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Quantenmechanik, Relativitätstheorie und der ganze Rest. Wenn Sie Themen diskutieren wollen, die mehr als Schulkenntnisse voraussetzen, sind Sie hier richtig. Keine Angst, ein Physikstudium ist nicht Voraussetzung, aber man sollte sich schon eingehender mit Physik beschäftigt haben.

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  #1  
Alt 30.11.18, 18:26
wolfgang6444 wolfgang6444 ist offline
Newbie
 
Registriert seit: 25.11.2018
Beitr?ge: 18
Standard Quantenzahlen und Freiheitsgrade

Ich bin irritiert ueber die Behandlung des (Bahn-)Drehimpulses in der QM:

Irgendwie bin ich der (moeglicherweise falschen) Ueberzeugung, dass die Anzahl der Quantenzahlen eines Systems mit der Anzahl der Freiheitsgrade des klassischen Analogons uebereinstimmt. ??
Der klassische Drehimpuls hat aber drei frei waehlbare Komponenten, in der QM wird nur nach Betrag und Z-Komponente quantisiert. Wie passt das zusammen?
Konkretes Beispiel:
Das H-Atom hat 3 Quantenzahlen (ohne spin).
Das klassische Analogon eines e- um einen unendlichen schweren Kern hat aber 5 Freiheitsgrade (unter Vernachlaessigung von Ort und Impuls des Gesamtschwerpunktes):
z.B.
-Richtung und Abstand des Aphels (3)
-Im Aphel steht die Bahngeschwindigkeit senkrecht auf dem Radius => also noch ein Winkel und ein Betrag fuer den Impuls an diesem Punkt.
Also insgesamt 5 (innere) Freiheitgrade.
Wie passt das zusammen?
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  #2  
Alt 02.12.18, 10:34
Hawkwind Hawkwind ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 22.07.2010
Ort: Rabenstein, Niederösterreich
Beitr?ge: 3.057
Standard AW: Quantenzahlen und Freiheitsgrade

Zitat:
Zitat von wolfgang6444 Beitrag anzeigen
Ich bin irritiert ueber die Behandlung des (Bahn-)Drehimpulses in der QM:

Irgendwie bin ich der (moeglicherweise falschen) Ueberzeugung, dass die Anzahl der Quantenzahlen eines Systems mit der Anzahl der Freiheitsgrade des klassischen Analogons uebereinstimmt. ??
Der klassische Drehimpuls hat aber drei frei waehlbare Komponenten, in der QM wird nur nach Betrag und Z-Komponente quantisiert. Wie passt das zusammen?
Konkretes Beispiel:
Das H-Atom hat 3 Quantenzahlen (ohne spin).
Das klassische Analogon eines e- um einen unendlichen schweren Kern hat aber 5 Freiheitsgrade (unter Vernachlaessigung von Ort und Impuls des Gesamtschwerpunktes):
z.B.
-Richtung und Abstand des Aphels (3)
-Im Aphel steht die Bahngeschwindigkeit senkrecht auf dem Radius => also noch ein Winkel und ein Betrag fuer den Impuls an diesem Punkt.
Also insgesamt 5 (innere) Freiheitgrade.
Wie passt das zusammen?
Mal ein paar Gedanken dazu ...

Der Begriff des "Freiheitsgrads" (FG) spielt in der Thermodynamik oder statistischen Physik eine Rolle ("Gleichverteilungssatz" etc.) - so hat man für die kinetische Energie pro FG

Ekin = (1/2)*k*T

und für ein 1-atomiges ideales Gas erhält man




In der klassischen Physik lassen sich die Freiheitsgrade aus der Hamilton-Funktion ableiten; für ein 2-atomiges, ideales Gas ist diese



7 voneinander unabhängige Größen gehen quadratisch additiv in H ein; das sind die FG.

Dieses Konzept lässt sich aber nicht 1:1 auf die Quantenphysik übertragen. Eine Observable in der QM entspricht nur dann näherungsweise einem klassischen FG, wenn dieser FG sehr viele Zustände aufweist (am besten ein kontinuierliches Spektrum), und diese auch besetzt werden können, etwa bei hinreichend hohen Temperaturen.
Observablen in der QM, die ein diskretes Spektrum über nur wenige Zustände aufweisen, haben keinen "analogen" klassischen FG.

