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Quantenmechanik, Relativitätstheorie und der ganze Rest. Wenn Sie Themen diskutieren wollen, die mehr als Schulkenntnisse voraussetzen, sind Sie hier richtig. Keine Angst, ein Physikstudium ist nicht Voraussetzung, aber man sollte sich schon eingehender mit Physik beschäftigt haben.

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  #41  
Alt 24.03.12, 18:28
Timm Timm ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Hallo Eugen,

Zitat:
Zitat von Liebscher: Der Milne-Kosmos ist ein Raum negativer Krümmung in linearer Expansion. Er entsteht aus der Minkowski-Welt durch eine andere Wahl und Interpretation der Koordinaten, hat aber dieselbe abstrakte Metrik.
Mit anderer Wahl und Interpretation der Koordinaten kann Liebscher nur das FRW Modell mit Energiedichte Null meinen. Dieses expandiert und ist mathematisch mit dem Milne-Kosmos äquivalent. Er schmeißt beide in einen Topf, was ja wegen der Äquivalenz nicht falsch ist, allerdings Verwirrung auslösen kann.

http://en.wikipedia.org/wiki/Milne_model
Zitat:
Milne developed this model independent of general relativity but with awareness of special relativity. As he initially described it, the model has no expansion of space, so all of the redshift (except that caused by peculiar velocities) is explained by a recessional velocity associated with the hypothetical "explosion". However, the mathematical equivalence of the zero energy density () version of the FLRW metric to Milne's model implies that a full general relativistic treatment using Milne's assumptions would result in an increasing scale factor and associated metric expansion of space with the unique feature of a linearly increasing scale factor for all time since the deceleration parameter is uniquely zero for such a model.
Milne's Modell war ursprünglich ein SRT Universum, ohne Raumexpansion. Erst später kam die Überraschung, daß es mit einem expandierenden ART Grenzfall mathematisch äquivalent ist.

Gruß, Timm
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  #42  
Alt 24.03.12, 21:29
Ich Ich ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Hi alle,

hier ist ja was los. Lasst mich erstmal eine Sache klären:
Die Raumzeit ist genau dann flach, wenn die Energiedichte überall Null ist (und keine Gravitationswellen und so vorliegen).
Der Raum ist ein Schnitt durch die Raumzeit. Ein krummer Schnitt durch eine flache Raumzeit ergibt einen krummen Raum. Ein krummer Schnitt durch eine gekrümmte Raumzeit kann einen flachen Raum ergeben.

Beispiel Milne-Modell / leeres FRW-Universum. Die Raumzeit ist da definitiv flach. Ein nach der üblichen SRT-Definition gebildeter Raum ist auch flach. Der nach der FRW-Definition gebildete kosmologische Raum ist negativ gekrümmt.
Der kosmologische Raum beruht auf einer anderen Definition von Gleichzeitigkeit: nicht die Zeit zueinander ruhender Uhren ist die Koordinatenzeit, sondern die Zeit zueinander bewegter (also mitbewegter) Uhren. Während also die erste Definition für z.B. t=1 Jahr (ich unterdrücke mal eine Dimension) eine Ebene aus der Raumzeit schneidet, schneidet die zweite ein Hyperboloid aus.
Oder anschaulicher erklärt: bei FRW misst man Entfernungen mit mitbewegten Maßstäben. Bewegte Maßstäbe sind in Bewegungsrichtung kürzer und messen deswegen eine größere Länge - das ist die Radialkoordinate. Quer dazu bleibt alles gleich. Also ist der Radius eines Kreises in diesem Raum größer als U/2pi, was negative Krümmung bedeutet.
Dieser Effekt ist bei allen FRW-Raumzeiten da. Eine Raumzeit, die homogen mit Materie gefüllt ist, ist positiv gekrümmt, ebenso der dort mit Normalkoordinaten gebildete Raum. Wenn die Expansionsgeschwindigkeit aber genau dazu passt, dann wird der FRW-Raum durch den genannten Effekt - negative Krümmung - geradegebogen und ist in Summe flach.

