Ein Kommentar von Dr. Joachim Schulz, DESY Hamburg:
->Antwort von Birgit Bomfleur, Quanten.de Redaktion
->Antwort von Joachim Schulz
->Antwort von Birgit Bomfleur
->Antwort von Joachim Schulz
Liebe Frau Bomfleur,
bein letzten Newsletter ist Ihnen meines Wissens ein kleiner Fehler
unterlaufen. Die Kopenhagener Deutung ist nicht unter Niels Bohr, sondern
unter Max Born in Göttingen entwickelt worden. Max Born erhiert
hierfür den Nobelpreis. Ihren Namen hat die Interpretation daher, dass sie
von dem berühmten Kopenhagener Institut um Niels Bohr vertreten wurde.
Viele Grüße,
Joachim Schulz
Antwort von Birgit Bomfleur, Quanten.de Redaktion:
Lieber Herr Schulz,
vielen Dank für Ihren Kommentar zu meinem Newsletter.
Ich habe mich nochmal schlau gemacht über den Urheber der
Kopenhagender Deutung.
Jedoch wird sowohl in John Gribbins Buch "Schrödingers Kätzchen
und die Suche nach der Wirklichkeit" wie auch in dem
"Wörterbuch Physik" von Pedro Waloschek
Niels Bohr als Begründer der Kopenhagener Deutung
angegeben. In dem "Fachlexikon abc Physik" (Verlag Harri
Deutsch) werden neben Bohr
auch Werner Heisenberg und J. von Neumann genannt.
Allerdings hat Max Born ebenfalls zu der Entwicklung dieser
Interpretation beigetragen. Ein sehr wichtiger Beitrag Borns
war die 1926 gegebene statistische Interpretation der
Schrödingerschen Wellenfunktion, für die er 1954 den Nobelpreis erhielt.
Diese gibt die Wahrscheinlichkeit an, ein bestimmtes
Messresutat zu erhalten, aber der Vorgang der Messung durch
einen Kollaps der Wellenfunktion wird nicht erläutert.
Wenn Sie Quellen kennen, die Max Born als Begründer nennen,
würde ich mich freuen, wenn Sie mir diese nennen können.
Viele Grüße
Birgit Bomfleur
Antwort von Joachim Schulz:
Liebe Frau Bomfleur,
Die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik deutet das Betragsquadrat
der Wellenfunktion als Wahrscheinlichkeit, das Teilchen zu detektieren.
Diese Deutung wird in Fachbüchern meist als "statistische Deutung"
bezeichnet und geht auf Max Born zurück, der sie 1926 in der "Zeitschrift
für Physik" veröffentlichte. Diese noch sehr spezielle und mathematische
Formulierung wurde dann in Kopenhagen von Niels Bohr und Werner Heisenberg
weiterentwickelt und philosophisch gedeutet (N. Bohr, Naturwissen-
schaften 16, Seite 245 (1928) und W. Heisenberg, Zeitschift für
Physik 43, Seite 172 (1927)). Auch Paul A. M. Dirac, der in enger
Verbindung zu Heisenberg stand, trud zu dieser Deutung bei (Proceedings of
the Royal Society 1927). Alle diese Angaben habe ich aus
"Physikalische Prinzipien der Quantentheorie" von W. Heisenberg(1958).
Auch in dem Buch von Friedrich Hund "Geschichte der Quantentheorie" (1967)
wird es so geschildert.
"Kopenhagener Deutung" und "statistische Interpretation" sind also
Synonyme. So sieht es auch das zweibändige Physiklexikon vom Brockhaus
Verlag (Ost), in dem unter dem Stichwort "Kopenhagener Deutung" ein
Verweis auf die statistische Interpretation der Quantenmechanik zu finden
ist.
