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Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

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  #1  
Alt 26.08.18, 10:00
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TomS TomS ist offline
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Standard Warum eine agnostische Sicht der Physik Quatsch ist

Insbs. nach Entwicklung der Quantenmechanik und im Zuge der Entstehung der positivistischen Denkrichtung wurde die philosophische Haltung populär, die Physik liefere lediglich ein Instrument zur Berechnung von Vorhersagen und Messergebnissen. Damit einher geht sehr häufig ein Denkverbot, die Physik könne oder dürfe nicht darüber sprechen, wie sich die Natur tatsächlich verhält, sondern müsse sich darauf beschränken, diese Instrumente zu Anwendung zu bringen.

Dem möchte ich drei Argumente entgegen stellen:
1) Denkverbote u.ä. Dogmen sind offensichtlich Quatsch; insbs. in der Wissenschaft hemmen Denkverbote den Fortschritt
2) Die o.g. Haltung ist sicher einigermaßen verbreitet, deswegen noch lange nicht richtig; wir kennen unzählige historische Beispiele, die uns eines besseren belehren sollten
3) Der rein positivistische Standpunkt führt unmittelbar dazu, die Betrachtung unbeobachtbarer Konsequenzen einer Theorie als unwissenschaftlich abzulehnen; dann streichen wir diesen Wissenschaftlern sofort die Forschungsmittel, wenn sie sich mit Stringtheorie, Quantengravitation, dem Inneren von Schwarzen Löchern und ähnlichem befassen (oder sie dürfen weiter forschen, hören dann aber bitte auf, diesen Positivismus-Käse zu verbreiten)
4) Die angeblich so verbreitete Haltung führt zu absurden Konsequenz, die sich die Physiker, die sie vertreten, nie klar gemacht haben.

Zu (4) eine kleine Geschichte:

Gemäß der instrumentalistischen Haltung muss ich nicht wissen, warum ein mathematischer Werkzeugkasten = eine physikalische Theorie funktioniert; dies ist für den Wissenschaftler, der sich damit befasst, völlig irrelevant, solange die Berechnungen funktionieren und zutreffende Vorhersagen liefern.

Geben wir einem derartigen Wissenschaftler eine Sammlung von diversen komischen Formeln, ein paar Computerprogramme sowie eine Bedienungslanleitung und fordern ihn auf, dieses Sammelsurium auf physikalische Situationen anzuwenden; das Sammelsurium sei offen und flexibel anpassbar, d.h. man kann damit alle möglichen Dinge berechnen: Bahnkurven von Planeten, Mischungstemperatur Flüssigkeiten, elektromagnetische Phänomene, Quark-Gluonen-Plasma, die Masse des Higgs, ... Hawkingstrahlung, ... Dummerweise ist das Sammelsurium jedoch völliges Kauderwelsch, d.h. die Formeln fallen vom Himmel, enthalten tausende von magischen Zahlenwerten,# die keiner erklären kann, der Code der Computerprogramme ist unverständlich usf.

Der Wissenschaftler möchte dieses Sammelsurium verstehen. Dazu bieten wir eine Reihe von Seminaren an, die ihm jedoch eine große Enttäuschung bereiten: er erhält kein Warum, keine Herleitung der Formeln, kein Prinzip wie „actio = reactio“, kein „Prinzip der kleinsten Wirkung“, keine Symmetrie, keinen universellen Hamiltonoperator; er erhält lediglich das Wie, d.h. eine Anleitung zur Verwendung: Er muss z.B. ein Experiment am CERN in einem bestimmten Datenformat mit allen relevanten Angaben zu Detektoren, Stromversorgung, Schaltungen usf. in tausenden von Datenblättern und Zeichnungen in einem bestimmten Datenformat hinterlegen, dann ein paar Parameter wir die Beschleunigungerenergie eintippen, und er erhält als Belohnung hunderte von Diagrammen und Tabellen - die mit den Messungen sehr präzise übereinstimmen. Derartige Übungen sind der alleinige Gegenstand seiner Seminararbeit.

