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Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

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  #11  
Alt 23.06.10, 10:56
RoKo RoKo ist offline
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Registriert seit: 12.11.2009
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Standard AW: VWT/Parelleluniversen, David Deutsch

Hallo zusammen,

die Darstellungen von Deutsch und Zeh sind höchst unterschiedlich und dürfen aus Konsitenzgründen nicht mit einander vermischt werden. Ausserdem ist es wichtig, stets die ganze Argumentationskette im Kopf zu haben. Das herauspicken einzelner Sätze führt zu Fehlschlüssen.

Die Argumentationskette von Zeh basiert auf der Darstellung des quantenmechanischen Messprozesses durch J.v.Neumann. Dieser nahm noch einen Kollaps der Wellenfunktion an, der sich dann irgendwo in der Prozesskette vom Messen bis zur Registrierung im Gehirn abspielen müsste. Everett griff diesen Gedanken auf und kam zu dem Schluß, dass der (durch die Schrödingergleichung nicht erklärbare) Kollaps vermieden werden kann, wenn man dem Gehirn des Beobachters die Möglichkeit zubilligt, sich ebenfalls in einem Überlagerungszustand zu befinden. Everetts Ansatz hatte allerdings noch die Schwäche, dass die Interferenz zwischen diesen "relativen Zuständen" nicht verschwindet. Hier setzt Zeh an mit der von ihm initiierten Dekohärenztheorie. Er zeigt, dass durch die ständige Verschränkung mit der Umwelt die Interferenz dislokalisiert wird und lokal ein Gemisch eindeutiger Zustände entsteht. Da wir stehts nur einen der vielen möglichen eindeutigen Zustände wahrnehmen, muss sich nun die Welt in dynamisch nun abhängige Zweige (einschließlich unserer selbst) verzweigt haben.

Die Argumentationskette von Deutsch ist eine andere. Er sucht nach einer Erklärung für die am Doppelspalt (oder ähnliche Situationen) auftretende Interferenz. Da er davon ausgeht, dass ein Teilchen nicht mit sich selbst interferieren kann, führt er sein Paralleluniversum und die Schattenteilchen ein. Das ist eine völlig andere Theorie, die mit der VWI von Zeh nichts zu tun hat.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover

Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion
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  #12  
Alt 23.06.10, 20:05
Hermes Hermes ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 16.07.2007
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Standard AW: VWT/Parelleluniversen, David Deutsch

Zitat:
Zitat von RoKo Beitrag anzeigen
Die Argumentationskette von Deutsch ist eine andere. Er sucht nach einer Erklärung für die am Doppelspalt (oder ähnliche Situationen) auftretende Interferenz. Da er davon ausgeht, dass ein Teilchen nicht mit sich selbst interferieren kann, führt er sein Paralleluniversum und die Schattenteilchen ein. Das ist eine völlig andere Theorie, die mit der VWI von Zeh nichts zu tun hat.
Ich würde das eher als verschiedene Aspekte desselben betrachten...

Auch nach Deutsch interferiert das Teilchen mit sich selbst, wenn man es zusammen mit den "Schattenteilchen" als das eigentliche Objekt betrachtet, das in unseren physikalischen Erfahrungsraum 'hineinragt'.
Zu diesem 'Interferieren mit sich selbst' gibt es hier auch ein Lehrvideo von David Deutsch
(in ziemlich bescheidener Auflösung, der Versuch ist im 45-minütigen Video genau hier zu finden: 10:55 - 12:50):
http://www.quiprocone.org/Protected/Lecture_2.htm

Gruß
Hermes

Ge?ndert von Hermes (23.06.10 um 21:58 Uhr)
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  #13  
Alt 23.06.10, 21:48
Hermes Hermes ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 16.07.2007
Beitr?ge: 1.138
Standard AW: VWT/Parelleluniversen, David Deutsch

Aus vorherigen Diskussionen hier mit richy habe ich erfahren daß das Multiversum Zeh's einen n-dimensionalen 'Raum' zur Grundlage hat, indem jedes einzelne 'Parallel'-universum (klassisch: "Möglichkeit") eine neue Dimension aufspannt, während bei Deutsch und so wie ich mir das vorstelle eine einzige weitere Dimension zur Raumzeit eigentlich ausreicht, um ein Multiversum zu bilden.

