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  #21  
Alt 19.04.15, 12:19
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TomS TomS ist offline
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Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Joachim, weitgehende Zustimmung, auch zur Stringhypothese.
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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  #22  
Alt 19.04.15, 12:56
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TomS TomS ist offline
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Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Hier zwei interessante Quellen von absoluten Experten.

******

Ich verfolge seit Jahren die jährlichen String-Konferenzen. 2009 hat David Gross, einer der maßgeblichen Forscher auf dem Gebiet der Stringtheorie, einen Plenarvortrag zu Status und offenen Punkten gehalten. Der Vortrag ist einigermaßen kritisch bzgl. des Forschungsgebietes und für mich ein Meilenstein.

http://strings2009.roma2.infn.it/tal..._Strings09.pdf
http://www.ift.uam.es/strings07/040_...nces/gross.pdf

Die wesentlichen Punkte:

WHAT IS STRING THEORY?
This is a strange question since we clearly know what string theory is to the extent that we can construct the theory and calculate some of its properties. However our construction of the theory has proceeded in an ad hoc fashion, often producing, for apparently mysterious reasons, structures that appear miraculous. It is evident that we are far from fully understanding the deep symmetries and physical principles that must underlie these theories. It is hoped that the recent efforts to construct covariant second quantized string field theories will shed light on this crucial question.

We still do not understand what string theory is.
We do not have a formulation of the dynamical principle behind ST. All we have is a vast array of dual formulations, most of which are defined by methods for constructing consistent semiclassical (perturbative) expansions about a given background (classical solution).

What is the fundamental formulation of string theory?

WHAT IS MISSING ?
Perhaps “String theory” is like quantum field theory - a framework and not a definitive theory.
Perhaps we are missing a fundamentally new principle of symmetry, of dynamics, of consistency, .... that leads to a unique solution --- not a “vacuum” but a space-time, a cosmology.



******

Dann gibt es eine sehr empfehlenswerte Webseite von Urs Schreiber, auf der auch kritische Aussagen zum ggw. Status zu finden sind.

http://ncatlab.org/nlab/show/string+...akePredictions

Die wesentlichen Kritikpunkte:

While the string perturbation series is a well-defined expression analogous to the Feynman perturbation series, by itself it lacks a conceptual property of the latter: the Feynman perturbation series is known, in principle, to be the approximation to "something", namely to the corresponding complete hence non-perturbative quantum field theory. The idea is that the string perturbation series is similarly the approximation to something, to something which would then be called non-perturbative string theory, but that something has not been identified.

...

Therefore if the qualification “perturbative”/“non-perturbative” is suppressed, then the term “string theory” is quite ambiguous and has frequently led to misunderstanding. Perturbative string theory is a well defined and formally suggestive variant of established perturbation theory in QFT. Non-Perturbative string theory on the other hand is a hypothetical refinement of this perturbative theory of which there are maybe some hints, but which by and large remains mysterious, if it exists at all.

...

There are various hints ... that all perturbative superstring theories ... have a joint strong coupling non-perturbative limit whose low energy effective field theory description is 11-dimensional supergravity and which reduces to the various string theories by Kaluza-Klein compactification on an orientifold torus bundle, followed by various string dualities. Since the string itself is thought to arise from a membrane/M2-brane in 11-dimensions after double dimensional reduction this hypothetical theory has been called “M-theory” short for “membrane theory”; e.g. in Hořava-Witten 95:

"As it has been proposed that the eleven-dimensional theory is a supermembrane theory but there are some reasons to doubt that interpretation, we will non-committally call it the M-theory, leaving to the future the relation of M to membranes."

The “reasons to doubt” that interpretation is that the M2-brane certainly does not support a perturbation theory the way that the superstring does. This is part of the reason why the actual nature of “M-theory” remains mysterious.

...

As mentioned before, there is the idea that perturbative string theory is indeed the perturbative approximation to an as-yet unknown non-perturbative string theory. To the extent that this is true, the dependence of the string perturbation series on the choice of “background” should be of the same superficial nature as it is for traditional perturbative QFT. But this remains a conjecture.