Nochwas: Paradigmenwechsel sicher nicht. Echte Fachleute in der ART hatten noch nie ein Problem mit Koordinatentrafos, für die ändert sich nichts. Unter allen anderen (auch Kosmologen, das sind nicht immer Fachleute in der ART) ist aber dieses "Denkverbot Relativgeschwindigkeit" immer noch recht dominant. Ich selber hab's auch noch vor ein paar Jahren vertreten, bis ich durch ein paar Zufälle herausgefunden habe, dass man es nicht so streng sehen sollte, wenn man was verstehen will. Es wird mit dieser "Raumexpansion" schon wahnsinnig viel vollkommen unnötiger Mystizismus betrieben.

Hi Timm,

lass mich zu deiner Frage vor drei Seiten erstmal an einer Stelle zurückrudern:
Ich habe geschrieben, dass der gravitative Anteil irgendwann so groß wird wie der kinematische. Das ist nicht immer so, sondern nur in der Newtonschen Näherung. Der kinematische Effekt hat auch einen quadratischen Anteil, den man nur dann vernachlässigen kann, wenn viel Materie da ist und wenig Expansionsgeschwindigkeit. Das ist z.B. in unserem Universum nicht der Fall.
Ferner ist der gravitative Anteil (mit dem Beobachter im Zentrum) in einem gebremst expandierenden Universum eine Blauverschiebung, da kann Gleichheit also bestenfalls nach dem Betrag entstehen.

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Bedeutet "Verschwimmen" bei größeren Entfernungen, daß es die Beiträge Gravitation und Doppler nach wie vor gibt, sie sich aber mathematisch nicht mehr darstellen lassen? Oder macht die Theorie keine klaren Aussagen für diesen Fall?
Der ART sind die Begriffe Gravitationsrotverschiebung, Dopplerverschiebung und kosmologische Rotverschiebung völlig Wurscht. Die arbeitet nicht mit diesen Begriffen. (Genausowenig wie die SRT mit Längenkontraktion und Zeitdilatation arbeitet, wenn das hier anbringen darf, sondern mit der Lorentztransformation.)
Wenn ich "Verschwimmen" schreibe, dann meine ich damit, dass die Definitionen dieser Begriffe immer unschärfer werden.
Gravitationsrotverschiebung setzt eine statische Raumzeit voraus. Das ist auch im Universum eine gute Näherung über relativ kurze Zeiten, sagen wir mal ~1 Mrd Jahre. Wenn sich aber das "Potential" über den betrachteten Zeitraum deutlich ändert, dann kann ich z.B. das Potential am Anfang nehmen oder das am Ende (oder irgendeins dazwischen), aber zwischen den beiden ist ein Unterschied. Je nachdem, welches ich wähle kommt eine anderer Wert raus, und ohne weitere Annahmen und Definitionen ist keiner von denen besser oder schlechter als der andere.
Ebenso mit dem Dopplereffekt, der setzt eine exakte Geschwindigkeitsdefinition voraus. Man kann Relativgeschwindigkeiten zweier voneinander entfernter Dinge zwar auch in der ART schön definieren, indem man den einen Geschwindigkeitsvektor zum anderen hin "parallel verschiebt", und dann direkt am selben Ort vergleicht. Nur: in gekrümmter Raumzeit ist das Ergebnis dieses Paralleltransports abhängig von dem Weg, auf dem ich verschiebe. Wieder bekommt man unterschiedliche Ergebnisse, und nur durch zusätzliche Definitionen kann ich eines davon als das "richtige" auszeichnen.
Chodorowski geht diesen Weg in dem von dir verlinkten Paper. Ich hätte das eher lesen sollen, da sind einige interessante Ergebnisse drin. Aber seine Definition ist nicht irgendwie zwingend, ich zum Beispiel würde eigentlich was anderes definieren.
Zum Anteil der kinematischen Komponente: ich habe das noch nicht zuende gedacht, aber zumindest nach Chodorowskis Definition bleibt die auch bei großen Entfernungen dominant. Wenn ich mich richtig erinnere (ich hab sowas ähnliche früher schon mal gerechnet), wird - unter allen ewig expandierenden Universen - der Gravitationsanteil nur bei de Sitter gleich groß. Bei wieder kollabierenden Universen ist er am Umkehpunkt der einzige Anteil, also sehr dominant.

