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Quantenmechanik, Relativitätstheorie und der ganze Rest. Wenn Sie Themen diskutieren wollen, die mehr als Schulkenntnisse voraussetzen, sind Sie hier richtig. Keine Angst, ein Physikstudium ist nicht Voraussetzung, aber man sollte sich schon eingehender mit Physik beschäftigt haben.

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  #1  
Alt 11.08.11, 18:51
Benjamin Benjamin ist offline
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Registriert seit: 14.07.2010
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Frage Das Proton im H-Atom

Die Lösungen der Schrödingergleichung für das H-Atom werden bis heute hoch gepriesen. Sie bieten eine gute Abschätzung der Energieniveaus und Aufenthaltsorte des Elektrons im Atom. Freilich ist schon hinlänglich bekannt, dass diese Lösungen nicht völlig exakt sein können. Aus mehreren Gründen, wie zB. der Vernachlässigung relativistischer Effekte, dem Kernspin, usw.

Beim genaueren Hinsehen kann man aber auch noch aus einem ganz anderen Grund in Schwierigkeiten geraten, der mir lange Zeit nicht bewusst war, und den ich hiermit zur Diskussion stelle.
Das Schrödingermodell zum H-Atom geht davon aus, dass das Proton konzentriert in der Mitte sitzt und quasi keine Ausdehnung hat. Es ist also punktförmig und liefert ein kugelsymmetrisches Coulombpotential, wonach die Lösungen der Wellenfunktionen fürs Elektron hergeleitet werden. Dies ist aber eine äußert unbefriedigende Annahme. Freilich kann man argumentieren, das Proton sei wesentlich schwerer als das Elektron und somit könne man dessen Bewegung vernachlässigen. Dem halte ich entgegen, dass nicht nur das Proton das Elektron bindet, auch das Elektron muss das Proton binden.
Damit gelangen wir jedoch zur Frage, wie denn das Proton gebunden wird. Geht man davon aus, dass das Proton sich auf 1,5fm konzentriert, also sprich sich innerhalb des dafür angenommenen Atomkernradius aufhält, müssen wir ihm eine de-Broglie-Wellenlänge von maximal ~3fm zusprechen. Das entspricht aber einer kinetischen Energie des Protons von rund 182MeV. Damit das Elektron ein so schnelles Proton binden kann, müsste es ihm damit jedoch auf ca. 8am (Attometer!) Nahe kommen.
Man sieht, dass dies unterhalb der de-Broglie-Wellenlänge ist, und somit nicht einmal ein Bindungszustand sein kann! Ganz abgesehen davon, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons viel weiter vom Proton entfernt ist.

Dazu also meine Frage: Wie um alles in der Welt schafft es das Elektron, das Proton zu binden?
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"Gott würfelt nicht!" Einstein
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  #2  
Alt 11.08.11, 22:20
Hawkwind Hawkwind ist offline
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Standard AW: Das Proton im H-Atom

Das machst du völlig analog zum Keplerproblem; du wählst statt des Ruhesystems einer der beiden Massen (hier Ladungen) ein Inertialsystem zur Beschreibung des Problems: das Schwerpunktsystem. Nach Einführung von Relativkoordinaten bekommst du ein echtes 1-Körperproblem.

Auf diese Diskussion wird in Textbüchern meist verzichtet, weil das Schwerpunktsystem praktisch identisch mit dem des Kerns ist.

Siehe z.B.
http://physik.wikia.com/wiki/Das_Wasserstoffatom

im Abschnitt "Quantenmechanische Behandlung".

War das überhaupt die Frage gewesen?
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  #3  
Alt 13.08.11, 16:06
Benjamin Benjamin ist offline
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Registriert seit: 14.07.2010
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Standard AW: Das Proton im H-Atom

Ich kenne die Zweikörperlösung für das H-Atom. Sie führt, wie du auch sagst, wieder zu einem Einkörperproblem mit selbem Potential. Anstatt der Elektronenmasse wird hier einfach die reduzierte Masse verwendet.

Darauf zielte meine Frage aber nicht ab. Ich will sie noch einmal anders formulieren: Für das H-Atom wird angenommen das Potential mit dem die Elektronen wechselwirken, habe ein wohldefiniertes Zentrum. Es wird so getan als wäre der Ort des Protons scharf bestimmt. Aussage der QM ist es aber, dass wir über den Ort nur Wahrscheinlichkeitsaussagen machen können. Was rechtfertigt die Annahme, wir können dem Potential ein definiertes Zentrum zusprechen?
Das Proton wird sozusagen als klassisches Teilchen angenommen, das einen genau definierten Ort hat und zugleich einen Impuls von null. Es hat also all die Eigenschaften, die genau genommen das Elektron nicht haben darf, damit wir zu einem funktionierenden Atommodell gelangen.