Das Sammelsurium liefert ihm z.B. eine Kurve mit einem Peak bei 30 TeV - und tatsächlich - nachdem der LHC in 20 Jahren diesbzgl. ertüchtigt wurde, erscheint auf dem Monitor ein derartiger Peak. Auf die Frage des nun schon deutlich gealterten Physikers, ob dies nun endlich das solange gesuchte Signal bzgl. der Supersymmetrie sei, erklären wir ihm, dass diese Frage offensichtlich sinnlos ist, da es im streng positivistischen Sinne nicht darum gehe, was da draußen ist, sondern lediglich darum, dass man das korrekt vorhersagen könne - und das sei ja nun mal der Fall gewesen; er solle sich also endlich damit zufrieden geben und mit diesem kindischen Warum-Gefrage aufhören.

Das Sammelsurium hat - im streng positivistischen Sinne - perfekt funktioniert.

Hat es dem Physiker darüberhinaus irgendeine Erkenntnis geliefert? erklärt es irgendwas? ist die Suche nach der Theorie von allem vorerst beendet? nichts von alledem! Nach dem ggw. Verständnis der Physiker von ihrer Disziplin ist das Sammelsurium schlichtweg Schrott, solange es keine diesbzgl. Erklärungen liefert und niemand versteht, warum es funktioniert.

Ein ernsthafter, überzeugter Positivist müsste diesen Schrott sowie das o.g. Seminar jedoch jubelnd begrüßen, da es ja exakt das liefert, was er sich wünscht - ein Instument, das alle Beobachtungen perfekt vorhersagt.

Wer also diesen positivistischen Schrott glauben will, kann dies gerne tun. Wer jedoch an Physik interessiert ist, ist auch an Erklärungen interessiert. Diese liefern immer eine Antwort auf ein Warum - zwar nie die letztgültige und nie mit absoluter Sicherheit, jedoch nach bestem Wissen und Gewissen. Ich denke, das untermauert meine Aussage, dass die o.g. positivistischen Denkverbote und die angeblich agnostische Grundhaltung Quatsch sind.
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Ge?ndert von Bernhard (26.08.18 um 11:20 Uhr) Grund: rs
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  #2  
Alt 26.08.18, 11:43
Timm Timm ist offline
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Standard AW: Warum eine agnostische Sicht der Physik Quatsch ist

Wir sind uns alle einig, daß Denkverbote "Quatsch" sind.

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Wer also diesen positivistischen Schrott glauben will, kann dies gerne tun. Wer jedoch an Physik interessiert ist, ist auch an Erklärungen interessiert. Diese liefern immer eine Antwort auf ein Warum - zwar nie die letztgültige und nie mit absoluter Sicherheit, jedoch nach bestem Wissen und Gewissen. Ich denke, das untermauert meine Aussage, dass die o.g. positivistischen Denkverbote und die angeblich agnostische Grundhaltung Quatsch sind.
Ich würde, was den Positivismus anbelangt, einen feinen Unterschied machen. Der Positivismus hat einen Dämpfer erlitten, als sich herausstellte, daß man Atome experimentell nachweisen und sogar sichtbar machen kann. Die Annahme in Unterschätzung künftiger technischer Möglichkeiten war, das wird nie möglich sein. Bei der Ablehnung der der VWI geht es aber nicht darum, sondern um die Realität akausaler Zweige, die prinzipiell nicht wahrnehmbar sind, völlig unabhängig von technischen Fortschritten. Das ist eine andere Geisteshaltung, die ich nicht dem Positivismus zuordnen würde.