Ge?ndert von Ich (24.03.12 um 21:38 Uhr)
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  #43  
Alt 25.03.12, 01:04
Benutzerbild von Marco Polo
Marco Polo Marco Polo ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Hallo,

was mir noch nicht so recht klar ist: Es scheint doch unbestritten zu sein, dass die Galaxien in kosmischen Maßstäben gesehen eine umso größere Rotverschiebung aufweisen, je weiter sie von uns entfernt sind. Für mich deutet das auf eine Raumexpansion hin.

Wie liesse sich dieser Umstand mit einem kinematischen Modell erklären?

Sicher wurde die Antwort hierauf bereits hier gegeben und ich habs noch nicht geblickt?

Hat das was mit den mitbewegten Maßstäben zu tun die in Bewegungsrichtung kürzer sind und damit laut "Ich" eine größere Länge messen? Demnach wäre die Raumexpansion möglicherweise eine Illusion?

Grüsse, Marco Polo
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  #44  
Alt 25.03.12, 18:32
Timm Timm ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Hi 'Ich',

Zitat:
Zitat von Ich Beitrag anzeigen
.
Dieser Effekt ist bei allen FRW-Raumzeiten da. Eine Raumzeit, die homogen mit Materie gefüllt ist, ist positiv gekrümmt, ebenso der dort mit Normalkoordinaten gebildete Raum. Wenn die Expansionsgeschwindigkeit aber genau dazu passt, dann wird der FRW-Raum durch den genannten Effekt - negative Krümmung - geradegebogen und ist in Summe flach.
Eine gute Erklärung, habe ich so noch nicht gelesen.

Zitat:
Zitat von Ich Beitrag anzeigen
.Zum Anteil der kinematischen Komponente: ich habe das noch nicht zuende gedacht, aber zumindest nach Chodorowskis Definition bleibt die auch bei großen Entfernungen dominant. Wenn ich mich richtig erinnere (ich hab sowas ähnliche früher schon mal gerechnet), wird - unter allen ewig expandierenden Universen - der Gravitationsanteil nur bei de Sitter gleich groß. Bei wieder kollabierenden Universen ist er am Umkehpunkt der einzige Anteil, also sehr dominant.
Ich habe gerade mal mit Peacock's Gleichung

1 + z = [(1+v/c)/(1-v/c)]^1/2*(1 + ΔΦ/c²) (16)

mit dem Faktor 2 bei z und der Materiedichte gespielt. Die Werte sind natürlich rein willkürlich gewählt. Aber es soll nur ums Prinzip gehen. Wenn ich mich nicht verrechnet habe kommt heraus:

z = 1; ΔΦ/c² = -0.1 -> v = 0.37c
z = 1; ΔΦ/c² = -0.2 -> v = 0.43c

z = 2; ΔΦ/c² = -0.1 -> v = 0.54c
z = 2; ΔΦ/c² = -0.2 -> v = 0.58c

Im Newton'schen Fall nimmt demnach v mit zunehmender Materiedichte und zunehmender Distanz zu.

Muß grad mal weg.

Gruß, Timm

EDIT:

z = 1; ΔΦ/c² = -0.1 -> v = 0.66c
z = 1; ΔΦ/c² = -0.2 -> v = 0.72c

z = 2; ΔΦ/c² = -0.1 -> v = 0.83c
z = 2; ΔΦ/c² = -0.2 -> v = 0.86c

Ich hoffe, es stimmt jetzt so.
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Ge?ndert von Timm (25.03.12 um 22:30 Uhr) Grund: EDIT
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  #45  
Alt 25.03.12, 21:41
Ich Ich ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Hi Marco Polo,

Zitat:
was mir noch nicht so recht klar ist: Es scheint doch unbestritten zu sein, dass die Galaxien in kosmischen Maßstäben gesehen eine umso größere Rotverschiebung aufweisen, je weiter sie von uns entfernt sind. Für mich deutet das auf eine Raumexpansion hin.

