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Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

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  #11  
Alt 04.10.10, 17:17
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

Bauhof,
natürlich leite ich Konsequenzen für die Relativitätstheorie, die von einem Raumzeit- Kontinuum ausgeht, her, wie ich in meinem Beitrag von 17:09 Uhr angesprochen habe.
Ich bin hier nur ins Philosophische "abgeglitten",weil ich deine Frage nach der Quintessenz als grundsätzliche und damit philosophische missverstanden hatte.
Ich bemühe mich hier in diesem Spezialforum schon, zwischen physikalischen und philosophischen Perspektiven zu unterscheiden.Aber so ganz kann man das wohl nicht trennen. Hat doch schon Heisenberg die Quantenphysik als "das wichtigste philosophische Ereignis des Jahrhunderts" bezeichnet.
Also nix für ungut!

Ge?ndert von Knut Hacker (04.10.10 um 17:19 Uhr)
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  #12  
Alt 04.10.10, 17:33
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

Bauhof,
darf ich noch eine gewisse Ergänzung vornehmen, obwohl sie eine Gratwanderung zwischen Physik und Philosophie ist. In Zukunft werde ich mich aber möglichst streng auf die Physik beschränken.

Auch Stephan Hawking ist in seinem neuesten Buch (Titel: "Der große Entwurf - Eine neue Erklärung des Universums") sehr, viel zu sehr philosophisch, ja sogar theologisch geworden:

1)Bezeichnet er doch als Ziel der Wissenschaften, herauszufinden, warum überhaupt etwas ist und nicht nichts (das ist bekanntlich die philosophische Grundfrage, die insbesondere Leibniz behandelt hat).

Diese Frage ist insbesondere aus dem folgenden Grund paradox :

Es handelt sich um die Frage nach dem Grund des Seins.

Das Sein ist der Inbegriff alles (konkret) Seienden und des (ebenso realen) Nichtseins konkreter Seinsgegenstände. Das allgemeine Nichtsein als bloßer Gegensatz zum Sein, also das Nichts, ist ein Paradox, da es dieses nicht geben kann, ohne dass es dann ja doch etwas Seiendes wäre.

Gründe sind Beziehungen, die etwas auf etwas anderes entweder zeitlich oder logisch zurückführen.Sie gehören daher dem Sein an.Wenn sie aber das Sein voraussetzen, können sie für dieses selbst nicht gelten.
Die Frage, warum überhaupt etwas ist, ist daher genauso selbstwidersprüchlich wie die Fragen, was vor der Zeit oder außerhalb des Raumes war beziehungsweise ist. Denn so, wie es ein „vor“( ein zeitlicher Begriff) nur in der Zeit und ein „außerhalb“ ( ein räumlicher Begriff) nur im Raum gibt, so kann es auch einen Grund (ein Beziehungsbegriff) nur für Seiendes, nicht für das Sein selbst geben.
Die philosophische Grundfrage ist daher genauso selbstbezüglich wie die Frage, welchem Längen-und Breitengrad die Erde angehört.
Es handelt sich um den logischen Fehler einer μετάβασις εἰς ἄλλο γένος ( extrapolatio ante principium), eine unzulässige Übertragung auf eine Überebene.

Ich will das weiterverdeutlichen:

Angenommen, es gibt einen Grund dafür, dass überhaupt etwas ist und nicht nichts. Dann heißt „gibt“, dass der Grund „ist“.Der Grund ist dann etwas Seiendes. Ihm kommt Sein zu.Dann wäre aber ein Sein der Grund für das Sein.Ein Widerspruch in sich selbst!
Außerdem:
Der Grund bedürfte seinerseits einer Erklärung! Denn es wäre zu fragen, warum es einen Grund gibt und warum gerade diesen.Wiederum also ein Denkzirkel!

2)Hawking möchte die „Weltformel“ finden. Angenommen er fände sie. Dann könnte sie doch keine Weltformel sein, weil sie sich selbst nicht erklären könnte, denn es blieben auch hier die Fragen, warum es überhaupt eine Weltformel gibt und warum gerade sie und keine andere.