Ich weiss nicht, ob deine Frage überhaupt in diese Richtung ging?

Formeln sind aus Wiki: https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichverteilungssatz
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  #3  
Alt 02.12.18, 12:53
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Quantenzahlen und Freiheitsgrade

Man muss Freiheitsgrade und maximale Sätze vertauschbarer Observablen unterscheiden.

Für ein klassisches Teilchen ohne Rotationsfreiheitsgrade in N Dimensionen wird der 2N-dim. Phasenraum durch (x,p) mit den jeweils N-dim. Vektoren x, p aufgespannt. Allerdings sind nach Quantisierung von den zugehörigen Operatoren immer nur N aus den 2N gleichzeitig diagonalisierbar. Bei Vorliegen von Translationsinvarianz in k ≤ N Dimensionen erhält man daraus k erhaltene Impulse.

Alternativ kann man auch den Drehimpuls L betrachten. In N Dimensionen hat er N(N-1)/2 unabhängige Komponenten, d.h. man benötigt diese Anzahl an Drehwinkeln. Die maximale Anzahl k gleichzeitig diagonalisierbarer Generatoren entspricht dem sogenannten Rang der Liealgebra, d.h. der Dimension der sogenannten Cartan-Unteralgebra. Dabei ist

rank SO(N) = k

für

B(k) = SO(2k+1) = SO(N); k = (N-1)/2
D(k) = SO(2k) = SO(N); k = N/2

Außerdem existieren noch k sogenannte Casimir-Operatoren, d.h. Operatoren, die mit allen Generatoren vertauschen. Insgs. liefert uns dies 2k = (N-1) bzw. 2k = N untereinander vertauschende Operatoren, im Falle ungerader N also N-1, speziell der SO(3) gerade L² und L₃. Eine dritte vernünftige Observable ist der Hamiltonoperator H, der jedoch mit L² und L₃ nicht zwingend vertauscht. Mit N-1 haben wir also weniger als die erwarteten N Quantenzahlen.

D.h. dass die Konstruktion verschiedener Sätze gleichzeitig kommutierender Observablen i.A. nicht auf die selbe Anzahl von Quantenzahlen führen muss.

EDIT: speziell in N = 3, jedoch nicht für höhere N, haben wir im Falle des 1/r-Potentials eine erweiterte Symmetrie SO(4), die als zusätzliche Erhaltungsgröße den Lenz-Runge-Vektor liefert. D.h. für U ~ 1/r in N = 3 funktioniert dieses Argumentation nicht.

Ein weiteres Beispiel: betrachte den N-dim. harmonischen Oszillator. Er weist eine U(N) = U(1) * SU(N) Symmetrie auf. Für den Rang k der SU(N) gilt

rank SU(N) = k = N-1
rank U(N) = k+1 = N

D.h. die Darstellungen der SU(N) werden durch k Casimir-Operatoren sowie k weitere Quantenzahlen beschrieben, zusammen also 2k. Im Falle der SU(2), also dem 2-dim. harmonischen Oszillator mit k = 1 und 2k =2 führt das auf L² und L₃ (für den Bahndrehimpuls L = xp in der Vektordarstellung, d.h. keine halbzahligen Spins). Im Falle der SU(3), also dem 3-dim. harmonischen Oszillator, auf L² und einen kubischen Operator sowie L₃, L₈. D.h. für den N-dim. harmonischen Oszillator liegen 2k = 2(N-2) Quantenzahlen vor. Dazu kommt immer noch die erhaltene Gesamtenergie, die aufgrund der U(N) Symmetrie mit allen anderen Operatoren vertauscht.

