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Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

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  #271  
Alt 06.08.10, 17:44
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Bauhof Bauhof ist offline
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Zitat:
Zitat von richy Beitrag anzeigen
Wenn in seiner Hypothese sich keine logische Unmoeglichkeit der Falsifikation nachweisen klaesst muss er das nicht, denn eine physikalische Falsifikationsmoeglichkeit laesst sich prinzipiell nie ausschliessen.
Hallo richy,

die Bedeutung des vorstehenden Satzes verstehe ich nicht.

Nicht die "Unmöglichkeit der Falsifikation" ist nachzuweisen oder nicht nachzuweisen, sondern es muss dargelegt werden, dass die Theorie (oder die Hypothese) widerlegungsfähig ist. Es muss gezeigt werden, dass die Theorie wenigstens prinzipiell widerlegbar ist.

Eine Theorie, die prinzipiell nicht widerlegbar ist, kann nicht als naturwissenschaftlich gelten.

M.f.G. Eugen Bauhof
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Ach der Einstein, der schwänzte immer die Vorlesungen –
ihm hatte ich das gar nicht zugetraut!

Hermann Minkowski
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  #272  
Alt 06.08.10, 20:01
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richy richy ist offline
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Hi Eugen
Zitat:
Es muss gezeigt werden, dass die Theorie wenigstens prinzipiell widerlegbar ist.
Einverstanden. Und idealerweise gibt man einen Versuch an mit dem die Theorie ueberprueft werden kann.

Nun gibt es mehrere Gruende warum eine Theorie nicht falsifizierbar sein kann.

Prinzipielle :
1) Logische Gruende schliessen dies aus
2) Es existieren unwaegbare, nichtmessbare Objekte ohne Physikalitaet, physikalischen Einfluss. Voraussetzung : Nichtwaegbare und waegbare Welt lassen sich strikt trennen und es besteht keinerlei Wechselwirkung. => Kein freier Wille.
Temporaere :
3) Es existieren bisher keine geeigneten Messverfahren
4) Die Beschreibung der Physk ist bisher noch unvollstaendig

Beispiel zu
1) Ich lege die Groessenordung der Strings in den M-Theorien nicht fest.
2) Das fliegende Spaghettiemonster oder nichtwaegbare Information.
3)
Eine Sonnenfinsternis stellt ein besonders geeignetes Messverfahren dar um die RT zu ueberpruefen. Auf solch eine Sonnenfinsternis muss man jedoch zunaechst einmal warten.
Ein LHC muss zunaechst gebaut werden um bestimmte Theorien zu ueberpruefen.
4) Es existiert noch keine TOE, so dass man alle Hypothesen pruefen koennte.

Eine Theorie, die nicht unter die Punkte 1,2 faellt ist falsifizierbar oder nur gegenwaertig nicht falsifizerbar. Es gibt keinen Grund warum sie prinzipiell nicht falsifizierbar sein sollte.
Ausser natuerlich sie ist so konsistent, dass sie einer absoluten Wahrheit entspraeche oder einem fundamentalen Axiom. (Existiert die Raumzeit ?)
Ein "prinzipiell" kann es nur unter logischen Aspekten geben, nicht unter physikalischen.
Den Aspekt des Goedelschen Unvollstaendigkeitssatzes habe ich hier nicht beachtet. Nimmt man diesen hinzu, so kann es physikalische Gesetze geben, die sich nicht aus anderen physikalischen Gesetzen herleiten lassen. Diese waeren messbar aber nicht aus dem allgemeinen physikalischen Modell mathematisch herleitbar. Voraussgesetzt man baut die Physik axiomatisch auf. Danach ist man bestrebt.

Der Kuehlschrank ist ein schoenes Beispiel fuer direkte und indirekte Messverfahren :
Mittels dem Messverfahren der optischen Kontrolle laesst sich nicht ueberpruefen ob in einem Kuehlschrank noch Licht brennt. Aber sehr wohl mit einem elektrischen Messverfahren.
Das Messproblem ist kein wirkliches Problem. Wie beim Kuehlschrank muss man eben ein geeignetes indirektes Messverfahren anwenden. Und so beruft sich David Deutsch auch auf die Interferenz, die auf einer indirekten Messung basiert. Statt auf die Lampe zu starren schaut man auf das Amperemeter um festzustellen ob im Kuehlschrank noch Licht brennt.
Wuerde man dieses indirekte Messverfahren nicht akzeptieren duerfte man keine Kuehlschraenke mehr mit Innenbeleuchtung verkaufen :-)

