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Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

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  #1  
Alt 12.11.09, 22:45
RoKo RoKo ist offline
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Registriert seit: 12.11.2009
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Standard Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Bekanntermaßen geht die „Viele Welten“-Interpretation auf Huge Everett und seine Dissertation im Jahre 1957 zurück; von ihm damals noch relative Welten genannt.

Einer der ersten Deutschen, die an diese Arbeit anknüpften, war Prof. Hans Dieter Zeh. Wie dessen Homepage zu entnehmen ist, geschah dies bereits 1966. Wegen des Verstoßes gegen die allgemeine Lehrmeinung kam es allerdings erst vier Jahre später zu einer Veröffentlichung.

Zeh 1970: in „Dynamics of Quantum Correlations“ (www.zeh-hd.de )

„Wenn die Schrödinger-Gleichung als allgemein gültig angenommen wird, dann können sich physikalische Systeme nur in Ausnahmefällen in einem unkorrelierten Zustand befinden.“ (vom Autor aus dem Englischen ins Deutsche zurückübersetzt.)

Dies ist die Grundannahme, auf deren Basis die Erforschung der Dekohärenz angegangen wurde und auf der die „Viele Welten“-Interpretation, zumindest in der von Zeh vertretenen Variante, beruht. Einem Aufsatz von Erich Joos (Joos 2006) ist darüber hinaus zumindest indirekt zu entnehmen, dass auch er von dieser Grundannahme ausgeht. Die „Viele Welten“-Interpretation steht oder fällt daher meiner Meinung nach mit dieser Grundnahme.

Zweifel stellen sich natürlich bereits wegen der „ontologischen Aufwendigkeit“ (Esfeld 2008) ein. Doch das ist keine Widerlegung. Betrachtet man hingegen die derzeitige experimentelle Praxis; hier sei auf die Versuche von Anton Zeilinger mit verschränkten Photonen etc. hingewiesen (diese dürften durch mehrere populäre Veröffentlichungen hinreichend bekannt sein), dann scheint es zumindest so, dass eher das Gegenteil der Fall, also Quantenkorrelationen (Verschränkungen) die Ausnahme sind.

Liest man nun noch einmal nach, was der Autor der Schrödiner-Gleichung (also Erwin Schrödinger selbst) 1935 in seinem berühmten Aufsatz „Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik“ geschrieben hat, dann stellt man zumindest einen Widerspruch fest. Entweder Schrödinger liegt richtig, dann ist die o.a. Grundannahme falsch, oder Schrödinger irrt.


(Joos 2007) = http://hdl.handle.net/2003/24483
(Schrödinger 1935) = googeln, ich hab das Original aus dem Internet, weiss aber nicht mehr woher.
(Esfeld 2008) = Michael Esfeld , „Naturphilosophie als Metaphysik der Natur“ [Das ist ein Buch!]
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  #2  
Alt 12.11.09, 23:34
RoKo RoKo ist offline
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Standard AW: Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Für alle, die nicht original Schrödinger lesen wollen, hier meine Interpretation seiner Argumente:

Das Absolutquadrat der Wellenfunktion wird als Wahrscheinlichkeit für einen Messwert interpretiert. Schrödinger bezeichnet dies als Erwartungskatalog. Wenn sich nun zwei Systeme, die durch zwei Wellenfunktionen beschrieben werden, verschränken, dann hören die beiden Wellenfunktionen auf, zu existieren und es entsteht eine gemeinsame Wellenfunktion, in deren „Erwartungskatalog“ nun eine Beziehung, eine Korrelation zwischen den beiden Subsystemen besteht.

[ In Anlehnung an allgemein bekannte Experimente besteht diese Beziehung zwischen den Subsystemen A und B in Form einer Gleichung; z.B. Spin A + Spin B =1 oder auch Polarisation A = Polarisation B]

Wann immer nun eine „Messung“ bezüglich der korrelierten Größe vorgenommen wird, ist das Ergebnis der ersten, jungfräulichen Messung zufallsbedingt – instantan steht damit der Zustand des jeweils anderen Subsystems fest. Damit entstehen nun wiederum zwei vollständige „Erwartungskataloge“ = zwei unabhängige Wellenfunktionen = die Verschränkung ist aufgehoben.