Insofern sieht es zunächst so aus, als ob es wirklich zwei ziemlich unterschiedliche Modelle wären.
Mir ist dieser n-dimensionale 'Raum' Zeh's immer etwas schwer im Magen gelegen deshalb, auch weil es irgendwie 'unästhetisch' und weniger elegant ausieht wie eine einfache zusätzliche Ausdehnung.

Analog könnte man auch die Zeitdimension als eine n-dimensionale Folge von Momenten beschreiben, anstatt als eine einzige weitere Dimension.

Zeh wird seine Gründe haben, warum er diese mathematische Form wählt. Vielleicht hat es damit zu tun aus welcher Perspektive man das Multiversum beschreibt, aus einer möglichst der gewohnten physikalischen Sicht entsprechenden Perspektive oder 'global', nicht aus unserer Einzelwelt heraus.

Jedenfalls sehe ich eher unterschiedliche Beschreibungen als verschiedene Modelle. Das Multiversum ist zunächst auch kein Modell an sich, sondern eine Erklärung der Quantenphysik und logische Konsequenz aus zumindest einer weiteren Dimension zur Raumzeit.

Tschau
Hermes

Ge?ndert von Hermes (23.06.10 um 22:02 Uhr)
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  #14  
Alt 24.06.10, 00:46
RoKo RoKo ist offline
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Registriert seit: 12.11.2009
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Standard AW: VWT/Parelleluniversen, David Deutsch

Hallo Hermes,
Zitat:
Zitat von Hermes Beitrag anzeigen
Ich würde das eher als verschiedene Aspekte desselben betrachten...
Deine Aussage kann ich nach Durchsicht des Videos nicht nachvollziehen. Das ist doch ein banaler Interferometerversuch. Von VWI etc ist doch nicht die Rede.

Zitat:
Aus vorherigen Diskussionen hier mit richy habe ich erfahren daß das Multiversum Zeh's einen n-dimensionalen 'Raum' zur Grundlage hat, indem jedes einzelne 'Parallel'-universum (klassisch: "Möglichkeit") eine neue Dimension aufspannt, während bei Deutsch und so wie ich mir das vorstelle eine einzige weitere Dimension zur Raumzeit eigentlich ausreicht, um ein Multiversum zu bilden.
Für Zeh ist der 3-hoch-n-dimensionale Konfigurationsraum "die Bühne der Realität".

Zitat:
Mir ist dieser n-dimensionale 'Raum' Zeh's immer etwas schwer im Magen gelegen deshalb, auch weil es irgendwie 'unästhetisch' und weniger elegant ausieht wie eine einfache zusätzliche Ausdehnung.
Es geht nicht um eine möglichst ästhetische Begründung für ein Multiversum, sondern um eine plausible Erklärung des Messproblems der Quantenmechanik.
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  #15  
Alt 24.06.10, 16:33
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: VWT/Parelleluniversen, David Deutsch

Ich möchte auf den Ausgangsbeitrag zurückkommen:

Die sog. Vieleweltentheorie (Theorie der Paralleluniversen) verstößt gegen den wissenschaftlichen Grundsatz , dass von mehreren Erklärungsmöglichkeiten diejenige vorzuziehen ist, die die geringste Komplexität aufweist (Ockhams Rasiermesser: „ Ohne Zwang sollte man keine Vielheiten annehmen.“)

Es liegt doch wohl näher, die Paradoxien der Quantenphysik darauf zurückzuführen,

dass unsere begrifflichen Vorstellungen von der Evolution als Überlebensvorteil entwickelt worden sind, um uns in unserer komplexen Lebenswelt durch abstrakte und damit vereinfachende Wahrnehmung zu orientieren, so dass diese Denkkategorien bei der Beobachtung von Seinsbereichen versagen, die außerhalb unserer Lebensbereiche liegen, nämlich den Bereichen des Mikrokosmos(Quantenphysik) und des Makrokosmos(Relativitätstheorien),

als darauf, dass nicht unsere begrifflichen Vorstellungen unzureichend sind, sondern unsere vorgestellte Welt,so dass man ihnen durch die Annahme von Parallelwelten zur Allgemeingültigkeit verhelfen muß.