Gruesse

Ge?ndert von richy (07.08.10 um 01:12 Uhr)
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  #273  
Alt 06.08.10, 21:25
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Standard AW: VWT/Parelleluniversen, David Deutsch

Popper hat lediglich die Aspekte unter 1 und 2 zusammengefasst. Im Grunde Selbstverstaendlichkeiten.
Zu Punkt 3 und 4 kann er nichts Neues beitragen.
Interpretationen kann man ueber Popper nicht bewerten. Nur die Modelle auf denen sie basieren.
Eine Interpretation wird in der Regel diese Modelle leicht modifizieren. Dies laesst sich dann bewerten.

Zum FSM :
Zitat:
Das Fliegende Spaghettimonster (englisch Flying Spaghetti Monster, kurz: FSM) ist die Gottheit einer im Juni 2005 vom US-amerikanischen Physiker Bobby Henderson gegründeten Religionsparodie, die den Namen Pastafarianismus trägt. Ihre Glaubenslehre beabsichtigt eine reductio ad absurdum der Pseudowissenschaft Intelligent Design, die auf Betreiben der Intelligent-Design-Bewegung an Stelle der Evolution im Biologieunterricht mehrerer amerikanischer Schulbezirke gelehrt werden soll. Die Mitglieder bezeichnen sich selbst als Pastafari. Nach dem Tod stehen den Gläubigen im „Himmel“ unter anderem ein Biervulkan und eine Stripper-Fabrik zur Verfügung.

Ge?ndert von richy (06.08.10 um 21:53 Uhr)
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  #274  
Alt 07.08.10, 13:34
future06 future06 ist offline
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Hallo Eugen,

Zitat:
Zitat von Bauhof Beitrag anzeigen
Wo kann ich dieses Falsifikationskriterium von Tegmark finden?
hier schreibt er dazu im Kapitel "Science or philosophy?" folgendes:

... After 50 years we can celebrate the fact that
Everett’s interpretation is still consistent with
quantum observations, but we face another
pressing question: is it science or mere philoso-
phy? The key point is that parallel universes are
not a theory in themselves, but a prediction of
certain theories. For a theory to be falsifiable,
we need not observe and test all its predictions
— one will do.
Because Einstein’s general theory of relativity
has successfully predicted many things we can
observe, we also take seriously its predictions
for things we cannot, such as the internal struc-
ture of black holes. Analogously, successful pre-
dictions by unitary quantum mechanics have
made scientists take more seriously its other
predictions, including parallel universes.
Moreover, Everett’s theory is falsifiable by
future lab experiments:
no matter how large
a system they probe, it says, they will not
observe the wavefunction collapsing. Indeed,
collapse-free superpositions have been
demonstrated in systems with many atoms, ...


Viele grüße!
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  #275  
Alt 07.08.10, 17:36
Hawkwind Hawkwind ist offline
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Zitat:
Zitat von future06 Beitrag anzeigen
...
Moreover, Everett’s theory is falsifiable by
future lab experiments:
no matter how large
a system they probe, it says, they will not
observe the wavefunction collapsing. Indeed,
collapse-free superpositions have been
demonstrated in systems with many atoms, ...
[/I]

Viele grüße!
Da bezieht sich Tegmark offenbar auf die Arbeiten einer Wiener Gruppe mit großen Molekülen (C60 etc.):
Arndt, M., Nairz, O., Vos-Andreae, J., Keller, C., van der Zouw, G., and
Zeilinger, A., Nature 401, 680 (1999).

deren Motivation und Konsequenzen z.B. hier
http://www.iap.tu-darmstadt.de/tqp/papers/AlbJex04.pdf
diskutiert werden.