Im übrigen ist für mich weder das eine noch das andere Quatsch, sondern Interpretation.
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Der Verstand schafft die Wahrheit nicht, sondern er findet sie vor - Aurelius Augustinus
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  #3  
Alt 26.08.18, 11:52
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TomS TomS ist offline
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Standard AW: Warum eine agnostische Sicht der Physik Quatsch ist

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Ich würde, was den Positivismus anbelangt, einen feinen Unterschied machen. Der Positivismus hat einen Dämpfer erlitten, als sich herausstellte, daß man Atome experimentell nachweisen und sogar sichtbar machen kann. Die Annahme in Unterschätzung künftiger technischer Möglichkeiten war, das wird nie möglich sein.
Dabei handelt es sich lediglich um ein spezielles Beispiel. Der Positivismus ist aber eine prinzipielle Grundhaltung, unabhängig von Einzelfällen. Und auch heute noch bezeichnen sich Physiker als Positivisten (Hawking war ein prominentes Beispiel)

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Bei derAblehnung der der VWI geht es aber nicht darum, sondern um die Realität akausaler Zweige, die prinzipiell nicht wahrnehmbar sind,
Erstens geht es mir nicht speziell um die VWI, und zweitens sind deren Zweige gerade nicht prinzipiell sondern lediglich praktisch unbeobachtbar (aber diese Diskussion gehört nicht hierher)
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  #4  
Alt 26.08.18, 12:38
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Standard AW: Warum eine agnostische Sicht der Physik Quatsch ist

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Wer jedoch an Physik interessiert ist, ist auch an Erklärungen interessiert. Diese liefern immer eine Antwort auf ein Warum - zwar nie die letztgültige und nie mit absoluter Sicherheit, jedoch nach bestem Wissen und Gewissen.
Erklärungen/Begründungen allein sind aber nicht ausreichend in der Naturwissenschaft und sind deshalb für viele Physiker vermutlich von untergeordneter Bedeutung oder sogar ganz vernachlässigbar.

Kannst du folgender Aussage von Roger Bacon zustimmen? (Hervorhebung von mir)

Zitat:
Über die Bedeutung der Erfahrung und des Experimentes sagte Bacon:[9]
„In den Naturwissenschaften kann man ohne Erfahrung und Experiment nichts Zureichendes wissen. Das Argument aus der Autorität bringt weder Sicherheit, noch beseitigt es Zweifel. [...] Mittels dreier Methoden können wir etwas wissen: durch Autorität, Begründung und Erfahrung. Die Autorität nützt nichts, wenn sie nicht auf Begründung beruht: Wir glauben einer Autorität, sehen aber nichts ihretwegen ein. Doch auch die Begründung führt nicht zu Wissen, wenn wir nicht ihre Schlüsse durch die Praxis (des Experiments) überprüfen. [...] Über allen Wissenschaften steht die vollkommenste von ihnen, die alle anderen verifiziert: Es ist das die Erfahrungswissenschaft, die die Begründung vernachlässigt, weil sie nichts verifiziert, wenn nicht das Experiment ihr zu Seite steht. Denn nur das Experiment verifiziert, nicht aber das Argument.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Roger_Bacon



Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Ich denke, das untermauert meine Aussage, dass die o.g. positivistischen Denkverbote und die angeblich agnostische Grundhaltung Quatsch sind.
Ist für dich die Sichtweise, dass das Messproblem kein Problem ist, sondern im Gegenteil eine Offenbarung, eine der grössten Erkenntnisse der Physik überhaupt, ein Beispiel für ein Denkverbot?
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  #5  
Alt 26.08.18, 14:34
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TomS TomS ist offline
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Standard AW: Warum eine agnostische Sicht der Physik Quatsch ist

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Erklärungen/Begründungen allein sind aber nicht ausreichend in der Naturwissenschaft ...
Richtig, das das habe ich auch nie behauptet.

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
...und sind deshalb für viele Physiker vermutlich von untergeordneter Bedeutung oder sogar ganz vernachlässigbar.
Sicher nein.

Hast du Physik studiert, Fachbücher gelesen, Vorlesungen und Seminare besucht, selbst Vorträge vor Experten gehalten, in kleinen Gruppen strittige Fragen und Modelle diskutiert, ...?