Die erste Alternative entspricht der Kopenhagener Deutung.
Niels Bohr:
„Wer von der Quantentheorie nicht schockiert ist, hat sie nicht verstanden!“
Dr. Richard Feynmann:
„Wenn jemand glaubt, er habe die Quantenmechanik verstanden, dann hat er sie nicht verstanden!“
Anton Zeilinger :
„Die Natur selbst ist immer nur unsere geistige Konstruktion.“

Die Überschreitung unseres Verstandes ist also gerade typisch für die Quantentheorie .

Niels Bohr:
„Es gibt triviale Wahrheiten und große Wahrheiten. Das Gegenteil einer trivialen Wahrheit ist schlichtweg falsch. Das Gegenteil einer großen Wahrheit ist ebenfalls wahr.“
Gemeint ist: Das ( aristotelische ) Prinzip der Kontradiktion gilt in unserer trivialen Überlebenswelt.Außerhalb dieses Bereiches ist es aufgehoben (mehrwertige Quanten Logik).
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  #16  
Alt 24.06.10, 21:52
future06 future06 ist offline
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Standard AW: VWT/Parelleluniversen, David Deutsch

Halllo Gandalf,

Zitat:
Zitat von Gandalf Beitrag anzeigen
Man darf sich die "vielen Welten" der Quantentheorie also keineswegs als räumlich getrennte Teilwelten vorstellen. Sie existieren vielmehr als getrennte Wellenpakete in dem hochdimensionalen Raum, den wir nur in unserer klassischen Erfahrung als den Raum aller Möglichkeiten (Konfigurationen) interpretieren. Der Raum der quantenmechanischen Möglichkeiten ist dann der Raum aller möglichen Wellenfunktionen über diesem hochdimensionalen scheinbaren Konfigurationsraum, denn diese (und nicht mehr die einzelnen Punkte dieses Raumes) charakterisieren die “realen” physikalischen Zustände. Der formale Raum der Wellenfunktionen wird dagegen als "Hilbertraum" bezeichnet. (In manchen kosmologischen
Modellen werden irreführenderweise auch räumlich getrennte Teiluniversen unter dem Namen Multiversum zusammengefaßt. Dieses würde aber nur eine der vielen "Welten" im Sinne der Quantentheorie, die jeweils sogar ihre eigene Raumzeit besitzen können, bilden
Das hilft mir nicht unbedingt weiter...
Der Begriff "Hilbertraum" sagt mir schon was, hab das alles mal gelernt (aber nicht unbedingt kapiert ), allerdings werde ich aus dem Gesagten von Prof. Zeh nicht schlau. Auch hier im Forum scheint dies nicht klar zu sein bzw. Verwirrung darüber zu herrschen. Es scheint mir, dass der physikalische Raum oft mit dem abstrakten Zustandsraum verwechselt wird. Ein physikalischer 3-D Raum kann beliebig viele Teilchen enthalten mit den 3 Koordinaten (x,y,z). Ein Zustandsraum der den Zustand z.B. eines 10-Teilchensystems im 3-D Raum beschreibt, hat dann 3 mal 10 Dimensionen. Ein Punkt dieses Raums beschreibt dann genau einen möglichen Zustand des 10-Teilchensystems im 3-D Raum (bezogen auf den Ort der Teilchen).
Soweit mein Verständnis zu den Dimensionen, deswegen gehe ich immer noch davon aus, dass die VWT nur 4 Raumdimensionen benötigt. Ich kann mich aber auch durchaus täuschen - das wäre nicht das erste mal!
Viele Grüße!
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  #17  
Alt 24.06.10, 23:49
RoKo RoKo ist offline
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Standard AW: VWT/Parelleluniversen, David Deutsch

Hallo Hacker,

Zitat:
Zitat von Knut Hacker Beitrag anzeigen
.. wissenschaftlichen Grundsatz , dass von mehreren Erklärungsmöglichkeiten diejenige vorzuziehen ist, die die geringste Komplexität aufweist (Ockhams Rasiermesser: „ Ohne Zwang sollte man keine Vielheiten annehmen.“)
Die Quantenmechanik ist ein schönes Beispiel dafür, dass "Ockhams Rasiermesser" höchst unscharf ist, weil es von jeder Interpretation gegen jeweils alle anderen verwandt werden kann.

Viele-Welten-Theorie
Unter der Vorraussetzung, dass das Superpositionsprinzip, welches sich aus Schrödinger-Gleichung ergibt, allgemein gültig ist, sind "Viele-Welten" keine Annahme, sondern eine Konsequenz. Viel gravierender ist, dass als Konsequenz der Annahme u.a. die Gültigkeit des Energieerhaltungsprinzips in Frage gestellt werden muß, wofür es ansonsten keinen empirischen Beleg gibt.