(Hervorhebungen von mir)

******

Im Folgenden einige Stichpunkte zu meinem ggw. Verständnis der Theorie

Kritik:
- hintergrundabhängig (*)
- nicht für beliebige (insbs. dynamische) Raumzeiten formulierbar
- ggw. nicht fundamental und umfassend formulierbar
- fundamentale Freiheitsgrade nicht bekannt (es gibt nicht "den String")
- evtl. handelt es sich um keine fundamentale sondern eine "effektive" Theorie
(*) siehe jedoch AdS/CFT; jedoch nicht vollumfänglich, sondern nur in Spezial- / Grenzfällen; insbs. nicht für dS und andere Geometrien

Erkenntnis:
- keine einzelne Theorie, sondern ein Konstruktionsprinzip bzw. Meta-Theorie
- enthält die Gravitation
- statt eines Zoos von Theorien folgt eher ein Zoo von Lösungen (Landscape **)
(**) evtl. wie verschiedene Lösungen des Standardmodells
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  #23  
Alt 19.04.15, 14:50
RoKo RoKo ist offline
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Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Hallo TomS,
Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Zitat:
M.E. könnte man es mal mit einem weniger strittigen 4.Axiom:
"Es gelten die Erhaltungssätze für Energie und Ladung" versuchen.
..Ich kenne das nicht als Axiom. Erhaltungssätze folgen aus dem Noether-Theorem. ..
Richtig - Erhaltungssätze folgen aus dem Noether-Theorem. Ausserdem haben sie sich empirisch bewährt. Genau deshalb ist es gerechtfertigt, sie als 4.Axiom in die QM einzuführen. Alternativ könnte man auch sagen, dass die Erhaltungssätze aus den physikalischen Theorien folgen, die der QM vorangegangen sind und als Randbedingung erfüllt sein müssen.
Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
..Zunächst mal ist da Gleason's Theorem, das besagt, dass auf einem Hilbertraum genau ein Wahrscheinlichkeitsmaß existieren kann, und zwar genau die Bornsche Regel. ..
Man lernt immer wieder dazu. Gleason's Theorem war mir bisher nicht bekannt. In Standard-Lehrbüchern kann man auch nichts darüber lesen, obwohl (laut Wikipedia) Gleason dies schon 1957 veröffentlicht haben soll.
Die Existenz dieses Theorems stützt aber nun nicht die Viele-Welten-Theorie, sondern zeigt lediglich, dass ein Postulat der Bornschen Regel ncht benötigt wird. M.E. folgt nämlich auch aus Glaeson's Theorem, dass man die Wahrscheinlichkeitsgleichung (Gleichung der Dichtematrix) als "gewichtete" Boolsche Gleichung lesen muss. Dekohärenz erklärt, warum in dieser Glechung die Interferenztherme nicht beachtet werden müssen. Folglich, so meine Vermutung, haben wir es nicht mit der Superposition von gleichwertigen Wellen, sondern von einer effektiven Welle und vielen ineffektiven Wellen zu tun.
Am einfachsten einzusehen ist dies, wenn man das Verhalten eines Lichtquantes an einem Strahlteiler in Verbindung mit dem Elitzur-Vaidmann-Versuch betrachtet. Am Strahlteiler teilt sich die Welle zufällig in eine effektive und eine ineffektive Welle auf, ohne dass sich das betrachtete System aufteilt. Beide Wellenteile bleiben miteinander verschränkt. Jede lokale Störung ist daher stehts eine Störung des Gesamtsystems.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover

Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion
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  #24  
Alt 19.04.15, 15:54
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TomS TomS ist offline
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Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Die Einführung der Erhaltungssätze als Axiom halte ich für verfehlt.