Erklärungen - präzise mathematische Erklärungen - sind fundamental in der theoretischen Physik und vermitteln essentielle Zusammenhänge. Und nur wenn diese Erklärungen in sich stimmig sind, wird dein Modell akzeptiert; andernfalls wirst du vom Auditorium und den anwesenden Experten zerlegt (dass deine Ansätze auch die Daten reproduzieren müssen versteht sich von selbst, das muss nicht extra erwähnt werden)

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Kannst du folgender Aussage von Roger Bacon zustimmen?
Im wesentlichen ja.

Bacon argumentiert pro Erfahrung, jedoch nicht contra ein mathematisches Modell. Bacon wusste nicht mal, was das sein soll. Seine Aussage
Zitat:
Über allen Wissenschaften steht die vollkommenste von ihnen, die alle anderen verifiziert: Es ist das die Erfahrungswissenschaft, die die Begründung vernachlässigt ...
trifft auf die moderne Physik nicht zu. Sie klammert die theoretische Physik vollständig aus, und sie wird nicht mal der Experimentalphysik gerecht, die ja nicht sinnlos irgendwelche Messungen durchführt, sondern die sich auch sehr konkret an der theoretische Physik orientiert, um deren Ergebnisse zu prüfen, zu testen, zu falsifizieren. Insofern sind Bacons Aussagen nicht falsch, jedoch ohne historischen Kontext auch nicht verständlich, und insbs. nicht außerhalb dieses Kontextes beliebig anwendbar.

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Ist für dich die Sichtweise, dass das Messproblem kein Problem ist, sondern im Gegenteil eine Offenbarung, eine der grössten Erkenntnisse der Physik überhaupt, ein Beispiel für ein Denkverbot?
Verstehe ich nicht.

Das Messproblem ist zunächst ein Problem, wie Theorie und Experiment zusammenpassen und wie wir dafür ein gemeinsames Verständnis entwickeln können. Eine positivistische Einstellung lautet, es gäbe kein Problem, weil Theorie und Experiment offenbar bzgl. der Daten zusammenpassen und weil jede weitere Diskussion nutzlos ist. Darüberhinaus kann und darf ich jedoch weitere Fragen stellen, z.B. möchte ich verstehen, wie ich ein quantenmechanisch konstruiertes Messgerät sowie die Messung vollständig und konsistent rein quantenmechanisch verstehen kann. Diese Fragestellung ist zunächst mal naheliegend, wird von der orthodoxen Quantenmechanik nicht beantwortet, und deswegen stellt das Messproblem tatsächlich ein zentrales Problem der Physik dar. Bohr et al. haben hier bzgl. des „und ...“ ein Denkverbot ausgesprochen, indem sie aufgrund einer positivistischen Grundeinstellung einen offensichtlich logischen Bruch als Scheinproblem ablehnten. Dem standen und stehen diverse Physiker wie Einstein, Schrödinger, de Broglie, Bohm, Everett, de Witt, Penrose, ... Zeh, Deutsch, Carroll, Saunders, ... zunehmend ablehnend gegenüber und haben alternative Erklärungen gesucht - beileibe nicht nur beschränkt auf Everett‘s Ideen sondern teilweise völlig unabhängig und anders geartet. Dass Bohr et al. sich dafür nicht interessierten ist nicht gleichbedeutend damit, dass kein physikalisches Problem existiert. Bohr war und ist nicht Vorsistzender der physikalischen Glaubenskongreation, hat nicht die alleinige Deutungshoheit was Physik ist und vertritt nicht Gott auf Erden - in physikalischen Fragen. Heute existiert eine in weiten Bereichen logisch abgeschlossene, rein quantenmechanische Erklärung, wie das Messproblem tatsächlich gelöst wird. Es ist legitim, sich nicht dafür zu interessieren, aber es ist anmaßend, zu glauben, man könne diese Lösungsansätze als unphysikalisch ablehnen. Das Messproblem ist ein essentielles Problem der modernen Physik, und gerade weil keine allgemein akzeptierte Lösung existiert, wäre es völliger Käse, es als Scheinproblem abzutun oder gar Denkverbote auszusprechen. Gerade an solchen „großen“ Probleme kann und wird sich ein Fachgebiet weiterentwickeln.