Wie liesse sich dieser Umstand mit einem kinematischen Modell erklären?
Damit, dass sich alle Dinge voneinander fortbewegen, und zwar umso schneller, je weiter sie voneinander entfernt sind.
In der Newtonschen Dynamik geht das ganz einfach: wenn sich alles von einem bestimmten Punkt mit einer Geschwindigkeit proportional zum Abstand wegbewegt, dann gilt das auch für jeden beliebigen Punkt.
In der SRT gilt das auch, man muss dann nur aufpassen, dass das Universum auch von jedem Punkt aus isotrop aussieht. Dazu muss man die Startbedingungen richtig setzen, aber es ist machbar. Es ist tatsächlich so, dass - ganz ohne Gravitation und ART - eine hinreichend heisse Explosion an einem bestimmten Ereignis etwas produziert, was für jeden mitexplodierten Schnipsel lokal genau wie ein expandierendes Universum aussieht. Der Unterschied kann erst auf größten Skalen erkennbar werden.

Zitat:
Hat das was mit den mitbewegten Maßstäben zu tun die in Bewegungsrichtung kürzer sind und damit laut "Ich" eine größere Länge messen? Demnach wäre die Raumexpansion möglicherweise eine Illusion?
Die Expansion des Universums ist sicher keine Illusion. Die "Expansion des Raumes" ist zumindest in kompakten Universen wohl kaum von der Hand zu weisen, da wirkt eine solche "kinematische" Beschreibung schnell ziemlich konstruiert.
Aber es ist nichts ungewöhnliches, dass ein zu jedem Zeitpunkt unendlicher Raum in einem begrenzten Volumen Platz hat, wie beim Milne Modell. Dort hat das Universum in den üblichen Koordinaten einen Durchmesser von c*t (t ist die Zeit seit dem Urknall), sieht im Raumzeitdiagramm also (zumindest mit zwei Raumdimensionen) aus wie ein Kegel. In FRW Koordinaten ist der "Raum" zu jedem Zeitpunkt wie gesagt ein nach oben offenes unendliches Hyperboloid. Das passt da rein, und dafür könnte man mit ein bisschen Händewedeln tatsächlich Längenkontraktion verantwortlich machen.

Aber darum geht's - mir zumindest - nicht. Mir geht es hauptsächlich darum, dass "expandierender Raum" zumindest für "kleine" Abstände überhaupt nichts anderes ist als Objekte, die sich voneinander fortbewegen. Das heißt, man darf sich durchaus die Expansion als Bewegung vorstellen, unf die Rotverschiebung als Dopplereffekt. Man soll sogar, wenn man z.B. den Einfluss den Expansion auf die lokale Physik verstehen will. Dieses verbreitete Denkverbot, man dürfe das alles nicht tun, ist falsch und extrem kontraproduktiv, da werden aus den einfachsten Dingen komplizierte, unverstandene, mystische Effekte.
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  #46  
Alt 27.03.12, 11:01
Timm Timm ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von Ich Beitrag anzeigen
Aber darum geht's - mir zumindest - nicht. Mir geht es hauptsächlich darum, dass "expandierender Raum" zumindest für "kleine" Abstände überhaupt nichts anderes ist als Objekte, die sich voneinander fortbewegen. Das heißt, man darf sich durchaus die Expansion als Bewegung vorstellen, unf die Rotverschiebung als Dopplereffekt. Man soll sogar, wenn man z.B. den Einfluss den Expansion auf die lokale Physik verstehen will. Dieses verbreitete Denkverbot, man dürfe das alles nicht tun, ist falsch und extrem kontraproduktiv, da werden aus den einfachsten Dingen komplizierte, unverstandene, mystische Effekte.
Hmm, Du schreibst "*zumindest* für kleine Abstände".