Die Axiome der QM besagen, dass
1) ein separabler Hilbertraum vorliegt, in dem physikalische Zustände durch eindimensionale Unterräume beschrieben werden
2) physikalische Observablen mittels selbstadjungierter Operatoren beschrieben werden
3) die Zeitentwicklung eines Systems aus U(t) = exp(-iHt) folgt; bzw. äquivalent der Schrödingergleichung folgt
(dazu käme noch das Projektionspostulat, das die orthodoxe QM von der Everettschen unterscheidet)

Erhaltungssätze folgen nur dann, wenn H eine entsprechende Symmetrie aufweist, d.h. wenn eine Observable Q existiert, so dass [H,Q] = 0 ist. Daraus folgt die Symmetrie von H unter V(s) = exp(-iQs), die Zeitunabhängigkeit bzw. Erhaltung von Q, also dQ/dt = 0, sowie die Existenz von (unter Zeitentwicklung erhaltenen) Quantenzahlen entsprechend der Darstellungen von Q.

Aber das alles gilt nur, wenn ein derartiges Q existiert. Ein Axiom für Erhaltungssätze, dass also ein spezielles Q (für ein spezielles H) existieren muss, halte ich i.A. für sinnlos.


Zu Gleason's Theorem: es zeigt lediglich, dass wenn man ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf einem Hilbertraum einführen will, dies zwingend entsprechend der Bornschen Regel erfolgen muss. Es besagt nicht, dass man dies tun muss und wie man dies physikalisch interpretieren soll. Alles was ich sagen wollte, war lediglich, dass das Projektionspostulat wohl nicht fundamental ist.

Ein Problem bleibt dennoch:
i) entweder muss man ein viertes Axiom setzen, sei es nun das Projektionspostulat oder ein anderes,
ii) oder man muss die Bornsche Regel (nicht das Projektionspostulat!!) aus den ersten drei Axiomen ableiten (zumindest als Näherung für makroskopische Systeme).
Letzteres verfolgen Vertreter der VWI (wobei ich nur feststellen kann, dass die angeblichen Beweise der Bornschen Regel angeblich unvollständig oder zirkulär sind; ich habe die Argumente jedoch nicht im Detail durchgearbeitet und kann dies selbst nicht beurteilen).

Es ist natürlich nicht offensichtlich, wie aus den ersten drei Axiomen ohne jegliche Wahrscheinlichkeit folgen soll, dass unsere Wahrnehmung und unser Messergebnisse effektiv einer von Wahrscheinlichkeiten dominierten Dynamik folgen, obwohl auf fundamentaler Ebene ausschließlich deterministische Gesetze existieren. Die Einführung als Axiom erscheint mir extrem unbefriedigend zu sein.

Ein weiterer Aspekt ist der Hartle-Frequency-Operator (mittels dem man jetzt auch in Richtung einer statistischen Interpretation argumentieren könnte).
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Ge?ndert von TomS (20.04.15 um 07:27 Uhr)
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  #25  
Alt 19.04.15, 22:13
TheoC TheoC ist offline
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Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Hallo Leute,

ich bin aufgrund des aktuellen Verlauf des Threads echt beeindruckt welches Ausmass mein Nichtwissen hat. Ein aus meiner Sicht wissenschaftstheoretischer Thread zeigt mir im Detail (dem Verlauf der Diskussion) dass ich hier als Nicht- Physiker einfach nicht in der Lage bin mir eine Meinung zu bilden.

Ich kann mit Eugen Bauhofs streng formalen Ansatz nach Popper, Theorie muss Beweisbar sein, sehr gut, ob es hier zusätzlicher sprachlicher Definition bedarf ist in der Sache auch nicht wirklich relevant.

Ich wollte nur darauf hinweisen, dass imho ein zentraler Aspekt schon der "zusätzliche Erkenntnisgewinn" sein muss.

Und damit meine ich nicht irgend welche philosophischen Erkenntnisse, sondern einfach pragmatisch nach Popper "Vorhersagen" die "Messbar" sind, die sich aus bisherigen Theorien nicht ableiten lassen.

Ich dachte bisher das die VWI keine solche zusätzlichen Aussagen treffen kann, und die Stringtheorie, zumindest theoretisch, schon.

Die "Sonderstellung" der Stringtheorie hätte ich nur deswegen eingeräumt, weil diese nie in den Status der Hypothese kommen kann (weil die ursächlichen Behauptungen grundsätzlich ausserhalb der Messbarkeit liegen) aber sehr wohl in den Status einer Theorie, sollte es gelingen das Ding durchgängig zu formulieren.

