Quanten.de Diskussionsforum  

Zur?ck   Quanten.de Diskussionsforum > Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik

Hinweise

Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 28.11.22, 15:06
Bernhard Bernhard ist offline
Moderator
 
Registriert seit: 14.06.2017
Beitr?ge: 2.649
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Mit hoher Wahrscheinlichkeit das Collatz-Problem....
Beim Collatz-Problem geht es sicher um unendlich viele Zahlen die prinzipiell untersucht werden müssen. Beim Messproblem gibt es vermutlich unendlich viele Möglichkeiten eine Messung zu definieren. Beide Unendlichkeiten machen die Situation aufwändig.

BTW: In den letzten Jahren gab es scheinbar einige interessante und heiß diskutierte Messungen zum Thema Wigners Freund.
__________________
Freundliche Grüße, B.
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 29.11.22, 11:39
Jakito Jakito ist offline
Newbie
 
Registriert seit: 02.07.2021
Ort: München
Beitr?ge: 29
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Mit hoher Wahrscheinlichkeit das Collatz-Problem.

...

Im Gegensatz dazu werden sich die Physiker nie über die Lösung des Messproblems einig sein, selbst wenn eine solche vorliegen würde.

-- Ende der Ironie --
Weil aktuell recht viel öffentliches Geld in Quanten-Technologien fliesst, glaube ich, dass sich sowohl die Öffentlichkeit eine Klärung der offenen Kontroversen wünscht (auch um das Problem des Missbrauchs der Quanten-Unklarheiten durch Esoteriker und Scharlatane wieder besser in den Griff zu bekommen), als auch das dies als Begleiteffekt durchaus passieren könnte. Konkret glaube ich, dass "junge Forscher" wie Craig Gidney oder Itai Bar-Natan bei ihrer Beschäftigung mit dem Thema aus neuen Blickwinkeln konkrete Einsichten und generelle Betrachtungsweisen entwickeln, die zu echten inkrementellen Fortschritten führen werden, wenn ... (solche "jungen Forscher" sich irgendwann sicher genug fühlen, nachdem sie ihren "Wert" durch traditionellere Leistungen unter Beweis gestellt haben, um sich eben auch um eine angemessene Weitervermittlung ihrer Einsichten kümmern zu können ...)

Die unlösbaren Probleme der Mathematik hingegen liegen ein wenig tiefer. Die Riemann-Vermutung ist hier das Paradebeispiel. Es geht darum, dass die Primzahlen zufällig verteilt sind, bzw. genau solche Eigenschaften haben, als wären sie zufällig verteilt. Aber die Mathematik hat keine zuverlässigen Schlussweisen, um Zufall beweisen zu können, oder gar mit Zufall-basierten Argumenten sauber schliessen zu können. Solche typischen "letztes Wort" Argumente wie bei Cantor-artigen Diagonalisierungen sind im Kontext von Wahrscheinlichkeiten schlicht "ein Fehler". Diese Art "Fehler" hat viele Namen, nenne es Overfitting, p-Hacking, oder ... Und normale menschliche Intuition ist einfach unvorstellbar schlecht in Bezug auf subtile Effekte, die bei "leicht falsch" verwendeten Wahrscheinlichkeiten auftreten "können".
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 29.11.22, 14:33
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Eigentlich war meine Aussage eher spaßig zu verstehen;-)

Zitat:
Zitat von Jakito Beitrag anzeigen
… glaube ich, dass "junge Forscher" wie Craig Gidney oder Itai Bar-Natan bei ihrer Beschäftigung mit dem Thema aus neuen Blickwinkeln konkrete Einsichten und generelle Betrachtungsweisen entwickeln …
Ich habe jedoch keine Veröffentlichung der beiden gesehen, die sich mit dem Messproblem befasst.

Zitat:
Zitat von Jakito Beitrag anzeigen
Die unlösbaren Probleme der Mathematik hingegen liegen ein wenig tiefer …
… können jedoch präzise formuliert werden - so wie ein Beweis.