«Ich bin nicht damit zufrieden, daß man eine Maschinerie hat, die zwar zu prophezeien gestattet, der wir aber keinen klaren Sinn zu geben vermögen.»
(Einstein)

«Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job [interpreting quantum theory] was done 50 years ago.»
(Gell-Mann, 1969)
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Ge?ndert von TomS (26.08.18 um 15:57 Uhr)
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  #6  
Alt 26.08.18, 16:42
TheoC TheoC ist offline
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Pfeil AW: Warum eine agnostische Sicht der Physik Quatsch ist

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Insbs. nach Entwicklung der Quantenmechanik und im Zuge der Entstehung der positivistischen Denkrichtung wurde die philosophische Haltung populär, die Physik liefere lediglich ein Instrument zur Berechnung von Vorhersagen und Messergebnissen. Damit einher geht sehr häufig ein Denkverbot, die Physik könne oder dürfe nicht darüber sprechen, wie sich die Natur tatsächlich verhält, sondern müsse sich darauf beschränken, diese Instrumente zu Anwendung zu bringen.
Meine Bedenken dazu sind, das ein Verständnis der Modelle immer auch ein Verständnis des "Denkens an sich" erforderlich macht; wir können als Menschen nicht umhin in Kategorien wie "Dinge", "Eigenschaften" und "Vorgängen / Prozessen" zu denken, das sind unsere Vorstellungseinheiten, und die moderne (Quanten-)Physik hält sich nur sehr bedingt an diese Kategorien.

Meiner Meinung nach besteht ein Hauptproblem in den Interpretation, das wir automatisch wenn wir über Quantenobjekte sprechen, in der Kategorie "Ding" denken. (Meiner Meinung nach gibt es kaum etwas undinglichers wie ein Photon)

Dazu kommt das wir einfach nicht wissen, (aber immer annehmen das wir es exakt wissen) wie unser Bewusstsein überhaupt funktioniert.

So versuchen wir mit einer Sprache die untauglich ist (einfach weil ein mathematisch/physikalisches "Objekt" Photon keinerlei Entsprechung in unseren Denkkategorien hat) Modelle zu verbalisieren, und uns dabei "nicht rausdenken" können aus unseren Modellen. Wir haben aber kein Modell "von unserem Geist an sich", der interpretiert, sich etwas "vorstellt".

Das macht den Versuch die Welt aus der Sicht der Physiker zu beschreiben von vornherein anfällig, weil dazu müssten wir "das Denken an sich" aus dieser Beschreibung heraus extrahieren können, was so imho nicht geht.

Wir als Menschen mit unserer Art zu denken sind aber integraler Bestandteil aller Erklärungen, die über das mathematische Modell an sich hinausgehen, weswegen ein solches Modell imho viel mehr noch als die Mathematik erklären muss.

Macht die Sache scheinbar nicht einfach, aber ich bin überzeugt, das eine Erklärung der Quantenphysik als verständliches Modell, nur mit einer Erklärung von Dingen wie Wahrnehmung (eventuell auch Geist, Bewusstsein??) erfolgen kann.

Die VWI zB impliziert das unser Geist Teil des phyikalischen Modells ist, welches mit der Quantenphysik beschrieben wird, was so nicht gesichert ist. Das Modell wird so lange nicht als "Erklärung" taugen, solange es nicht erklären kann, warum ich mit meiner Wahrnehmung eine (sich gemäß Wahrscheinlichkeiten) zufällige Abfolge von Ereignissen erlebe; ob sie nun als mathematisches Modell schlüssig ist, oder nicht.


lg
Theo
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  #7  
Alt 26.08.18, 18:13
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Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Und nur wenn diese Erklärungen in sich stimmig sind, wird dein Modell akzeptiert; andernfalls wirst du vom Auditorium und den anwesenden Experten zerlegt ...
Nein, akzepiert wird, dass ich zuverlässige, experimentell überprüfbare Vorhersagen machen kann, egal wie.