Ich gehe derzeit davon aus, das Schrödinger eher recht hat, da die experimentellen Befunde für ihn sprechen.
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  #3  
Alt 12.11.09, 23:58
Uli Uli ist offline
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Standard AW: Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Die Frage nach "richtig" oder "falsch" stellt sich m.E. nicht. Die unterschiedlichen Interpretationen der Quantenmechanik sind ja per Experiment gar nicht voneinander zu unterscheiden; sie sind allesamt so gewählt, dass sie die Vorhersagen der Quantentheorie produzieren.

Nicht ohne Grund spricht man von "Interpretationen" oder "Deutungen" und nicht von Theorien. Für mich ist das eher eine Geschmackssache, was man bevorzugt oder ob man sich vielleicht sogar auf die minimalistische Interpretation der QM beschränkt.

Gruß,
Uli
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  #4  
Alt 13.11.09, 00:06
RoKo RoKo ist offline
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Registriert seit: 12.11.2009
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Standard AW: Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Schrödingers Argumentation läuft abder darauf hinaus, das die VWT eben nicht die Vorhersagen der QT reproduziert. Die experimentellen Befunde zeigen nur, das Schrödingers Argumente wohl richtig sind.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover

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  #5  
Alt 13.11.09, 01:30
Benutzerbild von JoAx
JoAx JoAx ist offline
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Standard AW: Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Willkommen RoKo,

Zitat:
Zitat von RoKo Beitrag anzeigen
Schrödingers Argumentation läuft abder darauf hinaus, das die VWT eben nicht die Vorhersagen der QT reproduziert. Die experimentellen Befunde zeigen nur, das Schrödingers Argumente wohl richtig sind.
jetzt stelle ich das, was ich über die VWI hier gelernt habe, auf den Prüfstand. Wenn ich falsch liege, werde ich ganz schnell berichtigt.

Ich denke, dass ein VWI-ler darauf so antworten würde, dass eine Verschränkung bei jeder Messung vorliegt. Nur verschränken sich dabei nicht zwei Photonen, wie es in den Experimenten gemacht wird (z.B), sondern das ganze Universum (zumindestens aber die Apparatur, die misst). Wir schauen nur nicht danach. (bzw. können es gar nicht)


Gruss, Johann
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  #6  
Alt 13.11.09, 08:04
Uli Uli ist offline
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Standard AW: Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Zitat:
Zitat von JoAx Beitrag anzeigen
Willkommen RoKo,



jetzt stelle ich das, was ich über die VWI hier gelernt habe, auf den Prüfstand. Wenn ich falsch liege, werde ich ganz schnell berichtigt.

Ich denke, dass ein VWI-ler darauf so antworten würde, dass eine Verschränkung bei jeder Messung vorliegt. Nur verschränken sich dabei nicht zwei Photonen, wie es in den Experimenten gemacht wird (z.B), sondern das ganze Universum (zumindestens aber die Apparatur, die misst). Wir schauen nur nicht danach. (bzw. können es gar nicht)


Gruss, Johann
Naja, das ist nicht das, was man in der Quantenmechanik als Verschränkung bezeichnet, sondern eher ein Bild, das man erhält wenn man all die Wellenfunktionen aus den unbeobachtbaren Parallelwelten zu einer einzigen in einer Art Multi-Universe-Hilbertraum kombiniert. Da ist einfach zuviel prinzipiell Unbeobachtbares drin, um so eine Aussage überprüfbar zu machen: es ist einfach ein Bild, das mancher nützlich finden mag.

Verschränkungen zwischen 2 Wellenfunktionen in 2 unterschiedlichen Universen, zwischen denen es keine Wechselwirkungen gibt (die also keine Informationen austauschen) finde ich persönlich ziemlich "witzlos". Was zählt, das sind beobachtbare Verschränkungen (IMHO).