W. Heisenberg erwähnt übrigens schon im oben genannten Buch (eine
Vorlesung von 1929!), dass die satistische Interpretation darauf beruht,
dass "der Einfluss der Messaparate auf das zu messende System anders
behandelt wird, als der gegenseitige Einfluss der Teile des Systems." Die
Frage, ob man den Kollaps der Wellenfunktion auch rein Quantenphysikalisch
erklären kann, ist also schon alt. Neu ist nur, dass zur Dekohärenz
mittlerweile schöne Messungen vorliegen und große Systeme nummerisch
immer besser behandelbar werden. Das Einführen von Dekohärenz in die
Theorie ist aber immer noch sehr schwer.
Die relativ neuen Messungen zum EPR-Phänomen zeigen aber dennoch, dass
eine Messung eine nichtlokale Wirkung auch auf weit verteilte
Wellenfunktionen nichtchaotischer Systeme hat.
Viele Grüße,
Joachim Schulz
Antwort von Birgit Bomfleur, Quanten.de Redaktion:
Lieber Herr Schulz,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
"Meine" Bücher habe ich bisher immer so verstanden, dass
die "statistische Interpretation" und die "Kopenhagener Deutung"
nicht identisch sind. Wenn Sie nichts dagegen habe, würde ich
unseren E-Mail-Austausch gerne auf unserem Quanten-Portal
veröffentlichen. Möglicherweise unterliegen andere ja dem selben
Irrtum wie ich.
Viele Grüße
Birgit Bomfleur
Antwort von Joachim Schulz:
Liebe Frau Bomfleur,
mit der Veröffentlichung unserer e-mails bin ich einverstanden.
Ich denke, der Grund dafür, dass die Kopenhagener Deutung oft unabhängig
von der statistischen Deutung gesehen wird, ist der, dass der Kollaps der
Wellenfunktion das ist, was an dieser Deutung wirklich erschüttert. Dieser
Kollaps folgt aus der Wahrscheinlichkeitsdeutung, wurde aber wohl erst von
Borh und Heisenberg herausgestellt. In Borns Arbeit (ich habe sie im
Original leider nicht gelesen) taucht dieser Kollaps sicher nur implitzit
auf, da sich seine Arbeit nur auf statistische Mittel, nicht aber auf
Einzelereignisse stützt.
Ein weiterer Grund ist wahrscheinlich der, dass andere Interpretationen
der Quantenmechanik kaum noch erwährnt werden. Zu nennen wäre da die
ursprüngliche Interpretation Schrödingers, der die Wellenfunktionen als
Dichtefunktionen auffasste und natürlich die Interpretation, dass die
Quantenmechanik nicht vollständig sein könne und es unbekannte Variablen
gäbe, die genauere Aussagen machen, als die Wellenfunktion. Letztere
Interpretation wurde z.B. von Albert Einstein vertreten und ist durch
neuere Experimente benahe widerlegt.
Freundliche Grüße,
Joachim Schulz
Ein Kommentar von Annette Schlemm:
->Antwort von Birgit Bomfleur, Quanten.de Redaktion
->Rückantwort von Annette Schlemm
->Kommentar hierzu von Alexander Weber
Hallo,
"Und Herr Newton hat uns das vor
über 300 Jahren auch anschaulich erklärt. Pech bloß:
Die klassische, Newtonsche Mechanik ist mittlerweile
längst durch die Quantenmechanik ersetzt worden."
Na so was... Rechnen die Baustatiker neuerdings mit der Quantentheorie? So
ein Blödsinn: Jede Theorie hat nur für Objekte einen Sinn, über die sie
etwas aussagen kann. Und Quantenzustände und das, was man in der
Quantentheorie sinnvoll "Objekt"/Gegenstand nennen kann, sind nun mal völlig
anders definiert als beispielsweise die physikalischen "Körper" im
klassisch-mechanischen Bereich.
Über die Bewegung von Planeten im Sonnensystem beispielsweise sagt die
Quantentheorie nichts. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Daß die klassische
Mechanik im Bereich der Quanten nichts zu suchen hat, ist ebenfalls einfach
eine Frage der Anwendbarkeit der jeweiligen Theorie, deren Bestimmung
zumindest studierten Leuten geläufig sein sollte.