Das Messproblem ist eventuell auf ein rein mathematisches Problem zurückzuführen. Schlimmstenfalls bleibt es in Teilen metaphysisches Problem.
__________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 07.12.22, 10:38
Jakito Jakito ist offline
Newbie
 
Registriert seit: 02.07.2021
Ort: München
Beitr?ge: 29
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Zitat:
Zitat von Jakito Beitrag anzeigen
… glaube ich, dass "junge Forscher" wie Craig Gidney oder Itai Bar-Natan bei ihrer Beschäftigung mit dem Thema aus neuen Blickwinkeln konkrete Einsichten und generelle Betrachtungsweisen entwickeln …
Ich habe jedoch keine Veröffentlichung der beiden gesehen, die sich mit dem Messproblem befasst.
Ich habe gerade eine Antwort an Craig Gidney von mir gefunden, wo ich auch die beiden explizit als Beispiele für meine "öffentliches Geld in Quanten-Technologien fliesst, ... die zu echten inkrementellen Fortschritten führen werden, wenn ... " angeführt habe. Die expliziten Links in meiner Antwort sind:
https://algassert.com/post/1904
https://itaibn.wordpress.com/2021/05...-disjointness/
https://chat.stackexchange.com/trans...24513#41324513
Meine Antwort ist auch deshalb interessant, weil Peter Donis weiter unten explizit nachbohrt, und ich daraufhin meine Einschätzung ein wenig detailierter verteidige.

Ich frage mich, ob ich irgendwann meine Beispiele "wechseln" sollte. Jarek Duda habe ich auch schon als Beispiel verwendet. (Hmm ... Gerhard Zauner wäre auch ein schönes Beispiel, gerade weil es ein wenig beliebiger ist.) Aber mit mehr Beispielen verwässere ich halt irgendwann mein Argument, und mache es auch angreifbarer. Denn irgendwann wird halt auch einer dieser "jungen Forscher" in irgendweiner Form angreifbar sein. Es gibt ja schon Gründe, wieso die selbst eher vorsichtig sind.

Ge?ndert von Jakito (07.12.22 um 10:47 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 29.11.22, 19:45
photino photino ist offline
Newbie
 
Registriert seit: 29.11.2022
Beitr?ge: 9
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Mit hoher Wahrscheinlichkeit das Collatz-Problem.

[...]

Im Gegensatz dazu werden sich die Physiker nie über die Lösung des Messproblems einig sein, selbst wenn eine solche vorliegen würde.

-- Ende der Ironie --
Das Messproblem würde ich eher mit der Quadratur des Kreises vergleichen: als vergebliche Liebesmüh, letztlich sinnlos. Oder, um bei der Physik zu bleiben, mit der Suche nach mechanischen Äthermodellen Ende des 19. Jahrhunderts. Maxwells Elektrodynamik war experimentell zwar glänzend bestätigt, aber Jahrzehnte lang nicht wirklich verstanden, weil man den Konflikt mit der Newtonschen Mechanik nicht klar erkannt hatte. Ähnlich sollte die Quantenmechanik die klassische Mechanik als Grenzfall enthalten, aber wie genau klassische und Quantenphysik ineinander greifen ist bis heute nicht verstanden. Bohr beharrte darauf, dass die Quantentheorie mit den Begriffen der klassischen Physik formuliert werden muss. Für ihn war der menschliche Verstand an die klassischen Begriffe gefesselt, und geeignetere Begriffe zur Beschreibung der Prozesse im Mikrokosmos uns gar nicht zugänglich. Seitdem umgibt die Quantentheorie so etwas wie Transzendenz.

Das Hauptproblem, aus meiner Sicht, ist wohl der weit verbreitete Glaube an die Wellenfunktion (und die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung) als dem Dreh- und Angelpunkt der Quantentheorie. Die Schrödiger-Gleichung gaukelt eine kontinuierliche und deterministische Entwicklung vor, wo doch das Sprunghafte und Zufällige zum Markenkern der Quantenphysik gehören. Im Heisenberg-Bild spielt die Wellenfunktiongar keine Rolle, und es bringt den statistischen Charakter der Theorie besser zum Ausdruck.
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 29.11.22, 22:01
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Zitat:
Zitat von photino Beitrag anzeigen
Die Schrödiger-Gleichung gaukelt eine kontinuierliche und deterministische Entwicklung vor
Sie gaukelt nichts vor, die ist linear, kontinuierlich und deterministisch.