Und genau in diesem Pragmatismus liegt der Erfolg der Naturwissenschaft begründet.



Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Verstehe ich nicht.

Das Messproblem ist zunächst ein Problem, wie Theorie und Experiment zusammenpassen und wie wir dafür ein gemeinsames Verständnis entwickeln können. Eine positivistische Einstellung lautet, ...
Ich ziehe mich, etwas provozierend, aus einer weiteren philosophischen Erörterung zurück (ich kann sowas nicht):


Sorry, ich kann in all den Sätzen, Wörtern und Namen keine konkrete Fragestellung finden.

Meine konkrete Frage lautet: Wo findet beim Doppelspaltexperiment der nächste Einschlag auf dem Detektorschirm statt.

Erkenntnis/Offenbarung : Eine Detailbetrachtung des Bereichs nach der Emission und vor der Detektion funktioniert nicht.

Halte ich mich noch jahrzehntelang - wider besseren Wissens - damit auf? Nein, ich suche mir einen anderen Weg, um eine Antwort auf meine Frage zu finden.
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  #8  
Alt 26.08.18, 18:28
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Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Zitat:
Und nur wenn diese Erklärungen in sich stimmig sind, wird dein Modell akzeptiert; andernfalls wirst du vom Auditorium und den anwesenden Experten zerlegt ...
Nein, akzepiert wird, dass ich zuverlässige, experimentell überprüfbare Vorhersagen machen kann, egal wie.
Sorry, nein, ganz falsch.

Ich habe Physik studiert und später in der theoretischen Physik in der Forschung gearbeitet. Ich habe andere theoretische Modelle kritisiert, und meine Modelle und Erklärungen sind diskutiert und teilweise abgelehnt worden.

Dass Modelle zuverlässige, experimentell überprüfbare Vorhersagen machen ist nicht das einzige Kriterium, sondern triviale Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt diskutiert werden. Darüberhinaus werden sie bzgl. ihrer internen Logik und Kohärenz bewertet und akzeptiert bzw. verworfen. Darüberhinaus werden viele Modelle und Ansätze diskutiert und verworfen, bevor sie soweit ausgearbeitet sind, um überhaupt experimentell überprüfbare Vorhersagen zu machen.

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Und genau in diesem Pragmatismus liegt der Erfolg der Naturwissenschaft begründet.
Auch, aber nicht nur.

Anfang der 90iger, d.h. ca. 20 Jahre nach der ersten Formulierung der QCD, haben wir in diversen Arbeitsgruppen davon abgeleitete Modelle, theoretische Verbesserungen sowie neue Methoden diskutiert, die zu einem besseren Verständnis führen sollten. Lange bevor wir uns experimentell überprüfbaren Vorhersagen zugewandt haben, haben wir uns auf die interne Logik und die Erklärungskraft unserer Modelle konzentriert.

Bitte glaube mir das, ich war dabei.

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Sorry, ich kann in all den Sätzen, Wörtern und Namen keine konkrete Fragestellung finden.
Ich stelle keine Frage sondern eine Behauptung auf und begründe meine Position.

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Meine konkrete Frage lautet: Wo findet beim Doppelspaltexperiment der nächste Einschlag auf dem Detektorschirm statt.
Aber doch nicht in diesem Thread.
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Ge?ndert von TomS (26.08.18 um 19:09 Uhr)
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  #9  
Alt 26.08.18, 18:52
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Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Meine Bedenken dazu sind, das ein Verständnis der Modelle immer auch ein Verständnis des "Denkens an sich" erforderlich macht; wir können als Menschen nicht umhin in Kategorien wie "Dinge", "Eigenschaften" und "Vorgängen / Prozessen" zu denken, das sind unsere Vorstellungseinheiten, und die moderne (Quanten-)Physik hält sich nur sehr bedingt an diese Kategorien.
Das denke ich nicht.