Natürlich ist, was Hawking wissenschaftlich leistet und in diesem Buch sehr anschaulich geschildert, Spitze, solange er nicht ins Philosophieren oder Theologisieren gerät.Er stellt in diesem Buch seine Lösung des Urknallproblems auf der Basis der Quantenphysik dar.Diese räumt bekanntlich mit dem jahrtausendealten Aberglauben auf, dass aus Nichts nichts kommen könne.Das Nichts ist immer eine Potentialität. Im perfektesten Vakuum herrscht immer ein Getümmel von Feldern und virtuellen Teilchen,die sich selbst produzieren, „rückwärts in der Zeit“ dann vernichten und wieder reproduzieren.Raum und Zeit sind somit „aufgehoben“.
Hawking zieht daraus den Schluss, dass das Universum keinen Anfang habe, und wenn, dann aus anderen Universen hervorgegangen sei,ad infinitum.
Genau das besagt eigentlich schon die Logik.Anfang ist ein zeitlicher Begriff, ein Zeitpunkt. Er setzt daher die Zeit bereits voraus. Die Zeit kann daher nicht entstanden sein.

3) Hawking versteigt sich in diesem Zusammenhang zu dem Schluss, Gott sei überflüssig. Abgesehen davon, dass Gott nach dem Verständnis der drei monotheiistischen Religionen weder ist noch nicht ist,sondern über Sein und Nichtsein erhaben ist, bleibt Hawking – wenn er schon so kausalistisch denkt -eine schlüssige Erklärung dafür schuldig ,woher denn das produzierende Nichts kommt.Er erklärt hierzu,alles entstehe auf Grund von Naturgesetzen, die auch in der Quantenphysik trotz des dortigen Zufallsprinzipes nicht aufgehoben seien.(eine Auffassung eines Astrophysikers, die eklatant der der namhaften Quantenphysiker widerspricht, die im Elementarbereich lediglich von statistischen Gesetzen ausgehen). Aber woher kommen diese Naturgesetze? Hawking setzt mit ihnen ein willkürliches Ende des unendlichen Regresses („Münchhausen-Trilemma“ von Hans Albert). Nichts anderes tun doch die Gottesgläubigen, wenn sie Gott als die erste Ursache ansehen,und damit Gott dem Kausalitätsprinzip als Übergott unterwerfen.
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  #13  
Alt 04.10.10, 17:57
Harti Harti ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

Hallo Knut Hacker,

liegt der Widerspruch in den von Dir gebildeten Beispielen möglicherweise in der Annahme, etwas unendlich Vorgestelltes existiere real ?

Der Vorstellung eines dimensionslosen Punktes liegt die Vorstellung von etwas unendlich Kleinem zugrunde. Wir können zwar Unendliches (Absolutes) denken, haben aber aufgrund unserer beschränkten Wahrnehmungs- und Erfahrungsmöglichkeiten keine Möglichkeit, dies mit unseren Sinnen festzustellen.
Die Mathematik als Denksystem kann mit Unendlichkeiten gut umgehen. Zu Widersprüchen in den verschiedensten Formen führt es aber immer wieder, wenn man nicht klar zwischen den Unendlichkeitsvorstellungen der Denkwelt und der mit den Sinnen wahrnehmbaren Erfahrungswelt unterscheidet.
Die Annahme, ein unendlich kleiner (dimensionsloser) Punkt existiere tatsächlich, ist aus diesen Gründen widersprüchlich.

MfG
Harti
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  #14  
Alt 04.10.10, 19:25
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

Harti,
du hast recht, insofern es sich lediglich um ein begriffliches Problem handelt. Begriffe sind ja überhaupt lediglich geistige Konstrukte.

Die von mir hier behandelten Fälle führen zu Aporien, da letztlich Begriffe auf sich selbst angewendet werden, nämlich die Unterscheidung von Ganzem und Teil, das ja wiederum ein Ganzes darstellt usw..Diese Aporien haben die gleiche Struktur wie Zenons Bewegungs-Paradoxien.Mathematisch ergeben sich keine Widersprüche, da die Mathematik nicht erklärt, sondern beschreibt ( hier: durch Infinitesimalrechnung).

Ich habe hier die Geometrie als ein Beispiel bemüht. Die eindimensionale Gerade besteht aus nulldimensionalen Punkten. Die zweidimensionale Fläche besteht aus eindimensionalen Geraden. Der dreidimensionale Raum besteht aus zweidimensionalen Flächen. Und zwar jeweils aus unendlich vielen niederdimensionalen Strukturen.Sie bilden jeweils ein Kontinuum, das heißt holistische Gebilde, bei denen der Satz gilt, dass das Ganze etwas anderes ist als die Summe seiner Teile, nämlich nicht lediglich eine Anhäufung, sondern eine Struktur.Die Aufspaltung, also auch insbesondere in Punkte, führt daher zu Paradoxien.
Die quantenmechanische Unschärfe besteht also auch im Makrokosmos.Es gibt keine genauen Messpunkte. Diese Unschärfen können jedoch im Makrokosmos vernachlässigt werden. Also kann man bei der Geraden mit beliebiger Genauigkeit eine Mitte bestimmen,aber nicht mit absoluter.