Zitat:
Zitat von photino Beitrag anzeigen
… wo doch das Sprunghafte und Zufällige zum Markenkern der Quantenphysik gehören.
Das ist das, was man überall hören oder lesen kann - außer in den Seminaren der theoretischen Physiker. Das Sprunghafte und Zufällige kommt in den normalen Anwendungen der Quantenmechanik ungefähr so oft vor wie der Schiedsrichterball beim Fußball. Keine Rede von Markenkern.

Zitat:
Zitat von photino Beitrag anzeigen
Im Heisenberg-Bild spielt die Wellenfunktiongar keine Rolle …
Das Heisenbergbild ist aber zum Schrödingerbild unitär vollständig äquivalent.

Zitat:
Zitat von photino Beitrag anzeigen
… und es bringt den statistischen Charakter der Theorie besser zum Ausdruck.
Wenn das so wäre, dann kannst du ja die Gleichung im Heisenbergbild benennen, aus der das klar wird.
__________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Mit Zitat antworten
  #7  
Alt 30.11.22, 10:19
photino photino ist offline
Newbie
 
Registriert seit: 29.11.2022
Beitr?ge: 9
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Sie gaukelt nichts vor, die ist linear, kontinuierlich und deterministisch.
Sie gaukelt jenen etwas vor, die die Wellenfunktion für eine wahrheitsgetreue Beschreibung eines einzelnen Quantensystems halten.

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Das ist das, was man überall hören oder lesen kann - außer in den Seminaren der theoretischen Physiker. Das Sprunghafte und Zufällige kommt in den normalen Anwendungen der Quantenmechanik ungefähr so oft vor wie der Schiedsrichterball beim Fußball. Keine Rede von Markenkern.
Bei einem Atomkern mit einer Halbwertszeit von einer Stunde kann sich nur ein Theoretiker den Zustand nach einer Stunde als kohärente Überlagerung von "zerfallen" und "unzerfallen" vorstellen. Der Experimentalphysiker weiss, dass der Zerfall entweder stattgefunden hat oder nicht, weil der auf einer ganz anderen Zeitskala abläuft, und das entstandene Neutrino das Labor nach spätestens einer Mikrosekunde verlassen hat.

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Das Heisenbergbild ist aber zum Schrödingerbild unitär vollständig äquivalent.
Aber der Blickwinkel ist ein anderer. Die Zustände sind zeitunabhängig, und es wird eine Spur über die Matrizen gebildet. Man kommt gar nicht auf die Idee, dass eine Matrix die Beschreibung eines einzelnen Quantensystems sein könnte.
Mit Zitat antworten
  #8  
Alt 30.11.22, 10:44
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Zitat:
Zitat von photino Beitrag anzeigen
Sie gaukelt jenen etwas vor, die die Wellenfunktion für eine wahrheitsgetreue Beschreibung eines einzelnen Quantensystems halten.
Na ja, beide haben ihre Gründe.

Aber jeder muss damit leben, dass die Schrödingergleichung eine kontinuierliche und deterministische Entwicklung ist. Daran kommt niemand vorbei.

Zitat:
Zitat von photino Beitrag anzeigen
Bei einem Atomkern mit einer Halbwertszeit von einer Stunde kann sich nur ein Theoretiker den Zustand nach einer Stunde als kohärente Überlagerung von "zerfallen" und "unzerfallen" vorstellen. Der Experimentalphysiker weiss, dass der Zerfall entweder stattgefunden hat oder nicht, weil der auf einer ganz anderen Zeitskala abläuft, und das entstandene Neutrino das Labor nach spätestens einer Mikrosekunde verlassen hat.
Richtig.

Es ging mir aber um deine Aussage der Sprunghaftigkeit. Wenn du nämlich genauer nachdenkst, dann stellst du fest, dass der Experimentalphysiker nie diesen Sprung real beobachtet, und dass 99% der Theoretiker diesen Sprung ebenfalls nie betrachten (sie betrachten Wahrscheinlichkeiten).

Darüberhinaus wissen wir, dass es sehr einfache Beispiele gibt, die ohne Sprung (Kollaps) deutlich einfacher zu modellieren sind als mit (weil die Idee des trivialen Kollapses nicht nur ein rein intellektuelles Problem darstellt sondern praktisch zu falschen Vorhersagen führt). Erkläre doch spaßeshalber mal die Spuren in der Nebelkammer unter Nutzung des Kollapses.

