Quanten.de Diskussionsforum  

Zur?ck   Quanten.de Diskussionsforum > Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik

Hinweise

Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 16.08.18, 22:47
Bernhard Bernhard ist offline
Moderator
 
Registriert seit: 14.06.2017
Beitr?ge: 2.649
Standard AW: Vorschlag zur VWI

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Eine ontologische Auffassung des Formalismus besagt darüberhinaus, dass die mathematische Struktur eine zutreffende Beschreibung der tatsächlich existierenden Realität ist.
Danke. Genau so ist es gemeint. Dass man Superpositionen innerhalb der QM zwingend benötigt, soll nicht in Frage gestellt werden. Die Frage ist vielmehr, ob so etwas in der makroskopischen Welt unmittelbar erfahrbar ist, was ich bezweifle.
__________________
Freundliche Grüße, B.
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 17.08.18, 08:57
Timm Timm ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 26.03.2009
Ort: Weinstraße, Rheinld.Pfalz
Beitr?ge: 3.176
Standard AW: Vorschlag zur VWI

Zitat:
Zitat von Bernhard Beitrag anzeigen
Die Frage ist vielmehr, ob so etwas in der makroskopischen Welt unmittelbar erfahrbar ist, was ich bezweifle.
Kein VWI ler behauptet, daß sich eine Billiardkugel erfahrbar in einer Superposition befindet, obwohl es tatsächlich so ist.

Zitat:
Zitat von Bernhard Beitrag anzeigen
Das ist mir zu ungenau. In der Realität der Experimente liegt nach einer Messung genau ein Messwert vor und genau den muss eine vollständige Theorie liefern. Unter welchen Bedingungen es so eine Theorie prinzipiell geben kann, soll Gegenstand dieses Themas sein.
Wenn ich Dich richtig verstehe, sagt diese vollständige Theorie weiterhin die Superposition Spin up + Spin down voraus. Soll sie denn nun vorhersagen, welche dieser beiden Möglichkeiten bei der Messung ohne Kollaps realisiert wird? Wo bleibt dann die nicht realisierte Messung, die Superposition existiert ja noch?

Nach meinem oberflächlichem Eindruck möchtest Du eine KI ohne Kollaps, verbunden mit der Vorhersage, welche der Möglichkeiten bei der Messung realisiert wird. - Aber ich kann Dich auch völlig missverstanden haben.
__________________
Der Verstand schafft die Wahrheit nicht, sondern er findet sie vor - Aurelius Augustinus
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 17.08.18, 09:21
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Vorschlag zur VWI

Zitat:
Zitat von Bernhard Beitrag anzeigen
Danke. Genau so ist es gemeint. Dass man Superpositionen innerhalb der QM zwingend benötigt, soll nicht in Frage gestellt werden. Die Frage ist vielmehr, ob so etwas in der makroskopischen Welt unmittelbar erfahrbar ist, was ich bezweifle.
Es sind jedoch zwei unterschiedliche Fragestellungen, ob etwas erfahrbar ist, oder ob es tatsächlich existiert. Ersteres ist eine epistemische Frage, letzteres eine ontologische.

Dass makroskopische Superpositionen - zumindest bisher - nicht erfahrbar sind, ist offensichtlich klar. Ob sie demnach nicht existent sind, ist eine andere - und zunächst auf Basis von Beobachtungen nicht beantwortete - Frage. Ob die erfahrbare mit der tatsächlich real existierenden Welt übereinstimmen muss, oder ob erstere nur eine kleine Untermenge darstellt, ist ebenfalls offen. Everett sagt jedenfalls voraus, dass letzteres der Fall ist, d.h. es existieren grundsätzlich unbeobachtbare Entitäten, und gemäß der Dekohärenz verstehen wir quantitativ, warum dies der Fall ist.

Dass eine physikalische Theorie Phänome korrekt beschreiben muss, steht außer Frage. Ob eine Theorie auch einen ontologischen Anspruch haben darf, eine völlig andere. Ich denke, die Physiker stimmen darin überein, dass eine Theorie nicht zwingend einen ontologischen Status haben muss; sie stimmen jedoch nicht darin überein, ob sie einen solchen haben darf.

Bohr - als Instrumentalist - hat einen ontologischen Status der Quantenmechanik abgelehnt und hatte als solcher auch keine Probleme mit dem unzureichenden und in sich unlogischen Axiomensystem der orthodoxen Quantenmechanik, da sich dessen Probleme insbs. dann zeigen, wenn man sie ontologisch auffassen möchte. Bohr war zufrieden mit der korrekten Vorhersage von Messergebnissen.