Mein Eindruck ist, daß es für Peacock, Chodorowski und andere auch in kosmologischen Entfernungen, also für auch für große Abstände im "kinematischen Modell" keinen "expandierenden Raum" gibt. Wolltest Du das relativieren?

Gruß, Timm
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  #47  
Alt 27.03.12, 19:09
Timm Timm ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von Ich Beitrag anzeigen
Oder anschaulicher erklärt: bei FRW misst man Entfernungen mit mitbewegten Maßstäben. Bewegte Maßstäbe sind in Bewegungsrichtung kürzer und messen deswegen eine größere Länge - das ist die Radialkoordinate. Quer dazu bleibt alles gleich. Also ist der Radius eines Kreises in diesem Raum größer als U/2pi, was negative Krümmung bedeutet..
Gilt wohl lokal. Das wäre dann bei einer sphärisch symmetrischen Masse vergleichbar damit, daß ein mit einem Maßstab gemessener radialer Abschnitt größer als die euklidische Erwartung von U/2pi (U mit Maßband gemessen) ist.
Also auch negative Krümmung. Aber wie drückt man das korrekt aus? Die Masse krümmt die Raumzeit. Wäre "gekrümmter Raum" dann das Resultat: radialer Abschnitt um soundsoviel größer als erwartet?

Bei dem angestellten Vergleich stolpere ich allerdings darüber, bei einer solchen Messung, "Radius eines Kreises in diesem Raum größer als U/2pi" nicht zwischen FRW (Massendichte homogen und isotrop)und Masse im Zentrum (die auch ein Schwarzes Loch sein könnte) unterscheiden kann. Ist das so?

Noch ein kleiner Ausflug in die von kugelförmigen Massen gekrümmte Raumzeit. Man kann ja die Krümmung auch nach dem Verhalten von zunächst parallelen Geodäten unterscheiden. Bei deren Zusammenlaufen ist die Krümmung positiv und bei Auseinanderlaufen negativ (schön anschaulich). Ich erinnere mich dunkel mal davon gelesen zu haben, daß die Krümmung von der Orientierung der Testpartikel abhängt. Bei tangentialer Anordnung laufen sie zusammen, Krümmung positiv, bei radialer Anordnung laufen sie auseinander (Abstand wächst), Krümmung negativ. Vielleicht finde ich den link wieder. Wenn das so stimmt (bitte andernfalls korrigieren), müßte doch eigentlich die richtungsabhängige Gezeitenbeschleunigung ein Maß für negative bzw. positive Krümmung der Raumzeit sein. Ob nun im Gravitationsfeld von Massen oder gleichermaßen in der transversalen Ebene von Gravitationswellen.
Kannst Du dem zustimmen?

Gruß, Timm
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  #48  
Alt 29.03.12, 21:11
Ich Ich ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Hi Timm,

