|
Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker |
|
Themen-Optionen | Ansicht |
#211
|
|||
|
|||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
Hallo Hawkwind,
kurz zur Klarstellung: Zitat:
Zu dieser Klarstellung gehört, dass die Standard-QM sich im Laufe der Zeit gewandelt hat. Diesen Wandel kann man nicht an der Begrifflichkeit "Kopenhagener Deutung" ausmachen, sondern an den Postulaten. Die Standard-QM beruht heute in der Regel auf den Postulaten, die ich oben bereits angeführt hatte. Die Kopenhagener Deutung (KD1.0) beruht hingegen auf den reinen Messpostulaten (Postulate 2,3,4 der Standard-QM) mit der zusätzlichen Vorschrift, Messgeräte müssen klassisch beschrieben werden. (Ein gute Quelle ist hier: Pietschmann, "Quantenmechanik verstehen") Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß in der KD1.0 in der Tat keinerlei Bezug auf eine zu Grunde gelegten Quantenwelt genommen wird. In der Standard-QM gibt es ein minimalistisches Konzept: Ein Quantensystem befindet sich in einem Zustand, der durch eine Wellenfunktion beschrieben wird. Zu dieser Klarstellung gehört vor allem, daß nach rund 100 Jahren Quantenmechanik zumindest der Fachwelt klar sein sollte: Observable sind keine Eigenschaften des zu untersuchenden Quantensystems. Als mit dem Fach vertrauter Mensch darf man deshalb nicht schreiben: Zitat:
Einer Observablen kann man vor der Messung überhaupt keinen Wert zusprechen. Erst durch die Konfiguration der Messanordnung wird festgelegt, welche Observable gemessen wird. Für Laien sollte man dann fairerweise hinzufügen, dass Observable keine Eigenschaften des Elektrons sind sondern Resultat der Messwechselwirkung.
__________________
mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion |
#212
|
|||
|
|||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
Fortsetzung.
Zur Klarstellung gehört aber auch: Aus physikalischer Sicht sind derzeit die mindestens die KD1.0, die Standard-QM (KD2.0) und die BM konsistent und gleichwertig. Die Wahl steht dem Physiker also frei. Diese physikalischen Standpunkte sind aber zugleich mit erkenntnistheoretischen und philosophischen Standpunkten verbunden, die man mit der freien Wahl übernimmt und die man dann auch mit allen Konsequenzen zu vertreten hat.
__________________
mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion |
#213
|
||||
|
||||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
Zitat:
nicht nur Niels Bohr, sondern auch Wolfgang Pauli und Max Born haben ähnliche Aussagen gemacht, die man absolutistisch nennen könnte. Besonders Wolfgang Pauli hat sich hier hervor getan. Er kritisiert dabei die rückschrittlichen Bemühungen von Schrödinger, Bohm, Einstein und anderen. Max Born schreibt dazu auf Seite 143 seines Buches [1] folgendes: Zitat:
Mit freundlichen Grüßen Eugen Bauhof [1] Born, Max Physik im Wandel meiner Zeit. Braunschweig 1983. ISBN=3-528-08539-8
__________________
Ach der Einstein, der schwänzte immer die Vorlesungen – ihm hatte ich das gar nicht zugetraut! Hermann Minkowski |
#214
|
|||
|
|||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
"Kenntnisse, die keiner kennt, sind keine."Erwin Schrödinger, 1935
__________________
mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion |
#215
|
|||
|
|||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
Hallo Baufhof, hallo amc
Zitat:
Genau. Wolfgang Pauli lässt sich mit diesem Zitat nicht als Zeuge für die Ansichten a) Es gibt keine Quantenwelt b) Ψ-Funktion = mathematisches Tool c) Ψ = Wissen anführen.
__________________
mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion |
#216
|
||||
|
||||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
Hi!
Sorry, dass ich momentan nicht zeitnah antworten kann. Zitat:
Zitat:
Da will sich manch einer bsw. ein Elektron über ein makroskopisches Gebiet verschmiert sehen. Nicht nur bildhaft gesprochen. Wäre das bsw. korrekt? Gruß, Johann |
#217
|
|||
|
|||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
Zitat:
es ist auch meine Ueberzeugung, dass eine Rueckkehr zum "klassischen Stil" ein Irrweg, eine Traeumerei ist. Wenn man dieser Ueberzeugung ist, darf und muss man das natuerlich auch klar sagen. Allerdings ist es fahrlaessig, alle Tueren fuer einen, wie auch immer gearteten, zugrundeliegenden Realismus komplett zu verschliessen. Und diese "Hintertuer" hat Pauli in diesem Zitat ebenso zum Ausdruck gebracht: Zitat:
Fuer mich persoenlich findet sich dieses wissenschaftliche Vorgehen in besonderer Weise in einer entsprechenden Auslegung der Kopenhagener Interpretation (KI) wieder. Man sollte eben nur soweit versuchen zu gehen, wie man auch schauen kann. Fragen die offen sind, muessen offen bleiben. Wir koennen nicht sagen ob es eine Quantenwelt gibt, aber wir haben bisher keine zwingende Notwendigkeit erkennen koennen, von dieser auszugehen. Bisher spricht alles eher gegen einen zugrundeliegenden, durch die Wellenfunktion beschriebenen real existierenden, physikalischen Vorgang. Nach meinem Bild koennte man auch von einer liberalen Interpretation sprechen - alles kann, aber nichts ist bewiesen. "Bruecken-Interpretation" gefaellt mir auch sehr gut Man kann und muss in alle Richtungen denken, und diese Ueberlegungen muss man auch ernst nehmen, vielleicht liegen sie ja doch Richtig, aber fuer mich erscheint eine in dieser Form gemaessigte KI eine sehr sinnvolle Ansicht zu sein. Ob wir die "Lebensvorgaenge", von denen Pauli sprach, wohl je verstehen werden? Wie leicht zu verstehen waere die welt doch ohne uns mittendrin. Aber sinnlos, irgendwie sehr sinnlos. Schoenes Wochenende, AMC |