Kopenhagener Deutung
Ob die KD überhaupt eine Erklärung oder eher deren Verweigerung ist, sei dahingestellt. Weniger komplex sind die Annahmen keinesfalls; man betrachte das völlig unbegründete Observablen-Konzept". Damit die KD überhaupt als physikalische Theorie gelten kann, ist stets ein klassisch zu beschreibendes Messgerät erforderlich. Die logische Konsequenz ist, dass der Evolutionsprozess des Universums auf den Kopf gestellt werden muß.

Bohmsche Mechanik
Die Konsequenz "vieler Welten" und die Aufkündigung des Energieerhaltungssatzes kann durch Annahme von Konfigurationen vermieden werden. Aber dann hat man eben zusätzliche Annahmen, die bei den Gegnern dieser Interpretation mit Ockhams Rasiermesser weggeschnitten werden.

Facit
Ockhams Rasiermesser ist kein wissenschaftlices Kriterium, sondern eine Waffe im Weltanschauungskrieg.
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  #18  
Alt 25.06.10, 00:07
RoKo RoKo ist offline
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Hallo future,

Zitat:
Zitat von future06 Beitrag anzeigen
.. gehe ich immer noch davon aus, dass die VWT nur 4 Raumdimensionen benötigt. Ich kann mich aber auch durchaus täuschen - das wäre nicht das erste mal!
Mit einer weiteren Raumdimension wäre aber nur max. ein Paralleluniversum zu realisieren.

Zitat:
Zitat von future06 Beitrag anzeigen
Ein Punkt dieses Raums beschreibt dann genau einen möglichen Zustand des 10-Teilchensystems im 3-D Raum (bezogen auf den Ort der Teilchen).
Igit!! Das ist Bohmsche Mechanik.
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Ge?ndert von RoKo (25.06.10 um 00:17 Uhr)
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  #19  
Alt 25.06.10, 14:00
future06 future06 ist offline
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Zitat:
Zitat von RoKo Beitrag anzeigen
Mit einer weiteren Raumdimension wäre aber nur max. ein Paralleluniversum zu realisieren.
Bist du sicher? Wieviele 2D-Räume kann denn ein 3D-Raum enthalten?

Die 4D-Raumzeit enthält ja auch unendlich viele 3D-Räume, die Welt von gestern unterscheidet sich ja durchaus von der Welt von heute. Das gilt auch für jeden Augenblick. Eine zusätzliche Raumdimension wird somit auch unendlich viele 3D-Räume enthalten können.

Zitat:
Igit!! Das ist Bohmsche Mechanik.
Nein, das war nur ein Beispiel für den Unterschied zwischen physikalischen Raumdimensionen und Dimensionen von abstrakten Zustands- oder Konfigurations- oder Phasenräumen oder allgemein Vektorräumen.

Grüße!
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  #20  
Alt 25.06.10, 18:30
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: VWT/Parelleluniversen, David Deutsch

Warum weigert man sich eigentlich trotz aller Erkenntnisse der Kognitionswissenschaften (Varela, Maturana) anzuerkennen, dass unsere begrifflichen Vorstellungen lediglich ein Konstrukte unseres Bewusstseins sind und keine Rückschlüsse auf eine gedachte Außenwelt zulassen?

Unsere Wahrnehmung im weiteren Sinn, nämlich

Sinneseindrücke,
Denken,
Fühlen,
Werten (Vergleichen, Beurteilen; ästhetisch, ethisch,orientierend),

ist

selektiv,
abstrahierend,
sezierend,
subjektivend (Qualia),
imaginierend .

Speziell unser Denken ist kategoristisch, nämlich

kontradiktorisch (Ja/Nein; Sein/Nichts; Seiend/Nichtseiend; Wahrheit/Unwahrheit),
raum-zeitlich,
partikularistisch (Ganzes/Teil; Objekt/Subjekt),
reduktionistisch ( kausalistisch, funktionalistisch, entelechistsch).