Gruß,
Uli
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  #7  
Alt 13.11.09, 09:37
Benutzerbild von JoAx
JoAx JoAx ist offline
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Standard AW: Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Hallo Uli,

Zitat:
Zitat von Uli Beitrag anzeigen
Da ist einfach zuviel prinzipiell Unbeobachtbares drin, um so eine Aussage überprüfbar zu machen:
da bin ich mit dir einverstanden, aber die Gegenargumentation wird wohl sein, dass wenn etwas von Menschen nicht aktiv festgestellt wird, heisst es noch lange nicht, dass es nicht vorgeht. (imho)

Als völlig haltlose Spekulation will ich es nicht abtun, aber befriedigend ist es für mich (noch) nicht. Deswegen

Zitat:
Zitat von Uli Beitrag anzeigen
es ist einfach ein Bild, das mancher nützlich finden mag.
- ja.


Gruss, Johann
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  #8  
Alt 13.11.09, 07:58
Uli Uli ist offline
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Standard AW: Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Zitat:
Zitat von RoKo Beitrag anzeigen
Schrödingers Argumentation läuft abder darauf hinaus, das die VWT eben nicht die Vorhersagen der QT reproduziert. Die experimentellen Befunde zeigen nur, das Schrödingers Argumente wohl richtig sind.
Du meinst dieses Zitat von Schrödinger ?
Zitat:
Zitat von Schrödinger
Wann immer nun eine „Messung“ bezüglich der korrelierten Größe vorgenommen wird, ist das Ergebnis der ersten, jungfräulichen Messung zufallsbedingt – instantan steht damit der Zustand des jeweils anderen Subsystems fest. Damit entstehen nun wiederum zwei vollständige „Erwartungskataloge“ = zwei unabhängige Wellenfunktionen = die Verschränkung ist aufgehoben.
Welche der Interpretationen sollte dieser Aussage denn widersprechen ?
Das ist doch interpretationsunabhängige Quantenmechanik pur, oder nicht ?

Gruß,
Uli
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  #9  
Alt 13.11.09, 13:36
RoKo RoKo ist offline
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Standard AW: Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Nein. Ich meine §10 letzter Absatz:

Zitat:
Von der Form, in der man die PSI-Funktion zuletzt gekannt, zu der neuen, in der sie wieder auftritt, führt kein stetiger Weg - er führte eben durch die Vernichtung. Kontrastiert man die zwei Formen, so erscheint die Sache als Sprung. In Wahrheit liegt wichtiges Geschehen dazwischen, nämlich die Einwirkung zweier Körper aufeinander, während welcher das Objekt keinen privaten Erwartungskatalog besaß und auch keinen Anspruch darauf hatte, weil es nicht selbstständig war.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover

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  #10  
Alt 13.11.09, 08:15
möbius möbius ist offline
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Standard AW: Kann die „Viele Welten“-Interpretation der QM richtig sein?

Zitat:
Zitat von Uli Beitrag anzeigen
Die Frage nach "richtig" oder "falsch" stellt sich m.E. nicht. Die unterschiedlichen Interpretationen der Quantenmechanik sind ja per Experiment gar nicht voneinander zu unterscheiden; sie sind allesamt so gewählt, dass sie die Vorhersagen der Quantentheorie produzieren.

Nicht ohne Grund spricht man von "Interpretationen" oder "Deutungen" und nicht von Theorien. Für mich ist das eher eine Geschmackssache, was man bevorzugt oder ob man sich vielleicht sogar auf die minimalistische Interpretation der QM beschränkt.

Gruß,
Uli
Volle Zustimmung, Uli!

Es macht auch wenig Sinn, wenn sich beispielsweise 10 Germanistik-Professoren darüber streiten, welche ihrer Interpretationen/Deutungen einer KAFKA-Parabel beispielsweise denn nun "richtig"/"falsch" sei ...
Allerdings lässt sich über "Geschmack" trefflich streiten ...(wenn man das will!)
Gruß, möbius
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