Es muss ja nicht gleich die "Komplett- Theorie" sein, es wäre ja schon mal was, wenn damit zB grundlegende Eigenschaften von Elemtarteilchen berechnet werden können, die bisher als "gegeben" hingenommen werden müssen.

Da ich auf dem Niveau der aktuellen Diskussion nicht mitreden (mitdenken) kann, hätte ich die Bitte ob mit meine Fragen möglichst allgemein verständlich beantwortet werden können.

Frage 1: Sind aus der VWI zusätzliche Erkenntnisse ableitbar, die auf Basis des Standardmodells nicht ableitbar sind?

Frage 2: Gibt es die "berechtigte Hoffnung" das es aus der Stringtheorie solche zusätzlichen Erkenntnisse geben kann.

Nachdem es wie bei allen Dingen auch um das "schnöde Geld" geht, und indirekt auch um "gesellschaftliche Akzeptanz" finde ich es durchaus wichtig, dass komplexe Probleme allgemein verständlich formuliert werden können.

Die Diskussion um die Wissenschaftlichkeit von bestimmten Forschungsthemen wird je letztendlich auch nicht in der Gemeinde der Physiker alleine geklärt.

lg
Theo

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  #26  
Alt 19.04.15, 23:06
Herr Senf Herr Senf ist offline
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Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Bei "Frage 1" verstehe ich die Diskussion auch nicht, lang ist's her.
Damals hat man die minimalistische Interpretation aus der Grundgleichung w(i,A,Ψ)=|<λ_i|Ψ|² genommen.
Man nimmt halt nur das, was im Experiment auch brauchbar ist, und bisher sind alle experimentellen Daten erklärbar.
Warum versucht man Überinterpretationen, die zwar schön und klug klingen, aber keinen Mehrwert bringen.
War doch immer ein Fall für Ockham, löst bei Laien die wundersamsten Vorstellungen von der Welt aus.
Das sind nur ausgedachte Vorstellungen (so schreibt man Opern) und keine empirischen Fakten aus der echten Welt.

Grüße
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  #27  
Alt 20.04.15, 01:31
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JoAx JoAx ist offline
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Daumen hoch AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
... welches Ausmass mein Nichtwissen hat.
So etwas muss man loben. Passiert echt selten, dass Leute zu sich selbst, und nicht nur zu den "anderen" kritisch sind.

Bei mir ist es auch so. Im Moment erkenne ich erkenne mein "Leientum" immer mehr.

Alles IMHO ->

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Frage 1: Sind aus der VWI zusätzliche Erkenntnisse ableitbar, die auf Basis des Standardmodells nicht ableitbar sind?
So, wie ich das sehe, besteht der Vorteil der VWI darin, dass sie die Frage danach, was eine "Messung" ist, was dabei passiert/abläuft nicht "postulativ" schliesst, so, wie es bsw. die "Kopenhagener" tut. Und damit ergibt sich ein Forschungsprogramm, mit dem sich die Dekohärenz beschäftigt.

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Frage 2: Gibt es die "berechtigte Hoffnung" das es aus der Stringtheorie solche zusätzlichen Erkenntnisse geben kann.
Das ist so eine Frage ...
Schau mal in meine Signatur. Ich schätze, man müsste schon fast an Ende sein, um so eine Frage beantworten zu können. Wenn ein Bereich der Physik gründlich erforscht ist, dann sieht es logisch und einfach aus, aber auf der vordersten Front tappt man halt meistens im Dunkeln, und weiss im besten Fall, welche Richtung definitiv falsch wäre.

Wass Popper & Co. angeht, so denke ich, dass sie sich auch den Tatsachen stellen müssen, sich an der Realität messen. Und da könnte man sich schon fragen, ob ihre Formulierungen nicht auch einen begrenzten Gültigkeitsbereich haben, so wie z.B. die physikalischen Theorien.
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Gruß, Johann
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Eine korrekt gestellte Frage beinhaltet zu 2/3 die Antwort.
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  #28  
Alt 20.04.15, 02:11
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Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Servus und willkommen!