Zitat:
Die von der Wiener Gruppe durchgeführten experimentellen und theoretischen
Untersuchungen zur Dekohärenz großer Moleküle zeigen in eindrucksvoller
Weise, dass die Dekohärenztheorie imstande ist, auch subtile Details
der Reduktion von Quanteninterferenz in Quantensystemen mit großer
Masse (840amu) und mit einer großen Zahl innerer Freiheitsgrade (204 Vibrationsfreiheitsgrade)
in sehr guter Übereinstimmung mit dem Experiment
zu beschreiben. Eine Grenze der Quantenwelt ist also noch nicht in Sicht.
Die Wiener Gruppe arbeitet allerdings daran, ihre Untersuchungen auf noch
größere Systeme, wie z.B. Viren mit ungefähr 107amu auszubauen.
Es geht also um Tests der Dekohärenz-Hypothese, die besagt dass Wechselwirkungen Quanten-Superpositionen zerstören, kollabieren lassen.
Was das nun mit Falsifizierbarkeit von Everetts Vielen Welten zu tun haben soll, bleibt mir verschlossen, erklärt Tegmark auch leider nicht näher.
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  #276  
Alt 07.08.10, 18:32
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Bauhof Bauhof ist offline
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Zitat:
Zitat von Hawkwind Beitrag anzeigen
Was das nun mit Falsifizierbarkeit von Everetts Vielen Welten zu tun haben soll, bleibt mir verschlossen, erklärt Tegmark auch leider nicht näher.
Hallo Hawkwind,

Tegmark versucht im Aufsatz [1] eine Falsifizierbarkeit der Multiversum-Theorie aufzuzeigen:

Zitat:
Offensichtlich lässt sich die Multiversum-Theorie testen und falsifizieren, obwohl wir die anderen Universen nicht sehen können. Man muss das Ensemble der Paralleluniversen eingrenzen und über diesem Ensemble eine Wahrscheinlichkeitsverteilung – oder wie die Mathematiker sagen, ein Maß – definieren. Unser Universum sollte sich dabei als besonders wahrscheinlich erweisen. Andernfalls – wenn wir gemäß der Multiversum-Theorie in einem unwahrscheinlichen Universum leben – gerät die Theorie in Schwierigkeiten. Wie ich später zeigen werde, kann dieses Maßproblem ziemlich kompliziert werden.
Dass die Falsifizierbarkeit der Multiversum-Theorie "offensichtlich" sein soll, erschließt sich mir daraus nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] Tegmark, Max
Paralllel-Universen.
Aufsatz in: Spektrum der Wissenschaft, August 2003, Seite 34
http://www.spektrum.de/artikel/830044
__________________
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ihm hatte ich das gar nicht zugetraut!

Hermann Minkowski

Ge?ndert von Bauhof (08.08.10 um 13:06 Uhr) Grund: Literaturhinweis richtiggestellt.
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  #277  
Alt 07.08.10, 21:33
future06 future06 ist offline
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Hallo Hawkwind,

Zitat:
Zitat von Hawkwind Beitrag anzeigen
Was das nun mit Falsifizierbarkeit von Everetts Vielen Welten zu tun haben soll, bleibt mir verschlossen, erklärt Tegmark auch leider nicht näher.
Das liegt daran, weil die uneingeschränkte Gültigkeit der Schrödingergleichung eine notwendige Bedingungen für die VWI ist. Kann ein "Kollaps der Wellenfunktion" nachgewiesen werden, wäre die VWI somit wiederlegt. D.h. diese Nachweismöglichkeit ist gleichbedeutend mit der Falsifizierbarkeit.
Siehe dazu z.B. auch hier.

@Eugen:
Den von dir verlinkten Spektrum-Artikel kann ich leider nicht downloaden, weil ich kein Abonennt mehr bin. Müsste aber den 2001-Jahrgang eigentlich noch irgendwo im Keller stehen haben

Aus deinem Zitat daraus kann ich jetzt nicht ableiten, wie er damals die Falsifizierbarkeit beschrieben hat.
M.E. ist das o.g. Kriterium aber klar und eindeutig. Sobald ein Nachweis gelingt, dass die SGL nur bis zu einer bestimmten "Objektgröße" gilt, wäre die VWI klar widerlegt. Z.B. hatte ja Penrose mal eine Theorie der Quantengravitation, aus der hervorging, dass sich ab einer bestimmten Masse der Kollaps zwingend ergibt. Genaues dazu müßte ich aber erstmal nachlesen.

Viele Grüße!
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  #278  
Alt 07.08.10, 23:08
Hawkwind Hawkwind ist offline
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Zitat:
Zitat von future06 Beitrag anzeigen
Hallo Hawkwind,



Das liegt daran, weil die uneingeschränkte Gültigkeit der Schrödingergleichung eine notwendige Bedingungen für die VWI ist. Kann ein "Kollaps der Wellenfunktion" nachgewiesen werden, wäre die VWI somit wiederlegt. D.h. diese Nachweismöglichkeit ist gleichbedeutend mit der Falsifizierbarkeit.
Siehe dazu z.B. auch hier.
Viele Grüße!
Und wie - um Himmels Willen - will man einen Kollaps nachweisen ?