Beste Grüße
Annette Schlemm
Antwort von Birgit Bomfleur, Quanten.de Redaktion:
Liebe Frau Schlemm,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Sicher haben Sie Recht, dass für einen
Baustatiker die Quantenmechanik recht ungeeignet ist. Auch die
Bewegung der Planeten im Sonnensystem wird durch die Quantentheorie
nicht erklärt.
Newtons Gesetze zur Bewegung und Gravitation sind für praktische
Zwecke im makroskopischen Bereich absolut ausreichend - aber
deswegen nicht unbedingt richtig. Insbesonders bei höheren
Geschwindigkeiten und sehr kleinen Dimensionen versagt die klassische
Mechanik, und es muss die allgemeiner gültige relativistische Mechanik
bzw. die Quantenmechanik herangezogen werden.
Zum Beispiel wird die Bewegung des Planeten Merkur durch die
Newtonsche Gravitationstheorie nicht richtig wiedergegeben - hierzu ist die
Relativitätstheorie nötig.
Die Quantenmechanik beschreibt vor allem Erscheinungen im atomaren
und molekularen Bereich (wo die Relativitätstheorie versagt) - aber auch
"makroskopische" Phänomene wie z.B. die Supraleitung werden durch sie
erfasst. Schließlich sind makroskopische Objekte aus Atomen und
Elektronen aufgebaut, für die die quantenmechanischen Gesetze gelten.
Für die Gravitation gibt es allerdings noch keine Quantentheorie.
Natürlich sind beide Theorien auch noch unvollständig, da sie nur für
bestimmte Teilgebiete gelten. Leider sind die Quantenmechanik und die
Relativitätstheorie nicht in Einklang zu bringen. Es muss eine neue Theorie
gesucht werden, die beide Theorien enthält.
Für den Baustatiker ist das alles jedoch nicht von Bedeutung, denn er wird
noch sehr lange die Gesetze der klassischen Physik für seine
Berechnungen verwenden.
Viele Grüße
Birgit Bomfleur
Rückantwort von Annette Schlemm:
Hi,
> Newtons Gesetze zur Bewegung und Gravitation sind für praktische
> Zwecke im makroskopischen Bereich absolut ausreichend - aber
> deswegen nicht unbedingt richtig.
Hier ist zu beachten, was in der Naturwissenschaft "richtig" heißen kann.
Selbstverständlich wird jede Anwendung einer Theorie "falsch", wenn ihre
jeweiligen Grundlagen nicht vorausgesetzt werden können. Bei den
verschiedenen physikalischen Theorien möchte ich noch einmal wiederholen:
hier werden aus der Realität zur weiteren Untersuchung z.T. völlig
unterschiedliche physikalische Größen gebildet. Deshalb ist nicht eine
Theorie für ein Gebiet entweder "richtig" oder "falsch", sondern sie ist
entweder anwendbar oder gar nicht anwendbar. Es macht nicht viel Sinn, zu
sagen, Newtons Gesetze wären für die Quantenobjekte "falsch" - sie sind
überhaupt gar nicht anwendbar, weil die vorausgesetzten Grundgrößen gar
keinen Sinn machen.
> Insbesonders bei höheren
> Geschwindigkeiten und sehr kleinen Dimensionen
> versagt die klassische Mechanik
Nicht "die Mechanik" versagt, sondern nur die wissenschaftlichen
Grundkenntnisse desjenigen, der sie hier anzuwenden versucht (zumindest
seit Einstein).
> Natürlich sind beide Theorien auch noch unvollständig, da sie nur für
> bestimmte Teilgebiete gelten. Leider sind die Quantenmechanik und die
> Relativitätstheorie nicht in Einklang zu bringen. Es muss eine neue
> Theorie gesucht werden, die beide Theorien enthält."
Ja, das wird der Gang der weiteren Erkenntnis sein. Ich warte auch schon
seit 20 Jahren auf Fortschritte auf diesem Gebiet. Von daher wird das
gegenseitige Verhältnis der "alten" Theorien auch besser verständlich
sein.