D.h. dass die Konstruktion der Sätze gleichzeitig kommutierender Observablen sozusagen geschickt oder ungeschickt erfolgen kann, je nach Vorliegen bzw. Verwendung von Symmetrien. Bei genügend vielen Symmetrien übersteigt die Anzahl der Quantenzahlen offensichtlich die der Freiheitsgrade N.
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (02.12.18 um 14:44 Uhr)
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  #4  
Alt 17.12.18, 18:02
wolfgang6444 wolfgang6444 ist offline
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Standard AW: Quantenzahlen und Freiheitsgrade

O.K.,
wenn sich zu einem gegebenen Problem mehrere vollstaendige Saetze kommutierender Observabler finden lassen, die sich in der Anzahl dieser Observablen unterscheiden, dann ist meine naive Gleichsetzung Freiheitsgrade = Anzahl der Quantenzahlen offensichtlich Unsinn.

Mein konkretes Problem: Ich komme mit der quantenmechanischen Behandlung des Drehimpulses nicht klar:
Bei der Berechnung der kanonischen Zustandssumme eines starren Koerpers kann man klassisch die drei Komponenten des Drehimpulses voellig getrennt behandeln und kommt so zu der mittleren Energie von 3/2kT pro Teilchen (ohne Translationsbeitrag).

Das geht quantenmechanisch so nicht mehr, da ja offenbar nur noch der Casimir-Operator und die z-Komponente des Drehimpulses vertauschen.

Wie funktioniert denn jetzt die Berechnung der kanonischen Zustandssumme fuer den allgemeinen starren Koerper?

In: https://www.uni-due.de/imperia/md/co...th_script3.pdf
findet man die Berechnung fuer ein 2-atomiges Gas. Das verstehe ich noch halbwegs:
Ein Hauptraegheitsmoment ist quasi 0 - hat also keine Rotationsenergie.
Die anderen beiden Hauptraegheitsmomente sind dann wohl gleich.

Der Casimir-Operator beschreibt dann die Gesamtrotationsenergie, und der 'zweite Freiheitsgrad' der zweiten Komponente von L steckt dann in der Nebenquantenzahl mz und manifestiert sich in der Zustandssumme ueber die Entartung der "Casimir-Zustaende'.

Und wie geht das jetzt wenn ich alle 3 Rotationen anregen kann? Mit jeweils unterschiedlichem Haupttraegheitsmoment? Dann fehlt mir irgendwie eine Quantenzahl um das zu beschreiben? Fuer hohe Anregungen muss man ja irgendwie wieder zum klassischen Ergebnis kommen.

Ge?ndert von wolfgang6444 (17.12.18 um 18:05 Uhr) Grund: Typo
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  #5  
Alt 17.12.18, 23:06
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
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Standard AW: Quantenzahlen und Freiheitsgrade

Der statistische Operator lautet

ρ = exp[-βH]

β = 1/kT

Die Zustandssumme folgt mittels Spurbildung

Z = tr ρ = ∑ ⟨n|ρ|n⟩

wobei |n⟩ für beliebige Basisvektoren steht. Für einen vollständigen Satz kommutierender Observablen A₁, A₂, ... mit Eigenwerten a₁, a₂, ... ist das dann |a₁, a₂, ...⟩
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  #6  
Alt 18.12.18, 08:57
wolfgang6444 wolfgang6444 ist offline
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Standard AW: Quantenzahlen und Freiheitsgrade

So weit, so klar,

Die Frage ist, was ist denn der geeignete vollstaendige Satz kommutierender Observabler fuer den allgemeinen starren Koerper mit 3 unterschiedlichen und von Null verschiedenen Haupttraegheitsmomenten?

Naheliegend waeren Lx,Ly,Lz - die kommutieren aber nicht.
Oft genommen: L^2 uns Lz - die koennen aber bei 3 unterschiedlichen und von Null verschiedenen Haupttraegheitsmomenten kaum vollstanedig sein.
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  #7  
Alt 18.12.18, 19:14
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TomS TomS ist offline
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Beitr?ge: 3.124
Standard AW: Quantenzahlen und Freiheitsgrade

Siehe hier:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Rigid_rotor
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Rigi...al_rigid_rotor
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Wigner_D-matrix

Hilft dir das weiter?
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drehimpuls, h-atom, quantenzahlen

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