Zitat:
Zitat von Herr Senf Beitrag anzeigen
Warum versucht man Überinterpretationen, die zwar schön und klug klingen, aber keinen Mehrwert bringen.
Weil der Übergang von mikro zu makro immer noch nicht gelingen will. (?)

Zitat:
Zitat von Herr Senf Beitrag anzeigen
War doch immer ein Fall für Ockham,
Ich habe das "Gefühl", dass Ockham oft erst eingesetzt werden kann, wenn man "vorher" schon weiss, wo zu schneiden ist.
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Gruß, Johann
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E0 = mc²
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  #29  
Alt 20.04.15, 06:55
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Standard AW: Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode

Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Frage 1: Sind aus der VWI zusätzliche Erkenntnisse ableitbar, die auf Basis des Standardmodells nicht ableitbar sind?
Du vergleichst in deiner Frage Äpfel mit Birnen. Du musst die VWI mit der orthodoxen QM vergleichen. Erstere setzt ein Axiom weniger an, sie verzichtet nämlich auf das Projektionspostulat. D.h. rein wissenschaftstheoretisch, nach Ockham ist sie einfacher, d.h. der orthodoxen QM vorzuziehen, wenn sie stattdessen mathematisch in der Lage ist, zu erklären, warum die Bornsche Regel im Zuge von Messungen anwendbar ist. Der Anspruch der VWI besteht also darin, das Messproblem aus den Axiomen (1 - 3) heraus zu lösen, während die orthodoxe QM das Messproblem mit dem Axiom 4 sozusagen "wegzaubert"; wobei Axiom 4 im Widerspruch zu Axiom 3 steht, was die orthodoxe QM nicht vernünftig erklären kann.

Zitat:
Zitat von Herr Senf Beitrag anzeigen
... hat man die minimalistische Interpretation aus der Grundgleichung w(i,A,Ψ)=|<λ_i|Ψ|² genommen.
Man nimmt halt nur das, was im Experiment auch brauchbar ist, und bisher sind alle experimentellen Daten erklärbar.
Warum versucht man Überinterpretationen, die zwar schön und klug klingen, aber keinen Mehrwert bringen.
War doch immer ein Fall für Ockham, löst bei Laien die wundersamsten Vorstellungen von der Welt aus.
Diese Grundgleichung ist gerade das Projektionspostulat = Axiom 4. Die VWI hat nichts gegen das Auftreten dieser Gleichung, nur eben nicht als Axiom, sondern als Theorem.

Ockham wird hier von Herrn Senf missverstanden, denn Ockham's Razor bezieht sich nicht auf die phänomenologische Ebene (die vielen Welten) sondern auf die Annahmen, Axiome und Postulate. Und wie gesagt, da ist die VWI im Vorteil. Die vielen Welten sind sowieso ein sprachlicher Missgriff; nach der Theorie existiert genau eine Welt, von der wir aufgrund der Dekohärenz nur einen "Ausschnitt" sehen können.

Zitat:
Zitat von JoAx Beitrag anzeigen
So, wie ich das sehe, besteht der Vorteil der VWI darin, dass sie die Frage danach, was eine "Messung" ist, was dabei passiert/abläuft nicht "postulativ" schliesst, so, wie es bsw. die "Kopenhagener" tut. Und damit ergibt sich ein Forschungsprogramm, mit dem sich die Dekohärenz beschäftigt.
Genau richtig (wobei die Dekohärenz eine eher neue Erkenntnis ist, die in dieser quantitativen, experimentell gesicherten Form Everett noch nicht zur Verfügung stand).

Die VWI geht jedoch an einer Stelle über die Dekohärenz hinaus. Letztere folgt aus den ersten drei Axiomen, d.h. sie ist durchaus mit der orthodoxen QM verträglich. Wenn man die Dekohärenz jedoch zugrundelegt, dann ist die Einführung des Projektionspostulates eher noch seltsamer, da die Dekohärenz ja schon den Boden bereitet, ohne dieses auszukommen.