#218
|
|||
|
|||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
Zitat:
ueber solche Fragen muss man wohl einfach (noch) schweigen. Scheint mir ein wenig zu sein, als wuerde das Elektron sagen: Du sollst dir kein Bild von mir machen. Gruesse, AMC |
#219
|
|||
|
|||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
Hallo amc,
Zitat:
Ich weiss nur, was dafür spricht: Das Prinzip der Energieerhaltung. In der Quantenmechanik, einer Theorie über die Bewegungsgesetze von Mikroobjekten (v<<c), ist es da nicht anders als in der klassischen Mechanik, einer Theorie über die Bewegung von Makroobjekten (v<<c). Allgemein ausgedrückt: Damit sich ein Objekt aus dem Quellgebiet A in das Quellgebiet B bewegt, bedarf es zunächst einer potentiellen Energie in A gegenüber B. Diese potentielle Energie wird durch die Bewegung von A nach B übertragen und dort letztlich in andere Energieformen umgesetzt. In dieser Allgemeinheit gibt es keinen Unterschied zwischen klassischer und Quantenmechanik. Die Schrödinger-Gleichung ist nicht nur zur Information von Physikern eine Energiegleichung. Um aus ihr für einen konkreten Fall die Wellenfunktion zu berechnen, macht man ja nichts anderes als zunächst eine Energiebetrachtung für eine analoge klassische Situation anzustellen und diese mittels Quantisierungsvorschriften in die Quantenmechanik zu übersetzen. Danach hat man dann den energetischen Zustand des Quantenobjektes. Dessen weitere Entwicklung ist ein vollkommen deterministischer Prozess, der leicht an Hand der Wellenfunktion berechnet werden kann. Da gibt es nichts geheimnisvolles. Das Geheinmissvolle ergibt sich nur, wenn man klassische Vorurteile hat und sich Quantenobjekte als punktförmige "Teilchen" imaginiert und ihnen Eigenschaften andichtet, die sie nach der Theorie garnicht haben können.
__________________
mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion |
#220
|
|||
|
|||
AW: Konsequenze der Quantenmechanik
Nachtrag.
Die wesentlichen Grundlagen für die mathematisch strenge Formulierung der Quantenmechanik wurden im Jahr 1932 durch John von Neumann formuliert. Demnach lässt sich ein physikalisches System allgemein durch drei wesentliche Bestandteile beschreiben: Seine Zustände, seine Observablen und seine Dynamik (das heißt durch seine zeitliche Entwicklung). In der Standard-QM wird eindeutig mit dem ersten Postulat festgestellt: Ein quantenmechanisches System wird vollständig durch seinen Zustand beschrieben. Observable hat demzufolge das zu betrachtende System nicht. Alle Versuche, den quantenmechanischen Zustand zu messen sind bisher auch gescheitert. Daraus den philosophischen Schluss zu ziehen, dieser Zustand habe keine Entsprechung in der Natur, ist nicht nur philosophisch zweifelhaft, sondern auch physikalisch, da mit dem Energieerhaltungsprinzip unvereinbar. Sofern in der Standard-QM von Observablen die Rede ist, beziehen diese sich stets auf den Messprozess und sind daher die Observablen des gemeinsamen Zustandes von Quantenobjekt und Messgerät. Dies ist nach 1932 (s.o.) lang und breit erörtert worden. Die genaue Dynamik dieses Prozesses wird in der Standard-QM nicht betrachtet; sie wird per Postulat als unhinterfragbarer Fakt vorausgesetzt. Im Rahmen der Standard-QM lässt sich jedoch eine ungefähre Vorstellung gewinnen. Sobald das Quantenobjekt mit dem Messgerät in Berührung kommt, verschränken sich die Zustände beider zu einem gemeinsamen Zustand. Wir haben es also mit einem neu entstandenen System zu tun. Dieses hat eine neue Dynamik, die wesentlich eine Kombination der Dynamik des ursprünglichen Quantenobjektes und der Messdynamik ist. Die Gleichung dafür lässt sich aufstellen. Diese zeigt uns zunächst eine Überlagerung aller möglichen Messwerte. Nun kommt der objektive Zufall ins Spiel und verwandelt eine der Möglichkeiten in einen eindeutigen Messwert. Die Gleichung des verschränkten Zustandes wandelt sich daher in eine logische Wenn-dann-Beziehung. Zum weiteren Verständnis sollte man sich auch mit dem physikalischen Energiebegriff beschäftigen. Demzufolge ist Energie die Möglichkeit, irreversibel zu wirken. Ferner sollten einem die Energieflussbetrachtungen aus der Elektrodynamik (Stichwort Pointing-Vektor) geläufig sein. Betrachtet man die QM unter diesem Aspekt, dann beschreibt die Wellenfunktion die Ausbreitung von Möglichkeiten, irreversibel zu wirken; und ihr Absolutquadrat beschreibt die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses. Nun kann man geneigt sein, die Ausbreitung von Möglichkeiten als physikalisch nicht real anzusehen. Dagegen spricht jedoch, dass diese Möglichkeiten durch Einsatz unzweifelhaft real existierender makroskopischer Objekte beeinflusst werden kann. Sehr eindrucksvoll ist hier der sogennante Bombentestversuch.
__________________
mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion |
Lesezeichen |
|
|