordinaten Transformation in ein FRW Modell (expandierendes Modell) der Energiedichte Null transformiert werden kann. Diese Modelle sind insofern äquivalent.
Eugen, ich spreche nicht von "meinem Modell", sondern versuche die Arbeiten einiger Kosmologen nachzuvollziehen. Einen großen input hat auch 'Ich' gegeben.
Das kinematische Modell unseres Universums und das Milne Modell haben die Bewegung durch den Raum gemeinsam, wobei es im Milne Modell masselose Testpartikel sind. Im Unterschied zu Milne muß eben beim kinematische Modell unseres Universums die Massendichte berücksichtigt werden, die - und das macht es nicht leichter - mit dem Entwicklungsstadium des Universums korreliert.

Gruß, Timm
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  #40  
Alt 24.03.12, 16:22
Benutzerbild von Bauhof
Bauhof Bauhof ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Wo hast Du das her, Eugen? Ich kenne es so und könnte das auch belegen, daß das Milne Modell ein SRT Modell ist, also flache Minkowski Raumzeit. Es hat damals großes Aufsehen erregt, daß dieses Explosionsszenario dem kosmologischen Prinzip genügt, jeder Beobachter sieht das gleiche. Wie beim Raumdehnungsmodell beginnt auch bei Milne der Urknall nicht aus einem Punkt, sondern aus einer beliebig kleinen Region.
Hallo Timm,

ich habe das aus dem Buch [1] von Dierck-Ekkehard Liebscher. Hier die beiden Quellen auf den Seiten 106 und 214. Liebscher schreibt auf Seite 106:
Zitat:
Im Grenzfall verschwindender Massendichte sind nicht nur die Raumschnitte, sondern die Welt selbst homogen. Diese Kosmen heißen nach Willem deSitter. Wir wollen Sie jetzt untersuchen. Zunächst orientieren wir uns an dem Fall expandierender Pseudokugeln. Wie im Fall positiver Krümmung, wo die Welt als zeitliche Folge immer größer (nach Fläche und Krümmungsradius) werdender Kugeln darzustellen ist, ist die Welt nun eine Folge immer größer (nach Krümmungsradius) werdender Pseudokugeln.

Der Krümmungsradius ist identisch mit der verstrichenen Zeit. Im Grunde haben wir die pseudoeuklidische Welt vor uns, in der wir nur neue Koordinaten gewählt haben. Die kosmologische Zeit ist auf einer Zeitschale fest, und auf der Zeitschale wählen wir Koordinaten, die sich mit der Expansion nicht verändern, etwa Polarkoordinaten.

Wir nennen die Funktion a[t], die hier einfach a[t] = c•tau ist, den Expansions-Parameter.

Der spezielle Kosmos, den wir jetzt konstruiert haben, heißt Milne-Kosmos. Er ist eine Folge von Räumen negativer Krümmung und expandiert linear in der kosmologischen Zeit. Lokal unterscheidet ihn geometrisch nichts von der Minkowski-Welt, die ihrerseits eine Folge ungekrümmter und nicht expandierender Räume ist. Global existiert schon ein Unterschied: der Milne-Kosmos ist nur ein Teil der Minkowski-Welt, die einen Rand (den Kegelmantel und eine Singularität (die Spitze) hat.
Liebscher schreibt weiter auf Seite 214:
Zitat:
Die Minkowski-Welt zeigt einen Raum der Krümmung Null ohne Expansion. Der Milne-Kosmos ist ein Raum negativer Krümmung in linearer Expansion. Er entsteht aus der Minkowski-Welt durch eine andere Wahl und Interpretation der Koordinaten, hat aber dieselbe abstrakte Metrik.

Der deSitter-Kosmos ist die Oberfläche einer Pseudokugel. Je nach Koordinatenwahl kann er als ungekrümmter exponentiell expandierender Raum, als positiv gekrümmter kontrahierender Raum oder als negativ gekrümmter explodierender Raum angesehen werden. Bei einer anderen Wahl der zeitartigen Richtung entsteht der Anti-deSitter-Kosmos, eine Raum mit negativer Krümmung, der sich aufbläht und wieder in sich zusammenstürzt.
Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] Liebscher, Dierck-Ekkehard
Einsteins Relativitätstheorie und die Geometrien der Ebene.
Illustration zum Wechselspiel von Geometrie und Physik.

Leipzig 1999. ISBN=3-519-00278-7
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Ach der Einstein, der schwänzte immer die Vorlesungen –
ihm hatte ich das gar nicht zugetraut!

Hermann Minkowski
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