Was die Dekohärenz jedoch nicht leistet ist, zu beantworten, warum Wahrscheinlichkeiten in unserer Wahrnehmung des Quantenzustandes auftreten und wie die Bornsche Regel mathematisch aus den Axiomen (1 - 3) folgt (bzw. welche neue Zutat stattdessen erforderlich ist).
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Ge?ndert von TomS (20.04.15 um 07:09 Uhr)
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  #30  
Alt 20.04.15, 08:12
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Zitat:
Zitat von TheoC Beitrag anzeigen
Und damit meine ich nicht irgend welche philosophischen Erkenntnisse, sondern einfach pragmatisch nach Popper "Vorhersagen" die "Messbar" sind, die sich aus bisherigen Theorien nicht ableiten lassen.

Ich dachte bisher das die VWI keine solche zusätzlichen Aussagen treffen kann ...
Doch, das kann sie, leider jedoch wohl nur prinzipiell, nicht praktisch. Weil das so wichtig ist, erkläre ich das etwas mehr im Detail.

Entsprechend orthodoxer QM sowie Everettscher QM entwickeln sich quantenmechanische Zustände gemäß Axiom 3, d.h. die Zeitentwicklung erfolgt unitär:

"Zustand(t) = U(t) * Zustand(0)"

Dabei ist "Zustand" gemäß Axiom 1 ein eindimensionaler Vektor in einem Hilbertraum. Seine Zeitentwicklung ist letztlich eine Kurve, die der Vektorpfeil auf eine (i.A. unendlichdimensionale) Einheitskugel zeichnet. Die Zeitenwicklung wird mittels des Operators U(t) = exp(-iHt) beschrieben, wobei H dem Hamilton- bzw. Energie-Operator entspricht (gem. Axiom 2 einer speziellen Observablen). Diese Zeitentwicklung ist also stetig und deterministisch! Gemäß der Everettschen QM ist sie das immer und in jeder Situation bzw. für jedes beliebige System.

Gemäß der orthodoxen QM ist sie das nur, solange keine Messung durch geführt wird! Wird eine Messung durchgeführt, was im wesentlichen der Wechselwirkung mit einem Messgerät sowie einer Beobachtung entspricht, kollabiert der "Zustand(t)" unstetig und zufällig in einen anderen Zustand, der einem Eigenzustand der gemessenen Observablen entspricht. Die Zeitentwicklung des Zustandes im Zuge der Messung (entsprechend dem Projektionspostulat 4) steht also im Widerspruch zur Zeitentwicklung vor (und nach) der Messung.

Die orthodoxe QM hat demnach zwei Probleme:
A) Sie muss erklären, was eine "Messung", also eine Wechselwirkung mit einem Messgerät, von einer normalen Zeitentwickung unterscheidet; warum soll das Elektron, wenn es mit einem Messgerät interagiert, sich gemäß (3) verhalten, wenn ich das Messgerät ausschalte, aber gemäß (4), wenn ich es einschalte?
B) Wie kann (3) und (4) nebeneinander existieren, obwohl sie sich doch offensichtlich mathematisch widersprechen? Wie kann ein inkonsistentes, widersprüchliches Axiomensystem unserer physikalischen Erklärung zugrundeliegen?
Die Antwort auf (B) ist der wortreiche Verweise auf "Messung", d.h. auf (A). Aber (A) kann nicht beantwortet werden, außer durch eine willkürliche Entscheidung des erklärenden Physikers, dass hier dieses und dort jenes gilt, weil es so sein muss, da es andernfalls nicht funktionieren würde. Diese Situation ist seit nunmehr 90 Jahren genau so, sie ist unbefriedigend und ungelöst, und sie ist wohl in diesem Sinne auch unlösbar!

Der Ausweg der Everettschen QM ist, (4) fallenzulassen und (3) universelle Gültigkeit zu verschaffen.