Die nichtlokale Reduktion des Zustands ist ja Element der Kopenhagener Deutung und pure Metaphysik. Er "zeigt" sich aufgrund einer Messung derart, dass das Quantensystem sich danach in einem Eigenzustand zum gemessenen Wert befindet, d.h. nachfolgende Messungen derselben Größe werden keine Verteilung, sondern immer wieder den scharfen, zuerst gemessenen Wert hervorbringen. Das ist ein experimentelles Faktum; in der Kopenhagener Deutung erklärt man dies mittels nichtlokalem Kollaps, die Viele-Welten-Deutung dadurch, dass die Welt sich aufgrund der Messung vervielfältigt hat - jeder Messwert wird in einer eigenen Welt realisiert. In "unserer" Welt wird auch in der Viele-Welten-Deutung nun mmer wieder der gemessene Wert reproduziert, da in unserer Welt keine Superposition vorliegt.

Nach meinem Verständnis - und nicht nur nach meinem - sind die Kopenhagener Deutung und die VWT per Beobachtung nicht voneinander zu unterscheiden.
z.B.
http://arxiv.org/PS_cache/quant-ph/p.../9908084v3.pdf

Zitat:
The Everett interpretation leads to its "extravagant" (unfamiliar and
unobservable) consequences, because it does not invent any new laws, variables or irrational elements for the sole purpose of avoiding them.
Die Everettsche Interpretation führt zu "unobservablen" Konsequenzen, ist mit anderen Worten von der Kopenhagener Deutung per Beobachtung nicht zu unterscheiden. Habe keine Ahnung, was Tegmark im Sinne hat.
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  #279  
Alt 08.08.10, 09:58
Timm Timm ist offline
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Zitat:
Zitat von Bauhof Beitrag anzeigen
Hallo Hawkwind,

Tegmark versucht im Aufsatz [1] eine Falsifizierbarkeit der Multiversum-Theorie aufzuzeigen:

Zitat:
Offensichtlich lässt sich die Multiversum-Theorie testen und falsifizieren, obwohl wir die anderen Universen nicht sehen können. Man muss das Ensemble der Paralleluniversen eingrenzen und über diesem Ensemble eine Wahrscheinlichkeitsverteilung – oder wie die Mathematiker sagen, ein Maß – definieren. Unser Universum sollte sich dabei als besonders wahrscheinlich erweisen. Andernfalls – wenn wir gemäß der Multiversum-Theorie in einem unwahrscheinlichen Universum leben – gerät die Theorie in Schwierigkeiten. Wie ich später zeigen werde, kann dieses Maßproblem ziemlich kompliziert werden.
Dass die Falsifizierbarkeit der Multiversum-Theorie "offensichtlich" sein soll, erschließt sich mir daraus nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] John Archibald Wheeler und Max Tegmark
100 Jahre Quantentheorie.
Aufsatz in: Spektrum der Wissenschaft, April 2001

http://www.spektrum.de/artikel/827483
Hallo Eugen,

Dein Zitat konnte ich in dem Artikel "100 Jahre Quantentheorie" nicht finden. Mit Multiversum-Theorie ist üblicherweise das inflationäre Universum gemeint, nicht Everetts viele Welten.

Hingegen enthält der Gastkommentar (s.u.) von H.D.Zeh dieses Artikels einen Hinweis auf den experimentellen Nachweis des Dekohärenzprozesses, der ja im Sinne Zehs strikt von einem "Kollaps der Wellenfunktion" zu unterscheiden ist.

Gruß, Timm

Zitat:
Ist das Problem des quantenmechanischen Messprozesses nun endlich gelöst?

Diese Frage kann man ganz sicher nicht einfach mit "ja" beantworten. Die Ansicht von Niels Bohr, der Quantenmessprozess sei grundsätzlich nicht physikalisch analysierbar, darf aber heute wohl als widerlegt gelten.