Allerdings benötigen wir natürlich einige Prämissen, insbs. die, dass unser Denken ein prinzipiell physikalisch und damit mathematisch beschreibbarer Vorgang ist.

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Meiner Meinung nach besteht ein Hauptproblem in den Interpretation, das wir automatisch wenn wir über Quantenobjekte sprechen, in der Kategorie "Ding" denken. (Meiner Meinung nach gibt es kaum etwas undinglichers wie ein Photon)
Ich betone stets, dass dies eben nicht der richtige Ansatz ist. Die Methode der theoretischen Physik ist die Mathematik, nicht die Alltagssprache und deren Kategorien. Demzufolge ist das, was ein Physiker unter „Photon“ versteht eben gerade nicht das „Ding“ unserer Erfahrungswelt, sondern das, was er mit mathematischen Konzepten zu fassen versucht.

Wenn in der Literatur und in diversen Foren ein anderer Eindruck entsteht, dann ist das bedauernswert, aber nicht im Kern das Problem, denn die Physiker sind sich dieser Problematik bewusst. Sie begehen jedoch teilweise den (groben) Fehler, in der Diskussion mit Laien eine zu sorglose und unpräzise Ausdrucksweise zu verwenden, die dann zu derartigen Problemen führt.

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Dazu kommt das wir einfach nicht wissen, (aber immer annehmen das wir es exakt wissen) wie unser Bewusstsein überhaupt funktioniert.
Ich denke nicht, dass Physiker in irgendeiner Form annehmen, sie wüssten exakt, wie unser Bewusstsein funktioniert. Sie nehmen jedoch - häufig implizit - an, dass es prinzipiell physikalischen, d.h. insbs. quantenmechanischen Regeln gehorcht und nicht losgelöst als „Seele“ oder eine andere nicht-physikalische Substanz funktioniert.

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
So versuchen wir mit einer Sprache die untauglich ist (einfach weil ein mathematisch/physikalisches "Objekt" Photon keinerlei Entsprechung in unseren Denkkategorien hat) Modelle zu verbalisieren, und uns dabei "nicht rausdenken" können aus unseren Modellen.
Das ist leider richtig.

Ich habe hier zig-fach den Versuch unternommen, bestimmte Themen mathematisch zu präzisieren; es will mir jedoch niemand dabei folgen. Die Diskussion dreht sich leider zu 99% um Begriffe und Interpretationen bzw. leider sogar Interpretationen von Interpretationen von Interpretationen.

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Das macht den Versuch die Welt aus der Sicht der Physiker zu beschreiben von vornherein anfällig, weil dazu müssten wir "das Denken an sich" aus dieser Beschreibung heraus extrahieren können, was so imho nicht geht.
Ich glaube persönlich nicht, dass die wesentliche Problematik der modernen Physik ist. Tatsache ist jedoch, dass es namhafte Forscher gibt, die es eher so sehen wie du.

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Wir als Menschen mit unserer Art zu denken sind aber integraler Bestandteil aller Erklärungen, die über das mathematische Modell an sich hinausgehen, weswegen ein solches Modell imho viel mehr noch als die Mathematik erklären muss.
Ich persönlich halte angesichts des enormen Erfolges der mathematischen Modelle die These für vernünftig - nicht für beweisbar - dass die Natur im Kern mathematisch strukturiert ist und deswegen letztlich trivialerweise mathematisch fassbar ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie vollständig mathematisch fassbar ist, weil dies voraussetzen würde, dass das mathematische System der Natur sich selbst erfassen müsste - und wir können mathematisch beweisen, dass dies für genügend komplexe Systeme nicht möglich ist.