Zitat:
Zitat von photino Beitrag anzeigen
Aber der Blickwinkel ist ein anderer. Die Zustände sind zeitunabhängig, und es wird eine Spur über die Matrizen gebildet. Man kommt gar nicht auf die Idee, dass eine Matrix die Beschreibung eines einzelnen Quantensystems sein könnte.
Was darauf rausläuft, dass die Wahrscheinlichkeiten und Messwerte berechnest. Ist ja ok, solange du nicht die Frage stellst, was das alles bedeutet. Wer sich nicht für die Bedeutung interessiert und wem die offenen Fragen der Grundlagen der Quantenmechanik egal sind, der kann dies alles in jedem beliebigen Bild ignorieren. Viele Physiker denken so und brauchen dafür überhaupt keine Begründung; es ist ihnen schlicht egal ;-)
__________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (30.11.22 um 10:53 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #9  
Alt 30.11.22, 14:27
photino photino ist offline
Newbie
 
Registriert seit: 29.11.2022
Beitr?ge: 9
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Aber jeder muss damit leben, dass die Schrödingergleichung eine kontinuierliche und deterministische Entwicklung ist. Daran kommt niemand vorbei.
Klar. Aber die Schrödinger-Gleichung ist offensichtlich nicht die ganze Wahrheit.

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Es ging mir aber um deine Aussage der Sprunghaftigkeit. Wenn du nämlich genauer nachdenkst, dann stellst du fest, dass der Experimentalphysiker nie diesen Sprung real beobachtet, und dass 99% der Theoretiker diesen Sprung ebenfalls nie betrachten (sie betrachten Wahrscheinlichkeiten).
Verstehe ich nicht. Für mich ist ein Sprung etwas ganz Reales, etwa das Klicken eines Geiger-Zählers. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein freies Neutron "ganz allmählich", kontinuierlich in ein Proton übergeht. Oder der Zerfall durch einen Messakt (den Geiger-Zähler) ausgelöst wird. Dagegen ist der "Kollaps der Wellenfunktion" für mich etwas fiktives, was nur eingeführt wird, um im Formalismus Anschluss an die Wirklichkeit zu finden.

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Was darauf rausläuft, dass die Wahrscheinlichkeiten und Messwerte berechnest. Ist ja ok, solange du nicht die Frage stellst, was das alles bedeutet. Wer sich nicht für die Bedeutung interessiert und wem die offenen Fragen der Grundlagen der Quantenmechanik egal sind, der kann dies alles in jedem beliebigen Bild ignorieren. Viele Physiker denken so und brauchen dafür überhaupt keine Begründung; es ist ihnen schlicht egal ;-)
Die Grundlagen der Quantenmechanik sind mir keineswegs egal, im Gegenteil. Mich stört die mysteriöse Bedeutung des Messprozesses. Dass das Wort "Messung" überhaupt in den Axiomen auftaucht. Eine so fundamentale und erfolgreiche Theorie sollte sich doch weniger anthropozentrisch ("state preparation" und "measurement") formulieren lassen. Die Kernreaktionen in den Sternen laufen doch auch ohne Beobachter ab.
Mit Zitat antworten
  #10  
Alt 01.12.22, 08:16
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation

Zum Messprozess volle Zustimmung!

Ich sehe den Messprozess auch nicht als Teil der Axiome im engeren Sinne, jedoch benötigen wir eine Erklärung, was ein Messprozess denn bedeutet und wie er sich quantenmechanisch modellieren lässt. Das mag anders aussehen als in der orthodoxen Interpretation, aber da diese ja offensichtlich rein praktisch funktioniert, muss eine vernünftige Erklärung auch dafür eine Begründung liefern.

Bzgl. des Sprungs habe ich nun wohl verstanden, was du damit meinst.

Dabei hast du entweder die Möglichkeit, ihn per Axiom zu fordern - z.B. das von Neumannsche Projektionspostulat d.h. den sog. Kollaps - was unbefriedigend ist, da dies eben gerade im Widerspruch zur Schrödingergleichung steht, nichts erklärt, und in gewissen Fällen schlicht nicht anwendbar ist, siehe z.B. das bekannte Beispiel der Tröpfchen und Spuren in der Nebelkammer. Oder man hat die Möglichkeit, auf Basis der Schrödingergleichung d.h. ohne weitere Zutaten eine Lösung zu finden.