Zitat:
Mein Eindruck ist, daß es für Peacock, Chodorowski und andere auch in kosmologischen Entfernungen, also für auch für große Abstände im "kinematischen Modell" keinen "expandierenden Raum" gibt. Wolltest Du das relativieren?
Nö; aber das globale kinematische Modell wird in bestimmten Fällen ziemlich blöd, z.B. in einem Raum mit sphärischer Topologie. Was genau eine Stärke der RW-Koordinaten ist. Dort kann man auch sowas wie das Volumen des Universums zur Zeit t definieren, und das wächst mit der Zeit. Ich gehe da eigentlich voll konform mit Peacock:
Zitat:
Zitat von Peacock
there are clearly cases where expansion is a legitimate global concept. This is most clear-cut in the case of closed universes, where the total volume is a well-defined quantity that increases with time, so undoubtedly space is expanding in that case.
But even if ‘expanding space’ is a correct global description of spacetime, boes the concept have a meaningful local counterpart? Is the space in my bedroom expanding, and what would this mean?
Expandierender Raum ist auch in solchen Fällen ein lokal völlig unbrauchbares Konzept. "and what would this mean?" ist genau die Frage, die man sich da stellen sollte.
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  #49  
Alt 29.03.12, 22:00
Ich Ich ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zur Krümmung. Erst mal wieder ein Erratum, ich werd auch immer unzuverlässiger:
Zitat:
Zitat von Ich
Bewegte Maßstäbe sind in Bewegungsrichtung kürzer und messen deswegen eine größere Länge
Sorry: die Messung erfolgt natürlich nach Gleichzeitigkeitsdefinition der Maßstäbe, sie messen deswegen eine kürzere Länge. Die kosmologische Zeit ist ja durch die mitbewegten Beobachter definiert.
Zitat:
Das wäre dann bei einer sphärisch symmetrischen Masse vergleichbar damit, daß ein mit einem Maßstab gemessener radialer Abschnitt größer als die euklidische Erwartung von U/2pi (U mit Maßband gemessen) ist.
Also auch negative Krümmung.
Es wäre also genau das Gegenteil: Masse krümmt den Raum positiv, Expansion negativ.
Zitat:
Aber wie drückt man das korrekt aus? Die Masse krümmt die Raumzeit. Wäre "gekrümmter Raum" dann das Resultat: radialer Abschnitt um soundsoviel größer als erwartet?
Da gibt's exakte Formeln, z.B. bei Wikipedia.
Das kannst du mal nachrechnen für Expansion: Der Umfang (nennen wir mal 2pi * r') bleibt gleich, die Radialkoordinate ist aber kontrahiert, in erster Näherung:
dr=dr'*(1-v²/2),
also wegen v=H*r
dr=dr'*(1-H²r²/2)
integriert also
r=r'*(1-H²r²/6).
Eingesetzt in die Krümmungsformel gibt das
K=-H².
Kannst dann mal vergleichen mit der Friedmanngleichung (K=k/a², c=1 bei mir)
K=8pi G rho/3 - H²,
also Raumkrümmung = positiv wegen Masse minus Krümmung wegen Expansion, also gleich Null für rho=rho(kritisch).
Zitat:
Bei dem angestellten Vergleich stolpere ich allerdings darüber, bei einer solchen Messung, "Radius eines Kreises in diesem Raum größer als U/2pi" nicht zwischen FRW (Massendichte homogen und isotrop)und Masse im Zentrum (die auch ein Schwarzes Loch sein könnte) unterscheiden kann. Ist das so?
Ein großer Kreis integriert sozusagen über die ganze Masse im inneren. Da kommt dasselbe raus, wenn die Massen gleich sind, das ist ein Sonderfall des Birkhoff-Theorems. Die korrekte Definition mit dem Limes r->0 explodiert aber für eine Singularität in der Mitte.
Zitat:
Man kann ja die Krümmung auch nach dem Verhalten von zunächst parallelen Geodäten unterscheiden.
Das ist richtig, allerdings reden wir von Geodäten des irgendwie definierten Raums, und die sind logischerweise raumartig. Die Testteilchen haben zeitartige Geodäten, deren Verhalten misst also nicht die Krümmung des Raums.
Zitat:
Bei deren Zusammenlaufen ist die Krümmung positiv und bei Auseinanderlaufen negativ (schön anschaulich). Ich erinnere mich dunkel mal davon gelesen zu haben, daß die Krümmung von der Orientierung der Testpartikel abhängt. Bei tangentialer Anordnung laufen sie zusammen, Krümmung positiv, bei radialer Anordnung laufen sie auseinander (Abstand wächst), Krümmung negativ. Vielleicht finde ich den link wieder. Wenn das so stimmt (bitte andernfalls korrigieren), müßte doch eigentlich die richtungsabhängige Gezeitenbeschleunigung ein Maß für negative bzw. positive Krümmung der Raumzeit sein.
Leider eben nicht. Zum Beispiel ist der de-Sitter Raum positiv gekrümmt, Testteilchen laufen darin aber exponentiell auseinander. Aber im Prinzip stimmt es, die sog. Schnittkrümmung ist in deinem Beispiel tangential negativ und radial positiv. Wir haben das ja mal bei Joachim diskutiert.
Bei der transversalen Ebene von Gravitationswellen bin ich nicht 100% sicher. Die (durch die Koordinaten definierte) x-y Ebene ist sicher flach. Die Schnittkrümmung für die x,y Basisvektoren ist aber wohl negativ gekrümmt, wenn mich Maxima da nicht im Stich gelassen hat. Ich hab das aber nicht weiter verfolgt.
Zitat:
Kannst Du dem zustimmen?
Weder Testteilchen noch Lichtstrahlen messen Raumkrümmung. Das ist nur in bestimmten Ausnahmefällen so, zu denen auch der FRW-Raum gehört, wenn ich mich richtig erinnere, da bin ich aber nicht sicher.
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  #50  
Alt 30.03.12, 14:36
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Bauhof Bauhof ist offline
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Standard AW: Raumdehnung vs. Bewegung durch den Raum