Nehmen wir an, unser Universum wäre nichts weiter als ein Algorithmus. Dann wissen wir nach Gödel et al. sicher, dass dieser Algorithmus sich selbst nicht vollumfänglich erfassen, verstehen, konstruieren oder beweisen kann.

Dies eröffnet die faszinierende Möglichkeit, dass die Natur und das Universum ein mathematisches System darstellen, das prinzipiell vollumfänglich mathematisch fassbar ist, jedoch nicht mittels dieses System - und damit erst recht nicht mittels eines Subsystems wie unseres Gehirns.

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Macht die Sache scheinbar nicht einfach, aber ich bin überzeugt, das eine Erklärung der Quantenphysik als verständliches Modell, nur mit einer Erklärung von Dingen wie Wahrnehmung (eventuell auch Geist, Bewusstsein??) erfolgen kann.
Wie gesagt, ich sehe das anders, aber das ist eine persönliche Glaubensfrage.

Ich sehe die grundsätzlichen Probleme an einer anderen Stelle, aber das würde im Rahmen dieses Threads zu weit führen.
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Ge?ndert von TomS (26.08.18 um 19:02 Uhr)
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  #10  
Alt 26.08.18, 21:41
TheoC TheoC ist offline
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Zitat:
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...
Allerdings benötigen wir natürlich einige Prämissen, insbs. die, dass unser Denken ein prinzipiell physikalisch und damit mathematisch beschreibbarer Vorgang ist.
...

Ich denke nicht, dass Physiker in irgendeiner Form annehmen, sie wüssten exakt, wie unser Bewusstsein funktioniert. Sie nehmen jedoch - häufig implizit - an, dass es prinzipiell physikalischen, d.h. insbs. quantenmechanischen Regeln gehorcht und nicht losgelöst als „Seele“ oder eine andere nicht-physikalische Substanz funktioniert.
...

Nehmen wir an, unser Universum wäre nichts weiter als ein Algorithmus. Dann wissen wir nach Gödel et al. sicher, dass dieser Algorithmus sich selbst nicht vollumfänglich erfassen, verstehen, konstruieren oder beweisen kann.
Nicht sicher bin ich mir mit dem Axiom, dass Bewusstsein quantenmechanischen Regeln folgt, würde sagen der Beweis steht jedenfalls noch aus.

Ich folge mal der Argumentation, dass sich die Welt als solche mathematisch verhält, es hat ja auch den Anschein. Ich folge (zumindest für diesen Thread) auch dem Axiom dass unser Geist ein Teil dieser quantenmechanischen Welt ist, wie sie von der aktuellen Physik beschrieben wird.

Mein Thema mit „Erklärung“ durch konkret die VWI, ist, das der Zufall, welcher bei der KI als weiteres Axiom einfach zu EINEM bestimmten Kollaps führt, in der VWI nicht mehr Teil des Modells ist.

Die Frage „warum erlebe ich den Weltenlauf genauso wie ich ihm erlebe“- warum ist in meiner Erinnerung das Experiment „Spin Up“ ausgegangen, wird durch die VWI doch gar nicht mehr beantwortbar.

Wenn alle Möglichkeiten realisiert werden, ist der große Zufall der, in welchem „Pfad“ ich mich befinde. Ist das dann noch eine „physikalische Frage“, oder bereits eine Meta- Ebene?

Philosophisch ist dann die Frage wie die Welt beschaffen physikalisch erklärt, (weil eben alle möglichen Welten „erschaffen“ sind), aber es öffnet sich die philosophische Frage, warum ich mich in genau der Welt befinde, die nicht mehr physikalisch erklärt werden kann!

Das finde ich als „Erklärungsmodell“ für die Welt nicht sehr befriedigend.

Das meine ich, wenn ich schreibe, das für eine "Erklärung" das "ich" nicht einfach ausgelassen werden kann.
Müsst man zumindest deutlicher herausheben, was dann mit "Welt" überhaupt erklärt wird.



lg
Theo
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