Es geht beim Kontinuum darum, wie benachbarte Teilmengen abgegrenzt sind, obwohl sie keine Übergänge aufweisen. Das ist letztlich auch das selbstbezügliche Problem des bekannten Paradoxons des Mathematikers Bertrand Russel:Enthält sich die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten, selbst?

Ge?ndert von Knut Hacker (04.10.10 um 19:32 Uhr)
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  #15  
Alt 04.10.10, 19:41
SCR SCR ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

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  #16  
Alt 04.10.10, 19:49
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

SCR,
du als Singularität so erstaunt?Der Urknall ist ja eine Singularität, das heißt die Gleichungen der Relativitätstheorien führen ins Unendliche,also zu dir oder?(smily)

Ge?ndert von Knut Hacker (04.10.10 um 19:56 Uhr)
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  #17  
Alt 04.10.10, 20:10
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eigenvector eigenvector ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

Zitat:
Zitat von Knut Hacker Beitrag anzeigen
Es geht beim Kontinuum darum, wie benachbarte Teilmengen abgegrenzt sind, obwohl sie keine Übergänge aufweisen. Das ist letztlich auch das selbstbezügliche Problem des bekannten Paradoxons des Mathematikers Bertrand Russel:Enthält sich die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten, selbst?
Das ist ein ganz anderes Paradoxon
Und vor allem eins, das gar nicht auftritt, wenn man eine ordentliche Mengenlehre zugrunde legt.

Wo du dein Problem mit dem Kontinuum hast, ist mir noch immer nicht klar.
Das Kontinuum ist ein mathematischer Begriff und verursacht da keinerlei Widersprüche.
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  #18  
Alt 04.10.10, 20:29
SCR SCR ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

Zitat:
Zitat von Knut Hacker Beitrag anzeigen
SCR,
du als Singularität so erstaunt?
Das hat nichts zu sagen: Die Singularitäten hier in diesem Forum sind ihren Originalen nämlich sehr ähnlich - Die Masse zählt.
P.S.: Ich war nicht erstaunt
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  #19  
Alt 05.10.10, 15:08
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

Zitat:
Zitat von eigenvector Beitrag anzeigen
Das ist ein ganz anderes Paradoxon
Und vor allem eins, das gar nicht auftritt, wenn man eine ordentliche Mengenlehre zugrunde legt.
Da würden sich die Mathematiker aber freuen!

Zitat:
Zitat von eigenvector Beitrag anzeigen
Wo du dein Problem mit dem Kontinuum hast, ist mir noch immer nicht klar.
Das Kontinuum ist ein mathematischer Begriff und verursacht da keinerlei Widersprüche.
Das schreib ich doch die ganze Zeit, dass es sich nicht um ein mathematisches Problem, sondern um ein begriffliches handelt.
Nochmals die Fragestellung:
Wie sind die Teile einer Geraden voneinander abgegrenzt und die Gerade selbst begrenzt, wenn sie aus (unendlich vielen) lediglich null- dimensionalen Punkten besteht? Auf dem Lineal sind die Abschnitte durch Striche gekennzeichnet, die eine Breite aufweisen, also zweidimensional sind. Es handelt sich daher um eine Vergröberung. Die Striche lassen sich in der Breite unendlich teilen.
Dass das Ganze etwas anderes ist als die Summe der (theoretischen) Teile, ist das definierte Wesen des Kontinuums.Aber unser reduktionistisches Denken steht diesem holistischen Begriff entgegen.
Ich will mich aber nicht ständig wiederholen.
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  #20  
Alt 05.10.10, 15:13
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: Das Kontinuum-eine Paradoxie?

[QUOTE=Knut Hacker;55546]
Zitat:
Zitat von SCR Beitrag anzeigen
Das hat nichts zu sagen: Die Singularitäten hier in diesem Forum sind ihren Originalen nämlich sehr ähnlich - Die Masse zählt.
Ich wollte ja eigentlich nur ein Witzchen machen.
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