Es führt in letzter Abstraktion wegen der Anwendung der Kategorien auf sich selbst ( z.B.:Was war vor der Zeit? Was ist außerhalb des Raumes? Warum ist etwas und nicht nichts?) oder der Abstraktheit der Frageprämissen ( z.B.:Welchen Grund haben Gründe? Welchen Sinn hat Sinn?Wie viele Teile hat das Ganze, wenn jedes Teil wieder ein Ganzes darstellt?Alles hat Grenzen zu etwas jenseits Gelegenem; gibt es ein Jenseits aller Grenzen?) zur Selbstbezüglichkeit (Denkzirkel) oder Iteration (unendlicher Pro-, Regress).

Dass unsere Sinneseindrücke lediglich geistige Konstrukte sind, ist allgemein bekannt. Denn wer könnte zum Beispiel beschreiben, was Helligkeit, Dunkelheit und Farben, was Töne und Stille, was Düfte und Gestank, was süß, sauer und bitter, was Schmerz, Jucken und kitzlig „ist“?

Auch dass unsere Gefühle Bewusstseinskonstrukte sind, wird niemand bestreiten: Wer könnte Traurigkeit und Freude beschreiben?

Gegen die Erkenntnis, dass auch unsere Denkstrukturen und – inhalte bloße Bewusstseinkonstrukte sind (einschließlich dieser Erkenntnis), sträuben sich dagegen nahezu alle Menschen zumindest unseres westlichen Kulturkreises.

Sie erkennen gerade noch an, dass wertende Vorstellungen (Gerechtigkeit, Schönheit , Gut und Böse usw.) reine Geisteskonstrukte sind, aber nicht, dass dies auch für „Begriffe“ (geistige Erfassungen) wie „ Gegensätze“ (Sein und Nichtsein, Wahrheit und Unwahrheit, Ursache und Zufall, Sinn und Chaos, Notwendigkeit und Freiheit, Ganzes und Teil, Geist und Materie usw.) sowie Raum und Zeit gilt (nicht Wegdenkbares). Der Mensch will sich seinen Stolz auf seine „Vernunft“, die ihn vom Tier unterscheidet und ihn sich selbst zur „Krone der Schöpfung“ erheben und Gott zu seinem Ebenbild (Ludwig Feuerbach) schaffen lässt, nicht rauben lassen.

Daher wurden bereits die Vorsokratiker, die schon vor 2500 Jahren aufzeigten, dass das Denken in letzter Konsequenz (Abstraktion) zu Paradoxien führt (zum Beispiel Zenon, Gorgias), als “Sophisten“ verschrien und wird die bereits hundertjährige Quantenphysik mit ihren unumstößlich paradoxen, experimentellen Ergebnissen auch heute noch nicht hinsichtlich ihrer erkenntnistheoretischen Konsequenzen (z.B. Komplementarität von Gegensätzen), sondern lediglich mathematisch-technisch als Grundlage für die Laser-und Computertechnik akzeptiert.

Auch die Chaosforschung, die insbesondere durch Computersimulationen den Gegensatz von Ganzem und Teil sowie Gesetz und Zufall in dynamisch-komplexe Prozesse auflöst und unser reduktionistisches, abstrahierendes Denken – wie zuvor schon die Quantenphysik – als grobe Vereinfachung (Idealisierung) der Naturerscheinungen entlarvt, wird von den Geisteswissenschaftlern weitgehend ignoriert (von den Religionen ganz zu schweigen).

Unserem – somit kreativen – Denken stellt sich letztlich die philosophische Grundfrage, warum überhaupt etwas und nicht nichts ist (Leibnitz).Diese Frage ist aber – abgesehen von den Paradoxien, dass „nichts“ nicht sein kann, ohne doch etwas zu sein, und schon deshalb auch das Sein als bloßes denknotwendiges Gegenteil des Nichts nicht sein kann, aber auch deshalb nicht, weil es seinerseits wiederum Gegenstand des Seins sein und sich daher bereits selbst voraussetzen müsste – schon deshalb absurd, weil es einen Grund – also selbst etwas Seiendes – nur IN einem Sein geben kann und daher nicht auch FÜR ein solches.

Die Paradoxien unseres Denkens entstehen letztlich dadurch, dass versucht wird, Fragen, die das abstrakte Denken aufwirft, mit eben diesem Denken zu beantworten, so dass es zu einer Rückkoppelung des Denkens kommt.Dem abstrakten Denken steht keine Metaebene mehr zur Verfügung, auf der sich noch abstraktere Antworten finden ließen (was ja zu einem unendlichen Progress führen würde; vergleiche auch Gödel).
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