Dass die Schrödingergleichung nicht die ganze Wahrheit ist, ist m.E. nur ein Vorurteil, das uns über knapp ein Jahrhundert in die Köpfe eingehämmert wurde. Es gibt jedoch durchaus Physiker, die in die folgende Richtung denken:

Aus der linearen Schrödingergleichung für das Gesamtsystem "Quantenobjekt + Messgerät + Umgebung wie Luft, thermische Photonen etc." kann näherungsweise durch Eliminieren (Ausintegrieren, coarse graining ... welche mathematische Methode auch immer) eine nicht-lineare Gleichung in einem reduzierten Hilbertraum abgeleitet werden. Aus der Nichtlinearität folgen Effekte vergleichbar denen des klassischen Chaos, d.h.
1) Wahrscheinlichkeiten bzw. sind kein objektiver Bestandteil der Natur und der Axiome - d.h. kein Projektionspostulat, keine Bornsche Regel - sondern folgen insbs. aus nicht exakt bekannten Anfangsbedingungen
2) räumliche sowie zeitliche und insbs. eindeutige Lokalisierung von "teilchenartigen Effekten" sind dagegen ein objektiver quantenmechanischer Effekt jedoch kein Bestandteil der Axiome; sie folgen aus einer genügend genauen Lösung der o.g. Gleichungen

Das erklärt "Kollaps" und "Sprünge". Und es erklärt auch, was eine Messung ist, nämlich dass die Wechselwirkung zwischen einem zunächst isolierten Quantensystem mit dem Messgerät - beschrieben mittels Schrödingergleichung des Vielteilchensystems - zu einer stabilen Korrelation einer Eigenschaft des Quantensystem mit einer "makroskopischen" Eigenschaft des Messgerätes führt; kurz: es gibt einen eindeutigen ablesbaren Zeigerzustand. (In analoger Weise erklären wir z.B. auch, was ein Auto ist.)

Das ist natürlich eine Hypothese und heute keineswegs vollumfänglich verstanden, allenfalls für einige einfache Beispiele. Aber es ist eben eine wissenschaftliche Hypothese - kein Postulat ohne Erklärungskraft. Man kann diese Hypothese untersuchen, d.h.
A) mathematische Lösungsmethoden für das o.g. Problem entwickeln und die Ergebnisse mit Messergebnissen vergleichen, alternativ
B) versuchen, mathematisch zu beweisen , dass dieser Ansatz im Widerspruch zu einigen bekannten und bestätigten Konsequenzen der Quantenmechanik steht.

Interessanterweise konnte sich über 40 Jahre niemand vorstellen, dass sowas überhaupt funktionieren kann, bis Zeh 1969 / 70 die Dekohärenz entdeckt hat, die einige Teil dieses Puzzles tatsächlich löst. Insbs. resultiert eine Art "effektiver Kollaps", ausschließlich basierend auf der Schrödingergleichung plus Näherungen, mit einer für makroskopischen Systeme extrem kurzen Dekohärenzzeit. Leider führt die resultierende mathematische Struktur zwar zu den klassischen Zeigerzuständen, jedoch zu dekohärenten Überlagerungen verschiedener Zeigerzustände und damit zu der Many-Worlds-Interpretation. Das Problem des eindeutigen Zeigerzustandes - das in diesem Kontext einzige offene Problem - ist nach wie vor ungelöst.

Nur - dieser Ansatz ist wissenschaftlich, kann mathematisch bewiesen oder widerlegt werden und ist der experimentellen Überprüfung zugänglich. Solange diese Fragen zu einer derartigen Hypothese offen sind, interessieren mich andere Interpretationen, die in teilweise inkonsistenter Weise lediglich das postulieren, was wir beobachten, absolut nicht.
__________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (01.12.22 um 09:17 Uhr)
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beitr?ge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anh?nge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beitr?ge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 22:18 Uhr.


Powered by vBulletin® Version 3.8.8 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
ScienceUp - Dr. Günter Sturm