Mit besten Grüßen
Annette Schlemm
Kommentar hierzu von Alexander Weber
Hallo,
vielleicht sollte man hier etwas zur "Anwendbarkeit" physikalischer
Gesetze sagen. Man kann heute mit Sicherheit sagen, dass die Gesetze von
Newton "falsch" sind, da sie ja z.B. schon mal nicht lorentzinvariant
sind und wir heute wissen, dass ein physikalisches Gesetz, wenn es denn
überhaupt Anspruch auf Richtigkeit hegt, auf jeden Fall lorentzinvariant
sein muss. Aus diesem Grund hat auch Dirac die Schrödingergleichung
relativistisch erweitert, erstmal nur um eine "richtige" Beschreibung
der Quantenmechanik zu finden. Dass damit so weitreichende Konsequenzen
wie Spin und Antiteilchen verbunden waren musste dann ja auch erst mal
experimentell überprüft werden. Doch trotz allem lässt sich die
"offensichtlich" falsche Schrödingergleichung in vielen Situationen
anwenden, genauso wie sich die Newtonschen Gesetze in vielen
Situationen anwenden lassen.
Die Anwendbarkeit an sich gewährleistet
aber nicht die Richtigkeit einer Theorie. Allerdings lassen sich die
Newtonschen Gesetze als Grenzfall (h->0 Grenzfall cf. WBK-Methode) aus
der Schrödingergleichung ableiten, welche als nichtrelativistische
Näherung der Diracgleichung für spinlose Teilchen verstanden werden
kann. Damit begründet sich in gewisser Weise Newton in der
Diracgleichung. Umgekehrt fordert man auch, dass quantenmechanische
Gesetze im makroskopischen Grenzfall in die klassischen übergehen.
Auf diese Weise kommt man auch auf die Idee der Dekohärenz.
Die Quantenmechanik kann nicht einfach die Augen zu machen und sagen
"die Katze ist mir zu gross, darauf will ich nicht angewant werden".
Nein, die Quantenmechanik muss im Grenzübergang wohldefiniert sein.
Umgekehrt würde man auch als Physiker einen dummen Fehler
machen, wenn man nicht einsieht, dass man zur Berechnung der Fallzeit
eines Apfels vom Baum nicht die Diracgleichung zu bemühen braucht.
Andererseits wäre es aber auch falsch zu behaupten, die Diracgleichung
würde beim Apfel nicht zutreffen. Das Stichwort lautet "Näherung"! So
gibt es nur den harmonischen Oszillator und das Wasserstoffatom als
Probleme der Quantenmechanik, die exakt gelöst werden können. Alles
andere muss genähert werden und die Kunst besteht nun darin die
"richtigen" Näherungen zu finden. So können wir heute recht grosse
Moleküle mit erstaunlicher Genauigkeit berechnen und richtige Ergebnisse
erzielen, obwohl wir genau wissen, dass wir eigentlich was falsch
gemacht haben, als wie diese oder jene Vereinfachung eingebaut haben.
Nichts desto trotz sind diese Näherungen anwendbar und beschreiben heute
z.B. auch den Transistor, welcher sicherlich anwendbar ist. Kurz und
gut, "falsch" ist nicht gleichbedeutend "nicht anwendbar" und "richtig"
ist nicht gleichbedeutend mit "anwendbar" !! Die Frage die zu stellen
ist, als Physiker, der am Verständniss interessiert ist, muss also
lauten:" Wie kann ich die ganze Natur, vom Gluon bis zum Schwarzen
Loch, richtig beschreiben?" Bin ich dagegen an einer Anwendung
interessiert, muss ich mich fragen was ich bei meiner gegebenen
Problemstellung vernachlässigen kann und was nicht?" Bei schrödingers
Katze wissen wir, dass die "klassischen" Gestze von tod oder lebendig
ausreichen, um sie zu beschreiben, die Quantenmechanik geht über
Dekoherenz fliessend in die klassische Physik über. Sie ist die
übergeordnette Theorie und enthält auch alle Gesetze der Baustatik.
mfg
Alexander Weber
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