Warum?
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"Gott würfelt nicht!" Einstein
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  #4  
Alt 13.08.11, 19:28
Hawkwind Hawkwind ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 22.07.2010
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Standard AW: Das Proton im H-Atom

Zitat:
Zitat von Benjamin Beitrag anzeigen
Ich kenne die Zweikörperlösung für das H-Atom. Sie führt, wie du auch sagst, wieder zu einem Einkörperproblem mit selbem Potential. Anstatt der Elektronenmasse wird hier einfach die reduzierte Masse verwendet.

Darauf zielte meine Frage aber nicht ab. Ich will sie noch einmal anders formulieren: Für das H-Atom wird angenommen das Potential mit dem die Elektronen wechselwirken, habe ein wohldefiniertes Zentrum. Es wird so getan als wäre der Ort des Protons scharf bestimmt. Aussage der QM ist es aber, dass wir über den Ort nur Wahrscheinlichkeitsaussagen machen können. Was rechtfertigt die Annahme, wir können dem Potential ein definiertes Zentrum zusprechen?
Sicher ist das Proton keine Punktladung. Wenn wir aber in das System gehen, in dem der Erwartungswert seines Zentrums im Ursprung liegt, dann dürfen wir auf jeden Fall eine kugelsymmetrische Ladungsverteilung annehmen, denn es gibt keine ausgezeichnete Richtung.
Man kann nun mit Hilfe des Gaussschen Satzes zeigen, dass das Feld ausserhalb dieser Ladungsverteilung exakt ein Coulomb-Potential ist. Ich schätze, dieses Argument aus der klassischen Elektrodynamik ist dir bekannt, aber vielleicht interessiert es andere:

research.physics.illinois.edu/PER/unit4.pdf
Seite 2, Example C

Ich denke, die Fehler, die man durch Vernachlässigung der Relativistik - insbesondere des Spins und seiner Konsequenzen - macht, sind viel gravierender.

Gruß,
Hawkwind
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  #5  
Alt 13.08.11, 19:33
Benutzerbild von eigenvector
eigenvector eigenvector ist offline
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Standard AW: Das Proton im H-Atom

Zitat:
Zitat von Benjamin Beitrag anzeigen
Ich kenne die Zweikörperlösung für das H-Atom. Sie führt, wie du auch sagst, wieder zu einem Einkörperproblem mit selbem Potential. Anstatt der Elektronenmasse wird hier einfach die reduzierte Masse verwendet.

Darauf zielte meine Frage aber nicht ab. Ich will sie noch einmal anders formulieren: Für das H-Atom wird angenommen das Potential mit dem die Elektronen wechselwirken, habe ein wohldefiniertes Zentrum.
Aber wenn man die Transformation vorgenommen hat, tut man doch genau das nicht mehr.

Dann nimmt man an, dass sich die Relativkoordinate mit einer modifizierten Masse um ein Potential um den Ursprung dieser Relativkoordinate bewegt.
Und dieser Ursprung ist in Bezug auf die relativen Koordinaten natürlich immer wohldefiniert.

Man hebt damit natürlich nicht die Unschärfe der Schwerpunktskoordinate auf, aber diese Bewegung lässt sich ja abseparieren.
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  #6  
Alt 15.08.11, 12:43
Benjamin Benjamin ist offline
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Standard AW: Das Proton im H-Atom

Zitat:
Zitat von Hawkwind Beitrag anzeigen
Sicher ist das Proton keine Punktladung. Wenn wir aber in das System gehen, in dem der Erwartungswert seines Zentrums im Ursprung liegt, dann dürfen wir auf jeden Fall eine kugelsymmetrische Ladungsverteilung annehmen, denn es gibt keine ausgezeichnete Richtung.
Das Coulomb-Potential gilt streng genommen nur für ruhende Ladung, nicht für bewegte Punktladungen, für die gilt das Liénard-Wiechert-Potential. Womit wir wieder zu der Frage gelangen, ob das Proton soweit überhaupt als ruhend angenommen werden kann. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

Zitat:
Zitat von eigenvector Beitrag anzeigen
Und dieser Ursprung ist in Bezug auf die relativen Koordinaten natürlich immer wohldefiniert.
Warum? Damit sagst du doch aus, dass das Proton eine Punktladung ist, und zwar noch dazu eine ruhende Punktladung. Nach der QM kann es so etwas aber nicht geben.

Ich will die Problematik noch einmal anders beschreiben: Wir könnten z.B. das Elektron als unseren Koordinatenursprung wählen und nun die Wellenfunktionen für das Proton berechnen. Können wir nun auch noch einfach ein Coulomb-Potential annehmen mit wohldefnierten Ursprung? Damit gelangten wir ja - geometrisch gesehen - zu denselben Lösungen, wie für das Elektron nur sitzen die Energieniveaus deutlich tiefer. Freilich ist davon auszugehen, dass das Elektron keinen Ursprung eines Inertailsystems darstellen wird. Noch viel weniger als das Proton. Das Grundproblem bleibt aber dasselbe: Ist das Coulombpotential noch gültig und gibt es einen wohldefnierten Ursprung? Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Annahmen noch zutreffen.
Viel gewichtiger wird es noch, wenn wir die Lösungen für zwei Teilchen mit derselben Masse suchen. Kann die SG dafür noch ein gutes Ergebnis liefern?
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  #7  
Alt 15.08.11, 17:49
Benutzerbild von eigenvector
eigenvector eigenvector ist offline
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Standard AW: Das Proton im H-Atom