Zitat:
Zitat von Ich Beitrag anzeigen
... das globale kinematische Modell wird in bestimmten Fällen ziemlich blöd, z.B. in einem Raum mit sphärischer Topologie. Was genau eine Stärke der RW-Koordinaten ist. Dort kann man auch sowas wie das Volumen des Universums zur Zeit t definieren, und das wächst mit der Zeit. Ich gehe da eigentlich voll konform mit Peacock:
Zitat:
Zitat von Peacock
there are clearly cases where expansion is a legitimate global concept. This is most clear-cut in the case of closed universes, where the total volume is a well-defined quantity that increases with time, so undoubtedly space is expanding in that case.
But even if 'expanding space' is a correct global description of spacetime, boes the concept have a meaningful local counterpart? Is the space in my bedroom expanding, and what would this mean?
Hallo Ich,

der "abacho"-Übersetzer übersetzt dieses Zitat ins Deutsche wie folgt:
Zitat:
... es gibt klar(offensichtlich) Fälle, wo Vergrößerung ein legitimes globales Konzept ist. Das ist im Fall vom geschlossenen Weltall am meisten klar(eindeutig), wo das Gesamtvolumen eine bestimmte Menge(Zahl) ist, die mit der Zeit zunimmt, so zweifellos breitet sich Raum in diesem Fall aus.
Aber selbst wenn 'Erweiterung des Raums' eine richtige globale Beschreibung der Raum-Zeit ist, boes das Konzept haben eine bedeutungsvolle(bedeutsame) lokale(örtliche) Kopie(Kollegen,Seitenstück)? Ist der Raum in meiner Schlafzimmer-Erweiterung, und was würde das bedeuten?
Das Volumen des Universums mit sphärischer Topologie ergibt sich zur Zeit t wie folgt:

V(t) = 2•(pi)²•[R(t)]³

R(t) ist dabei der vierdimensionale Radius einer 4-D-Kugel. Der Begrenzungsraum dieser 4-D-Kugel (die 'Hypersphäre') ist das dreidimensionale Universum mit dem zeitlich veränderlichen Volumen V(t). Von einem kinematischen Weltmodell könnte man hier nur dann sprechen, wenn man dem veränderlichen 4-D-Radius eine gewisse "Kinematik" zusprechen würde.

M.f.G. Eugen Bauhof

P.S.
Das Schlafzimmer von Peacock expandiert in diesem Model natürlich nicht mit; es wird von molekularen, atomaren und gravitativen Kräften zusammengehalten. Aus den gleichen Gründen expandiert der Raum innerhalb der Galaxien nicht mit den Hubble-Fluss.
__________________
Ach der Einstein, der schwänzte immer die Vorlesungen –
ihm hatte ich das gar nicht zugetraut!

Hermann Minkowski
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