Wie kann nun die VWI experimentell von der orthodoxen QM unterschieden werden? Einfach indem man eine Messung "rückwärts ablaufen lässt". Man stelle also eine Situation her, gemäß der die orthodoxe QM einen Kollaps vorhersagt. Bezeichnen wir den Kollaps mit K, so sieht die Zeitentwicklung von 0 nach t und weiter zu T wie folgt aus: zunächst U(t) von 0 nach t, dann der Kollaps K, dann weiter mit U(T-t). Ohne Kollaps, d.h. nach Everett gilt U(t), kein K, dann weiter mit U(T-t); formal ist das

U(T-t) K U(t)

sowie

U(T-t) U(t) = U(T)

Die beiden Zeitentwicklungen unterscheiden sich!

Dumm ist nur, dass ja auch Everett behauptet, dass der für uns sichtbare Zweig eines Zustandes der Bornschen Regel gehorcht, während der Rest sozusagen für uns unsichtbar wird. Dies kann man gemäß der Dekohärenz inzwischen sogar quantitativ und experimentell recht gut belegen! D.h. Bis hier her sind beide Formulierungen mathematisch inäquivalent, jedoch experimentell ununterscheidbar!

Der Trick besteht nun darin, das Experiment bis zu einer Zeit 2T exakt rückwärts ablaufen zu lassen, also alle Bewegungen, Prozesse umzukehren. Nach der Everettschen QM muss, da U unitär ist, exakt der ursprüngliche Zustand wieder entstehen. Nach der orthodoxen QM resultiert aus dem zweimaligen Kollaps sicher ein anderer bei 2T als bei 0. D.h. beide Versionen der QM unterscheiden sich experimentell und sind somit nicht äquivalent.

Nun zum Problem, über dessen Lösung der Weg nach Stockholm führt: Die Problematik steckt in dem kleinen Wörtchen "exakt". Dieses umfasst nämlich die exakte zeitliche Umkehrung aller beteiligten Prozesse, d.h. z.B. des gemessenen Elektrons, des Apparates, der Umgebung (Luft, Wärmestrahlung, ...) sowie ggf. des Beobachters. Es genügt also nicht, das Elektron bei T exakt zu reflektieren, man müsste dies für jeden beteiligten Freiheitsgrad durchführen - und das ist praktisch unmöglich!

Ist es das? Nein, natürlich nicht! Derartige Experimente werden seit Jahrzehnten durchführt, und sie bestätigen schon immer die Everettsche QM, d.h. sie widerlegen die orthodoxe QM, da der Effekt eines Kollapses noch nie gemessen wurde. Nur leider funktionieren diese Experimente immer nur, wenn das insgs. betrachtete System mikroskopisch und isoliert ist, d.h. wenn gerade kein "Messprozess" stattfindet, für den die orthodoxe QM einen Kollaps postuliert.

Das ist genau das Problem: mikroskopisch funktionieren sowohl die Everettsche QM als auch die orthodoxe, da letztere hier nicht von Messung und von Kollaps redet; und makroskopisch funktioniert sicher nur eine von beiden, wobei der Unterschied weit außerhalb unserer experimentellen Fähigkeiten liegt.

Ein wissenschaftstheoretischer Nachteil der orthodoxen QM besteht in deren Selbstimmunisierung. Immer wenn ein derartiges Experiment durchgeführt wird, mit immer größeren Quantensystemen, kann die orthodoxe QM ausweichen, indem sie für dieses Experiment den Kollaps wieder so setzt, dass alles für sie passt. Denn die Setzung des Kollapses, die Definition "bis wohin (3) und ab wann (4) gilt", ist willkürlich und liegt im Ermessen desjenigen, der das Experiment interpretiert. Diese Selbstimmunisierung gilt nicht für die Everttsche QM.

Die Everettsche QM kann also an zwei Punkten tatsächlich scheitern bzw. falsifiziert werden:
i) die Bornsche Regel ist nicht bzw. nicht vernünftig als Theorem ableitbar
ii) sie wird im o.g. Sinne experimentell falsifiziert

Insofern halte ich die Everettsche QM für die im wissenschaftstheoretischen Sinne bessere Alternative (auch wenn die Konsequenzen nach unseren Alltagsbegriffen eine Zumutung darstellen - aber das war bei der QM schon immer so ;-)
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