Es gibt Physiker, die ich eher der „platonischen Philosophie“ zuordnen würde, z.B. Penrose, die dies anders sehen, und für eine Theorie die tatsächlich existierenden Entitäten strukturell zutreffend beschreibt, die also tatsächlich einen ontologischen Anspruch vertreten. Im Umfeld der Quantenmechanik tut dies insbs. Deutsch; er hat auch sehr starke Argumente, warum die rein instrumentalistische Oosition, es ginge ausschließlich um die Vorhersage von Beobachtungen und nicht um das Verständnis dessen, was real existiert, letztlich großer Käse ist und warum die Physiker, die meinen, diese Position zu vertreten, das lediglich noch nicht zu Ende gedacht haben; sie würden sonst erkennen, dass es Käse ist. Folgt man Deutsch, so gelangt man zu dem Schluss, dass es letztlich nur zwei Lager gibt, nämlich die „Realisten“ bzw. „Platoniker“, sowie die „shut-up-aber-calculate Fraktion“, wobei letztere ihre Position jedoch philosophisch nicht schlüssig vertreten kann.

Im Zuge der Diskussion um Everett ist es demnach zunächst durchaus eine sinnvolle Ausgangsposition, zuzulassen, dass die Theorie einen ontologischen Status haben kann. Man kann dies persönlich ignorieren, jedoch nicht logisch ausschließen. Darüberhinaus ist es jedoch logisch unbefriedigend, der Theorie den ontologischen Status auf Basis sehr eingeschränkter makroskopischer Beobachtungen abzusprechen. Es gibt kein logisch konsistentes Argument, demzufolge ich die reale Existenz der Zweigstruktur, deren mathematische Struktur ich formal eindeutig und unumstritten aus der Theorie ableiten kann, aufgrund der Phänomene und Beobachtungen ablehnen kann; es handelt sich um eine persönliche Glaubensfrage ohne logischen Gehalt.

Letztlich kenne ich genau zwei Argumente, warum die ontologischen Konsequenzen der Everettschen Quantenmechanik abgelehnt werden:
1) „eine physikalische Theorie muss phänomenologisch zutreffend sein - und muss darüber hinaus nicht weitere, ontologischen Aussagen treffen“
2) „aber das kann doch nicht wahr sein“

Zu (1): der erste Teil der Aussage ist unumstritten, der zweite auch; häufig wird das „muss nicht“ in ein „darf nicht“ uminterpretiert; das ist jedoch logisch nicht begründbar
Zu (2): das ist natürlich kein sinnvolles Argument; die Exustenz der Zweige abzulehnen, weil ich sie nicht mag, ist Geschmacksache; darauf muss man nicht weiter eingehen.
__________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 17.08.18, 09:51
Bernhard Bernhard ist offline
Moderator
 
Registriert seit: 14.06.2017
Beitr?ge: 2.649
Standard AW: Vorschlag zur VWI

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Zu (2): das ist natürlich kein sinnvolles Argument; die Exustenz der Zweige abzulehnen, weil ich sie nicht mag, ist Geschmacksache; darauf muss man nicht weiter eingehen.
Dahinter verbirgt sich bei mir natürlich noch ein grundlegender Glaube an die Energieerhaltung. Ganz so abwegig ist das Argument also nicht, wenn man diesen als bekannt voraussetzt. Es muss zumindest erlaubt sein, nach alternativen Erklärungen zu suchen . Ein "Vogel friss und stirb'" gibt es bei mir diesbezüglich nicht.
__________________
Freundliche Grüße, B.

Ge?ndert von Bernhard (17.08.18 um 10:00 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 17.08.18, 10:00
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Vorschlag zur VWI

Zitat:
Zitat von Bernhard Beitrag anzeigen
Dahinter [die Existenz der Zweige abzulehnen, weil ich sie nicht mag ...] verbirgt sich bei mir natürlich noch ein grundlegender Glaube an die Energieerhaltung.
Wie kommst du darauf, dass die Energie im Rahmen der Everettschen Quantenmechanik nicht erhalten wäre?!

Sie ist trivialerweise erhalten:

U(t) = exp[-iHt]

[U,H] = 0

http://frankwilczek.com/2013/multiverseEnergy01.pdf

Zitat:
Zitat von Bernhard Beitrag anzeigen
Es muss zumindest erlaubt sein, nach alternativen Erklärungen zu suchen.
Natürlich.
__________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (17.08.18 um 10:03 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 17.08.18, 10:04
Bernhard Bernhard ist offline
Moderator
 
Registriert seit: 14.06.2017
Beitr?ge: 2.649
Standard AW: Vorschlag zur VWI

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Sie ist trivialerweise erhalten:
Gutes Argument. Das hatte ich übersehen. Danke.

EDIT: Das zeigt aber auch recht deutlich, dass die physikalische Bedeutung der "Zweige" der VWI konsistent zu den Regeln der QM (ohne Kollpas) erklärt werden muss, bzw. können sollte.
__________________
Freundliche Grüße, B.

Ge?ndert von Bernhard (17.08.18 um 10:34 Uhr)
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beitr?ge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anh?nge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beitr?ge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 03:55 Uhr.


Powered by vBulletin® Version 3.8.8 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
ScienceUp - Dr. Günter Sturm