Zitat:
Zitat von Benjamin Beitrag anzeigen
Das Coulomb-Potential gilt streng genommen nur für ruhende Ladung, nicht für bewegte Punktladungen, für die gilt das Liénard-Wiechert-Potential.
Aber in dem klassischen Modell des Wasserstoff-Atoms nimmt man nunmal eine Coulomb-Wechselwirkung an

Zitat:
Zitat von Benjamin Beitrag anzeigen
Womit wir wieder zu der Frage gelangen, ob das Proton soweit überhaupt als ruhend angenommen werden kann. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.
Das Potential, das man dort annimmt ist nicht "das Potential des Protons", sondern das Wechselwirkungspotential.

Zitat:
Zitat von Benjamin Beitrag anzeigen
Warum? Damit sagst du doch aus, dass das Proton eine Punktladung ist, und zwar noch dazu eine ruhende Punktladung. Nach der QM kann es so etwas aber nicht geben.
Nein, das sage ich damit nicht.
Wir haben ein quantenmechanisches zwei-Teilchen-Problem, d.h. wir haben eine Wellenfunktion von zwei Koordinaten, die eine Koordinate beschreibt das Elektron, die andere das Proton.
Jetzt geht man aber hin und führt eine Transformation in Schwerpunkts- und Relativ-Koordinaten durch, d.h. man hat jetzt eine Wellenfunktion, die von diesen beiden Koordinaten abhängt.
Das Wechselwirkungspotential hängt nur von dem Abstand, also von der Relativkoordinate ab.
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  #8  
Alt 16.08.11, 00:47
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EMI EMI ist offline
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Standard AW: Das Proton im H-Atom

Rechnets doch hier mal vor, mit der Schrödingergleichung.

Gruß EMI
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Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen, und nicht mehr davon geistig erfasst haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst.
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  #9  
Alt 16.08.11, 09:25
Hawkwind Hawkwind ist offline
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Standard AW: Das Proton im H-Atom

Zitat:
Zitat von EMI Beitrag anzeigen
Rechnets doch hier mal vor, mit der Schrödingergleichung.

Gruß EMI
Hallo EMI,
... die Energieniveaus des Wasserstoffatoms ... ?
Das ist eine längere Geschichte, aber sehr instruktiv für einen Physikstudenten - sagen wir mal ab 4. Semester. Erst als ich das mal relativ unabhängig nachvollzogen hatte, wurde mir die Bedeutung der Quantenzahlen, mit denen man die Orbitale durchnumeriert, viel klarer.
Ohne Tips aus den Textbüchern zur Behandlung der partiellen Dgln. (Rückführung auf "bekannte" Standard-Dgln etc.) hat man aber keine Chance.
Schrödinger hatte das wohl als erster "durchgezogen", um die nach ihm benannte Gleichung zu testen. Das Ergebnis machte ihn sehr zuversichtlich, dass sie "passt".
Z.B. hier wird es durchgekaut:
http://frog.gatech.edu/lectures/lect...drogenAtom.ppt
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  #10  
Alt 16.08.11, 20:57
Benjamin Benjamin ist offline
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Zitat:
Zitat von eigenvector Beitrag anzeigen
Das Potential, das man dort annimmt ist nicht "das Potential des Protons", sondern das Wechselwirkungspotential.
Ja, das stimmt, wenn gleich dem Potential ein Teilchen zugeordnet wird.

Zitat:
Wir haben ein quantenmechanisches zwei-Teilchen-Problem, d.h. wir haben eine Wellenfunktion von zwei Koordinaten, die eine Koordinate beschreibt das Elektron, die andere das Proton.
Jetzt geht man aber hin und führt eine Transformation in Schwerpunkts- und Relativ-Koordinaten durch, d.h. man hat jetzt eine Wellenfunktion, die von diesen beiden Koordinaten abhängt.
Das Wechselwirkungspotential hängt nur von dem Abstand, also von der Relativkoordinate ab.[/
Das stimmt ebenso. Nur - wie auch du schon sagtest - bleibt an den Schwerpunktskoordinaten die qm Unschärfe haften, an den Relativ-Koordinaten aber nicht. Man tut sozusagen so, als ob der Abstand zwischen Proton und Elektron wohldefniert ist. Das Potential hängt schließlich von ihren Abstand ab. Der Abstand definiert sich über die Ortsvektoren. Die Ortsvektoren für sich unterliegen der Heissenbergschen Unschärfe. Der Abstand unterliegt ihr aber nicht. Warum?
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"Gott würfelt nicht!" Einstein

Ge?ndert von Benjamin (16.08.11 um 20:59 Uhr)
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