Dekohärenz ist eine zwingende Konsequenz der Schrödinger-Gleichung unter realistischer Berücksichtigung der natürlichen Umgebung eines Systems – unabhängig von allen Interpretationsfragen. Sie beruht auf einer sehr effizienten "Verschränkung" praktisch aller physikalischen Systeme, die lange Zeit einfach übersehen worden ist. Der Dekohärenzprozess ist inzwischen auch experimentell – zuerst durch Serge Haroche (Paris) – direkt nachgewiesen worden. Zur theoretischen Untersuchung dieses Quantenphänomens haben neben Wojciech Zurek (Los Alamos) vor allem Erich Joos (früher Heidelberg) und Claus Kiefer (Freiburg) beigetragen. Max Tegmark, Koautor des vorliegenden Artikels, ist vornehmlich durch seine Anwendung der Dekohärenz auf Gehirnprozesse bekannt geworden; damit hat er den spekulativen Vorschlägen von Roger Penrose und Stuart Hameroff, wonach menschliches Denken auf kohärenten Quantenprozessen beruhe oder gar einen durch Gravitation induzierten "Kollaps der Wellenfunktion" einschließe, den Boden entzogen. Tegmarks Arbeit beschreibt somit das "letzte Stück" des von Einstein im Gespräch mit Heisenberg geforderten "ganzen langen Wegs vom Vorgang bis zur Fixierung in unserem Bewußtsein" in rein quantenmechanischen Begriffen.

Diese Erfolge erlauben es nach meiner Überzeugung, nunmehr auf unabhängig vorzugebende klassische Begriffe und auf Verlegenheitsvokabeln wie Komplementarität, Dualismus oder Quantenlogik ganz zu verzichten. All die "erstaunlichen" Experimente der letzten Jahrzehnte haben nur Konsequenzen der nichtlokalen Wellenfunktion bestätigt, wobei alle Messergebnisse durch Dekohärenz klassisch fixiert werden. Scheinbare "Quantensprünge" sind demnach ebenso das Ergebnis von sehr schnellen, aber stetigen Dekohärenzvorgängen wie die Lokalisierung von Quantenobjekten als scheinbare "Teilchen" – sei es als Spuren in der Nebelkammer oder als Klicks in Zählern.

Andererseits dürfte die von Everett gezogene Konsequenz von "Mehrfachwelten" von den meisten Physikern weiterhin abgelehnt werden – vorwiegend aus emotionalen Gründen. Diese pragmatische Haltung ist aber auch im Rahmen einer universell gültigen Schrödinger-Gleichung durchaus möglich, wenn man den Begriff der Realität "operationell" versteht: Als real gilt jeweils nur das, was für die in jedem "Everett-Zweig" separat existierenden Beobachter noch beobachtbar ist. Die Everettsche Quantenwelt definiert hingegen eine "hypothetische Realität", die der quantenphysikalischen Konsistenz zuliebe verlangt werden muss. Demzufolge kann man nicht erwarten, jemals einen Kollaps der Wellenfunktion zu beobachten, der nicht als rein quantenmechanischer Dekohärenzprozess erklärbar wäre. Der Kollaps auf ein bestimmtes Ergebnis beschreibt dagegen die sich stetig verändernde Situation der Beobachter in der Quantenwelt.

Der "große Nebel aus dem Norden", wie man die Kopenhagener Deutung gelegentlich genannt hat, beginnt sich zu lichten. Die sichtbar werdende Landschaft zeigt eine unsere gewohnte Vorstellungswelt weit übersteigende Vielfalt, ergibt dafür aber erstmals ein konsistentes Bild.

H. Dieter Zeh ist emeritierter Professor der Theoretischen Physik an der Universität Heidelberg.
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Der Verstand schafft die Wahrheit nicht, sondern er findet sie vor - Aurelius Augustinus
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  #280  
Alt 08.08.10, 13:05
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Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Hallo Eugen, Dein Zitat konnte ich in dem Artikel "100 Jahre Quantentheorie" nicht finden. Gruß, Timm
Hallo Timm,

du hast recht, in diesem Spektrumheft konnte man das Zitat nicht finden. Hier der richtige Literaturhinweis:

[1] Tegmark, Max
Paralllel-Universen.
Aufsatz in: Spektrum der Wissenschaft, August 2003, Seite 34
http://www.spektrum.de/artikel/830044

Ich habe dies auch in meinem vorgehenden Beitrag richtiggestellt.

M.f.G. Euge Bauhof
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Hermann Minkowski
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